Unterstützung des Engagements in Freiwilligendiensten
Etwa 100.000 Menschen leisten in Deutschland einen jährlichen Freiwilligendienst. Wie sich die dort ehrenamtlich Engagierten noch besser unterstützen lassen und die Freiwilligendienste noch attraktiver werden können, das erörterte der „Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement“ in einem Fachgespräch am Mittwoch, 10. Mai 2023. Dass man sich bereits zum zweiten Mal in der aktuellen Wahlperiode mit dem Thema befasse, zeige wie wichtig man die Arbeit der Freiwilligendiesnte nehme und dass man diese „gut in der geplanten Engagementstrategie des Bundes aufstellen“ wolle, sagte Ariane Fäscher (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses.
Freiwilliges soziales Jahr als Berufsorientierung
Die wichtige Rolle der Freiwilligen für das ehrenamtliche Engagement in Deutschland unterstrich Johannes Rößner, Bundessprecher beim Bundesfreiwilligendienst (BFD). In vielen Vereinen hätten Freiwillige eine „stützende Funktion“. Für junge Leute sei ein freiwilliges soziales Jahr im Blick auf die Berufsorientierung interessant und bei der Studienplatzbewerbung von Vorteil. In jedem Fall sei dies eine prägende Zeit. Den Bundesfreiwilligendienst solle man, als ein freiwilliges Jahr für die Gesellschaft, unbedingt noch mehr Menschen ermöglichen. Dazu müsse man allerdings das Informationsangebot an Schulen ausbauen und die Rahmenbedingungen des Freiwilligendienstes stärken. Vor allem müsse es darum gehen, auch Jugendlichen aus sozial schwächer aufgestellten Familien eine Teilnahme zu ermöglichen.
Rößner forderte, die Freiwilligen vom Rundfunkbeitrag und von Kontoführungsgebühren freizustellen. „Kaum jemand von uns guckt fernsehen. Da sollte der Gesetzgeber tätig werden.“ Außerdem sei die Anrechnung von Taschengeld auf Unterstützungsleistungen nicht akzeptabel. Die Beträge müssten zudem erhöht werden. Und schließlich drücke viele der Schuh bei der Suche nach einer Unterkunft in der Nähe des Arbeitsortes. Auch das Thema der Fahrtkosten bleibe auf der Agenda. Nicht so bekannt sei, dass auch viele ältere Menschen Freiwilligendienst leisten. Leider würden für diese keine begleitenden Seminare angeboten. Er wünsche sich mehr Kontakt zwischen den verschiedenen Altersgruppen, um unterschiedliche Sichtwiesen zusammenzubringen und von den Erfahrungen der Älteren zu profitieren. Ein wertvoller Wissenstransfer könne stattfinden. Vielleicht ließen sich altersgemischte Seminare anbieten.
Keinesfalls dürfe der Bundesfreiwilligendienst dazu missbraucht werden, um die Lücken des Fachkräftemangels zu stopfen mahnten Rößner und auch Lea Blesch, ebenfalls BFD Bundessprecherin. Es löse bei den Freiwilligen keine Begeisterung aus und sei auch keine Werbung für den Dienst, in der Altenpflege in den regulären Schichtdienst eingeplant zu werden. „Eigentlich soll alles ohne uns funktionieren“, sagte Blesch. Es gelte bei den Einsatzorten das Arbeitsmarktneutralitätsgesetz zu beachten. „Wichtig ist, dass der Dienst ein Plus ist und kein Muss.“ Der Bundesfreiwilligendienst müsse eigentlich auch ohne die Unterstützung der Eltern funktionieren, gab Blesch zu bedenken. Momentan könne es sich allerdings fast niemand leisten, der aus schlechteren sozioökonomischen Bedingungen komme. Es brauche für die Dauer des Dienstes eine angemessene finanzielle Absicherung der Existenz, eine Unterkunft oder die Übernahme der Miete und die Erstattung von Fahrkosten. Viele lebten in prekären Verhältnissen. Einem Zwang zu gesellschaftlichem Engagement in Form eines sozialen Pflichtjahres erteilten beide Sprecher eine Absage. Das sei nicht der richtige Weg, lasse im übrigen die Alten außen vor. Unfassbar viele junge Leute engagieren sich aus unterschiedlichsten Gründen, auch jenseits des Freiwilligendienstes. Das sollte vor allem mit größerer Wertschätzung honoriert werden.
Freiwilligendienst bei den Streitkräften
Über den Einsatz von Freiwilligen bei den Streitkräften berichtete Kapitän zur See Karsten Logemann, Leiter des Referats FüSK III 6 – Personelle Einsatzbereitschaft, Personalstruktur und -bedarf beim Bundesministerium der Verteidigung. Mehrere tausend Interessierte erhielten auf diesem Weg Einblick in die Bundeswehr und entdeckten diese häufig auch als Arbeitgeber. Die Bundeswehr nutze den Freiwilligendienst als „nierdrigschwelliges Angebot, um sich als Arbeitgeber darzustellen“ und Personal für alle Laufbahnen zu gewinnen.
In jedem Fall bedeute das Ableisten des Freiwilligendienstes bei der Bundeswehr eine wertvolle persönliche Erfahrung für den einzelnen sowie etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun und zusätzliche staatsbürgerliche Verantwortung zu übernehmen. Der Freiwilligendienst bei den Streitkräften sei ein „wichtiger Link in die Gesellschaft“.
Weigelt: Mittelkürzungen haben fatale Folgen
Ein „dreifacher Gewinn“ sei das freiwillige Engagement, sagte Monique Weigelt vom Bundesarbeitskreis Freiwilliges Soziales Jahr: „für Engagierten selbst, die Einsatzstellen und für die Gesellschaft als Ganzes“ . Leider stünden die geplanten Haushaltskürzungen ab 2025 im Widerspruch zu dem Ziel der Koalition, den freiwilligen Dienst attraktiver zu machen. Die Mittelkürzungen hätten fatale Folgen. Viele kleinere Einsatzstellen würden dadurch unter Druck geraten und sich zurückziehen. Die Attraktivität des Dienstes würde sinken.
Eine Pflichtdienst-Debatte sei abwegig und passe nicht zu der sich anspannenden Haushaltslage. Der Bundesfreiwilligendienst brauche ausfinanzierte Strukturen, mehr Anerkennung und ein Freiwilligen-Bafög, um den Dienst vom Einkommen der Eltern zu entkoppeln. Zu den Wirkungen einer solchen Leistung sollten Experten ein Gutachten erstellen. Eine schnell zu realisierende Maßnahme wäre: wenn der Bundespräsident jährlich alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger anschreiben und damit auf die Möglichkeit des Bundesfreiwilligendienstes aufmerksam machen würde. Ein freiwilliges soziales Jahr könne so in noch mehr Lebensläufe Eingang finden. (ll/10.05.2023)