Bundestag überweist Gesetzentwurf zur Verlängerung des Ausreisegewahrsams
Im Bundestag ist es bei der ersten Lesung eines Gesetzentwurfes der CDU/CSU-Fraktion zur Verlängerung des Ausreisegewahrsams (20/6904) am Donnerstag, 25. Mai 2023, zu einer neuerlichen Kontroverse über die Asylpolitik in Deutschland gekommen. Während der Unions-Vorstoß aus der Koalition als „Irreführung“ und „Täuschung“ kritisiert wurde, warfen Vertreter der CDU/CSU der Regierung Fehler und Versäumnisse in der Migrationspolitik vor. Im Anschluss der Aussprache wurde die Vorlage zur federführenden Weiterberatung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen. Zuvor hatte die Union beantragt, gemäß Paragraf 80 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundestages ohne Ausschussüberweisung in die zweite Beratung der Vorlage einzutreten. Dies kann das Parlament auf Verlangen einer Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschließen. Bei der Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag wurde jedoch bei Zustimmung der Union und AfD gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 80/Die Grünen, FDP und Die Linke die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt.
Antrag der Union
Der Gesetzentwurf der Unions-Fraktion sieht vor, die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern. In der Vorlage schreibt die Fraktion, dass sich die Zahl der Ausländer in Deutschland, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen, aktuell „auf Rekordniveau“ befinde. Ausweislich des Ausländerzentralregisters seien Ende 2022 insgesamt 304.308 Menschen ausreisepflichtig gewesen, davon 248.145 mit einer Duldung und 56.163 ohne Duldung.
Dem stünden im Jahr 2022 etwas mehr als 26.500 freiwillige Ausreisen und 12.945 vollzogene Abschiebungen von ausreisepflichtigen Ausländern gegenüber, während mehr als 22.400 Abschiebungen vor der Übergabe der Ausreisepflichtigen an die Bundespolizei gescheitert seien. Grund für dieses Scheitern sei vielfach, „dass die zuständigen Landesbehörden die Personen zu Beginn der geplanten Rückführungsmaßnahme nicht antreffen“. Die aktuelle Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn Tagen ermögliche dem Ausreisepflichtigen weiterhin „ein kurzfristiges Untertauchen“.
CDU/CSU: Migrationspolitik spaltet die Gesellschaft
In der Debatte betonte Alexander Throm (CDU/CSU), dass der Gesetzentwurf „eins zu eins“ einem Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) entspreche, der von den Regierungschefs der Bundesländer auf dem jüngsten „Flüchtlingsgipfel“ beschlossen worden sei.
Throm warf zugleich der Ampel-Koalition vor, mit ihrer Migrationspolitik die Gesellschaft zu spalten. Nun habe sie Gelegenheit, „wenigstens bei einer Kleinigkeit etwas richtig zu machen“.
SPD wirft Union Irreführung vor
Helge Lindh (SPD) kritisierte, die Union erwecke mit ihrer Vorlage den Eindruck, als könnten durch Maßnahmen wie die Verlängerung des Ausreisegewahrsams Hunderttausende abgeschoben werden. Dies sei eine „grobe Irreführung“.
Wenn man sinnvollerweise über Abschiebungen und Ausreisegewahrsam spreche, liege der „Fokus eindeutig auf Gefährder und Straffälligen“. Dies sei auch die Position des Bundeskanzlers. Gerade bei „bestens integrierten Personen“ sei es dagegen sinnvoll, auf das Bleiberecht zu setzen und Aufenthalt zu ermöglichen.
AfD kritisiert Vollzugsdefizite
Steffen Janich (AfD) sagte, die Bundespolizei habe in ihrem letzten Jahresbericht beklagt, dass weniger als die Hälfte der geplanten Rückführungen tatsächlich vollzogen worden seien. Dabei sei das Vollzugsdefizit bei der Durchsetzung des Aufenthaltsgesetzes nicht neu.
Um Recht und Gesetz auch im Bereich der Aufenthaltsbeendigung für Menschen ohne Bleiberecht umzusetzen, sei eine nationale Kraftanstrengung notwendig. Die im Gesetzentwurf der Union vorgesehene Verlängerung des Aufenthaltsgewahrsams sei dabei eine „winzig kleine Stellschraube“.
Grüne: Mit dem Grundgesetz nicht vereinbar
Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer „Ausgrenzungspolitik der Union“. Dabei werde „die Bekämpfung eines vermeintlichen Abschiebungsdefizits zum Allheilmittel für alle Herausforderungen bei der Aufnahme von Geflüchteten erklärt“, um dann unverhältnismäßige Eingriffe in deren Grund- und Menschenrechte zu beschließen.
Nach dem CDU/CSU-Entwurf sollten Menschen fast einen Monat lang inhaftiert werden können, ohne jemals eine Straftat begangen zu haben. Einem Menschen die Freiheit zu entziehen mit der Begründung, organisatorische Abläufe bei der Abschiebung zu vereinfachen, sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Linke bezweifelt Nutzen einer Änderung
Clara Bünger (Die Linke) hielt der Union vor, den Ausreisegewahrsam „zur Abschreckung“ verlängern zu wollen. Dabei sei die Höchstdauer des Gewahrsams bereits 2017 von damals vier auf zehn Tage verlängert worden, ohne dass es dadurch zu mehr Abschiebungen gekommen sei.
Für die Betroffenen, die aus dem „alleinigen Grund“ der Durchsetzung ihrer Abschiebung eingesperrt würden, mache es aber einen „gewaltigen Unterschied, ob sie einige Tage oder einen ganzen Monat in Abschiebegewahrsam hinter Gittern verbringen“.
FDP verweist auf geplante Regelungen
Ann-Veruschka Jurisch (FDP) betonte, die in der MPK-Vereinbarung vorgesehene Verlängerung des Ausreisegewahrsams werde nicht als „Einzelnormgesetz“ kommen, sondern in einem Gesetz, das auch die anderen MPK-Beschlüsse abdecken werde, die eines Bundesgesetzes bedürfen.
Jurisch verwies zugleich darauf, dass Abschiebungen von den Ländern zu vollziehen seien. Dort müssten auch genügend Plätze für den Ausreisegewahrsam bereitgestellt werden, da sonst dessen Verlängerung „Quatsch“ wäre. Auch seien Abschiebungen „nicht das Ei des Kolumbus der Migrationspolitik“. (sto/25.05.2023)