Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 16. März 2023, mehrere Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen:
Belästigung in der Arbeitswelt: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung eines Übereinkommens Nr. 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt (20/5652) eingebracht. Die Vorlage wird im Ausschuss für Arbeit und Soziales federführend beraten. Ziel des Übereinkommens ist es demnach, die rechtliche Grundlage für eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung zu schaffen. Bisher existierte kein internationales Instrument, das umfassend davor schützt. Zudem soll mit dem Übereinkommen als ein internationaler Mindeststandard eine Regelungslücke geschlossen werden. Das Übereinkommen schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie andere Personen in der Arbeitswelt vor Gewalt und Belästigung. Ebenso geschützt sind natürliche Personen, die die Befugnisse, Pflichten oder Verantwortlichkeiten einer Arbeitgeberin oder eines Arbeitgebers ausüben. Verantwortlich für den Schutz sind neben dem Staat durch arbeitsrechtliche, strafrechtliche oder polizeiliche Maßnahmen auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Mit dem Gesetzentwurf werden nun die Voraussetzungen für die Ratifizierung geschaffen.
Energiewende: Abgesetzt von der Tagesordnung wurde ein angekündigter Gesetzentwurf der Bundesregierung „zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“, federführend im Ausschuss für Klimaschutz- und Energie weiterberaten werden sollte.
Brennstoffemissionshandel: In einer Unterrichtung (20/4861) bilanziert die Bundesregierung zum ersten Mal das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), das seit dem 1. Januar 2021 den nationalen Brennstoffemissionshandel (nEHS) regelt. Die Vorlage wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Klimaschutz- und Energieausschuss überwiesen. Mit dem Brennstoffemissionshandel wurde auf nationaler Ebene eine CO2-Bepreisung für sämtliche fossile Brennstoffemissionen außerhalb des europäischen Emissionshandels (EU-ETS) eingeführt. Bis zum 30. September 2022 mussten die zur Teilnahme am nEHS verpflichteten Unternehmen ihre gekauften nationalen Emissionszertifikate (nEZ) in Höhe der berichteten Emissionen im nEHS-Register abgeben. Nach Angaben der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt) wurden für das erste Berichts- und Abgabejahr 2021 rund 1.640 von insgesamt rund 1.670 BEHG-Verantwortlichen (rund 98 Prozent) nEZ in Höhe der von ihnen berichteten Menge an CO2-Emissionen abgegeben. Damit übersteigt die für das Jahr 2021 abgegebene Menge an nEZ die in der BEHV-Novelle vorgesehene jährliche Emissionsmenge für das Verpflichtungsjahr 2021 um rund fünf Millionen Tonnen CO2, heißt es in der Unterrichtung.
Küstenfischerei: „Investitionen fördern und Zukunftsperspektiven für Küstenfischerei und Ausflugsschifffahrt schaffen“ lautet der Titel eines Antrags (20/5987) der CDU/CSU-Fraktion. Die Vorlage wurde zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen. Die Bundesregierung soll nach dem Willen der CDU/CSU-Fraktion die Fördermaßnahmen für Kutter- und Küstenfischerei sowie für die kleinere Ausflugsschifffahrt an die der Binnenschiffer anpassen. Eine solche Maßnahme würde der von familiengeführten Unternehmen geprägten Branche „die Existenz sichern“ und „neue Zukunftsperspektiven eröffnen“, heißt es in dem Antrag. Über 90 Prozent der Flotte seien mittlerweile mehr als 25 Jahre alt und damit überaltert. Für Unternehmen bestünden durch die geringen Einkommen und die anhaltend schlechte Wirtschaftslage kaum mehr der Mut und die Möglichkeit, einen neuen Kutter zu erwerben.
Ausgleichsabgabe: Unternehmen, die die gesetzlichen Vorgaben erfüllen und alle sogenannten Pflichtarbeitsplätze für Menschen mit Behinderung besetzt haben, sollen dafür eine jährliche Bonuszahlung erhalten. Dies fordert die AfD-Fraktion in einem Antrag (20/5999), den die Abgeordneten in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen haben. Die Ausgleichsabgabe, die von Betrieben zu zahlen ist, die diese Vorgaben nicht erfüllen, solle künftig ein Fünftel des durchschnittlichen Arbeitslohns für einen Vollzeitbeschäftigten in diesem Betrieb betragen. Außerdem fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den ein Teil der Ausgleichsabgabe in einen Fonds für individualisierte Beratungsangebote für Unternehmen fließen könne.
Handelspolitik: Die Linksfraktion will das EU-Mercosur-Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten neu verhandeln. In ihrem Antrag macht sich die Fraktion für „eine faire Wirtschafts- und Handelspolitik“ (20/5980) stark. Die Vorlage wird im Wirtschaftsausschuss beraten. Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung dazu auf, der Unterzeichnung des EU-Mercosur-Abkommens durch die EU-Kommission in seiner jetzigen Form nicht zuzustimmen und sich dafür einzusetzen, dass der Ratifizierungsprozess des vorliegenden Abkommens gestoppt wird. Weiterhin fordern die Abgeordneten, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für Neuverhandlungen des Abkommens einsetzt. Ziel solle sein, Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards und die Rechte der indigenen Bevölkerung samt einer staatliche Kontrollaufsicht verbindlich im Abkommen festzuschreiben. Gefordert wird zudem, dass sich die Bundesregierung für einen fairen Welthandel mit eindeutigen und einklagbaren sozialen und ökologischen Standards einsetzt.
