Forderung nach „Abschiebungsoffensive“ stößt auf scharfen Widerspruch
Die AfD-Fraktion stößt im Bundestag mit ihrer Forderung nach einer „Abschiebungsoffensive“ für abgelehnte Asylbewerber auf scharfen Widerspruch bei der Ampelkoalition sowie bei der Linksfraktion. Auch Redner der CDU/CSU-Fraktion wandten sich am Donnerstag, 28. April 2022, in der ersten Debatte über einen AfD-Antrag mit dem Titel „Nationale Kraftanstrengung zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern“ (20/1508) gegen die Vorlage, sahen aber Handlungsbedarf bei der Rückführung abgelehnter Asylsuchender. Der Antrag wurde nach der Aussprache zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.
AfD: Es fehlt an Wohnungen, Schulen, Kitas und Geld
Bernd Baumann (AfD) sagte, Deutschland brauche angesichts der neuen Flüchtlinge aus der Ukraine eine „Abschiebungsoffensive für hunderttausende Asylbewerber, die hier längst abgelehnt sind“. „Anders als 2015“ kämen diesmal „echte Flüchtlinge“, doch fehle es an Wohnungen, Schulen, Kitas und Geld zur Versorgung der Menschen. Dies müsse nicht sein.
In Deutschland befänden sich mehr als 800.000 abgelehnte Asylbewerber, von denen ein Großteil ausreisepflichtig sei. Dem stünden nur rund 10.000 Abschiebungen pro Jahr gegenüber. Dies müsse sich ändern.
SPD: Mehrheit wünscht sich pragmatischen Umgang
Helge Lindh (SPD) entgegnete, die AfD wolle kommende Ukrainer gegen muslimische Flüchtlinge ausspielen. Dabei spreche sie nicht für die Bevölkerung des Landes. Dessen Mehrheit wünsche sich vielmehr einen „pragmatischen Umgang“. Das heiße nicht, dass die Mehrheit nicht Abschiebungen von Gefährdern oder Straftätern akzeptiere.
Die Hunderttausenden, die „im unwürdigen Zustand von Kettenduldung leben oder in anderen Duldungsformaten“, bräuchten eine Zukunft in Deutschland, dessen Teil sie bereits seien.
Union: Es besteht ohne Zweifel Handlungsbedarf
Josef Oster (CDU/CSU) hielt der AfD vor, quasi darauf zu hoffen, dass Flüchtlinge möglichst in großer Zahl nach Deutschland kommen, „damit Sie Ihr fremdenfeindliches Weltbild weiter verbreiten können“. Dies sei das „einfache, aber verwerfliche Geschäftsmodell“ der AfD.
Die CDU/CSU habe dagegen sowohl das Schicksal jedes einzelnen Flüchtlings im Blick als auch die Leistungsfähigkeit des Landes. Abgelehnte Asylanträge müssten „natürlich Konsequenzen haben“. Wer in Deutschland keinen Schutzanspruch habe, müsse das Land wieder verlassen. Dabei seien Abschiebungen wichtig für das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Hier bestehe „ohne Zweifel Handlungsbedarf“.
Grüne sehen kein massives Abschiebungsdefizit
Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, von der AfD würden Zahlen aus dem Zusammenhang gerissen „und zu Schreckensszenarien des Staatsversagens zusammenphantasiert“. Von den im AfD-Antrag genannten 800.000 Menschen habe ein Drittel einen unbefristeten Aufenthaltstitel und mehr als 40 Prozent einen befristeten Aufenthaltstitel.
Auch könnten Menschen in Duldung derzeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gar nicht abgeschoben werden, etwa weil das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit dagegen stehe. Ende 2021 habe die Zahl ausreisepflichtiger Personen mit abgelehntem Asylantrag ohne Duldung nur rund 18.000 betragen. Es gebe also „kein massives Abschiebungsdefizit“.
Linke: Es wird längst gnadenlos abgeschoben
Clara Bünger (Die Linke) nannte es „völlig irreführend“, wie die AfD zu beklagen, dass 800.000 abgelehnte Asylbewerber noch im Land seien. Überwiegend lebten diese Menschen mittlerweile mit einem anderen Aufenthaltszweck völlig legal in Deutschland.
Wenn jemand in der Vergangenheit im Asylverfahren abgelehnt worden sei, sage dies über seinen aktuellen Aufenthaltsstatus nichts aus. So könnten beispielsweise Polen, deren Asylantrag in den 1990er Jahren abgelehnt worden sei, heute als Unions-Bürger selbstverständlich in Deutschland leben. Auch werde „längst gnadenlos abgeschoben“.
FDP: Viele geduldete Menschen sind gut integriert
Stephan Thomae (FDP) warf der AfD-Fraktion vor, Ängste der Menschen vor Flüchtlingen schüren und verstärken zu wollen. Dabei seien viele hier geduldete Menschen gut integriert. Deshalb sei es sinnvoll zu überlegen, ihnen die Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt zu geben, statt sie Jahr für Jahr mit Kettenduldungen ohne Perspektive zu lassen.
Abschiebungen müsse es dagegen geben, wo „Integration misslingt und wo Straftäter und Gefährder das Gastrecht hier bei uns missbrauchen“. Deshalb wolle die Koalition auch eine „Rückführungsoffensive“ starten.
Antrag der AfD
In ihrem Antrag fordert die AfD die Bundesregierung auf, die Ausreise abgelehnter Asylbewerbern „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu forcieren und über geeignete Anreizsysteme verstärkt zu fördern“ sowie durch wirksamere Grenzkontrollen an europäischen und deutschen Außengrenzen die Wiedereinreise solcher Asylbewerbern zu unterbinden. Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion alle rechtlichen und sachlichen Hindernisse beseitigen, die einer verstärkten Abschiebung abgelehnter Asylbewerber entgegen stehen, „insbesondere die Zahl der Duldungstatbestände und sonstigen nachgelagerten Aufenthaltsberechtigungen auf ein notwendiges Minimum“ reduzieren und hierzu geeignete Gesetzentwürfe in den Bundestag einbringen.
Zugleich wird die Bundesregierung in der Vorlage aufgefordert, alle Bundesländer bei ihren Abschiebemaßnahmen personell und finanziell zu unterstützen sowie die finanziellen Mittel bereitzustellen, um die Anzahl der Abschiebehaftplätze kurzfristig zu erhöhen. Zudem soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge gegebenenfalls Abschiebungen durch die Bundespolizei selbst durchführen. Ferner dringt die Fraktion darauf, staatlich geförderte Nichtregierungsorganisationen, „die rechtmäßige Abschiebemaßnahmen gefährden, von jedweder Förderung auszuschließen“. Auf die Herkunftsländer soll die Bundesregierung nach dem Willen der Abgeordneten auf politischer Ebene einwirken, um eine umfassende und schnelle Abschiebung der abgelehnten Asylbewerber zu ermöglichen. Des Weiteren plädiert die Fraktion in der Vorlage unter anderem dafür, gegebenenfalls Herkunftsstaaten, die sich weigern, ihre Staatsbürger wieder aufzunehmen, durch den Entzug von bilateralen Entwicklungsleistungen zu sanktionieren. (sto/28.04.2022)