Endometriose: Die Linksfraktion fordert eine Strategie zur Bekämpfung der gynäkologischen Erkrankung Endometriose. Jedes Jahr würden fast 30.000 Frauen mit Endometriose stationär im Krankenhaus behandelt, durch die starken Schmerzen seien sie in ihrem Alltag stark eingeschränkt, heißt es in einem Antrag der Fraktion (20/5979), der federführend im Gesundheitsausschuss beraten wird. Für viele Frauen sei Endometriose auch der Grund für einen unerfüllten Kinderwunsch. Betroffene Frauen warteten bis zu zehn Jahre auf eine gesicherte Diagnose, in diesen Jahren würden sie mit ihrem Leid allein gelassen. Nach einer Diagnose könne die Krankheit auch nur symptomatisch behandelt werden. Die Abgeordneten fordern eine nationale Endometriose-Strategie, um die Krankheit in das gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken und sich der Erforschung und Bekämpfung der Krankheit zu widmen. Vorgeschlagen wird ein bundesweites Endometriose-Register, in dem Daten zum Krankheitsbild und zur Häufigkeit erfasst und überwacht werden. Eine Aufklärungskampagne zum Thema Endometriose und Menstruationsbeschwerden solle sich vorrangig an Mädchen und junge Frauen richten. Die Ausbildung der Ärzte müsse verändert werden, damit sie Endometriose besser erkennen und behandeln könnten.
Sprachmittlung: Ein weiterer Antrag der Fraktion Die Linke trägt den Titel „Sprachmittlung in der Pflege und im Gesundheitssystem für alle einführen“ (20/5981) und wurde ebenfalls zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen. Die Sprachmittlung sollte dem Antrag zufolge in die Leistungskataloge der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Sozialen Pflegeversicherung sowie für den Bereich der Rehabilitation aufgenommen werden. Sprachliche Verständigung sei eine Grundvoraussetzung für Diagnostik, Beratung, Gesundheitsförderung und Prävention sowie in der Rehabilitation und Pflege, heißt es in der Vorlage. Sprachbarrieren verschlechterten die Behandlungsqualität und den Behandlungserfolg. Sprachmittler könnten nichtdeutschsprachigen Menschen helfen, eine adäquate, gleichberechtigte Teilhabe an einer menschenwürdigen gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung zu erhalten. Die Abgeordneten schlagen vor, mit Sachverständigen aus der inter- und transkulturellen Versorgungspraxis verbindliche Standards für die Sprachmittlung in der Gesundheits- und Pflegeversorgung zu entwickeln. Bei Bedarf solle auch die Übernahme der Kosten für eine Übersetzung in Leichte Sprache garantiert werden.
Beauftragter für die Arktis: Die AfD-Fraktion fordert die „Berufung eines deutschen Beauftragten für die Arktis im Range eines Botschafters durch die Bundesregierung“ (20/6004). Ein entsprechender Antrag wird federführend im Auswärtigen Ausschuss beraten. Die Fraktion argumentiert, dass die arktische Region durch ihre Lage, ihren Reichtum an Bodenschätzen wie Öl, Erdgas, Seltene Erden oder Eisen, als Raum für Güterschiffsverkehr und als Ökosystem von herausragender Bedeutung sei. Hinzu kämen die geostrategischen Aspekte und die Konkurrenz insbesondere unter den Anrainerstaaten USA, Kanada, Dänemark, Norwegen und Russland sowie die weiteren Mitglieder im Arktischen Rat Schweden, Finnland und Island. „Deutschland ist ein relativ rohstoffarmes Land, das für die Sicherung seiner energieintensiven Wirtschaft auf Ressourcen wie Gas, Öl und Erze dringend angewiesen ist“, schreiben die Abgeordneten. Mit der Berufung eines Beauftragten im Range eines Botschafters sollen die Interessen Deutschlands in dieser wichtigen Region auf ranghoher Ebene vertreten werden. Zudem könne Deutschland für Kooperation und Konfliktprävention mit allen relevanten Akteuren eintreten.
Schacholympiade: Die AfD-Fraktion macht sich für die Bewerbung einer deutschen Stadt für eine Schacholympiade ab 2028 stark. Ein entsprechender Antrag (20/6001) wird federführend im Sportausschuss beraten. Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, jeweils in enger Kooperation mit dem Deutschen Schachbund (DSB) initiativ die Bereitschaft einer deutschen Stadt zur Ausrichtung einer Schacholympiade ab 2028 zu sondieren, in Frage kommende und Bereitschaft signalisierende Städte zu einer möglichen Ausrichtung zu ermuntern und bei mehreren Interessenten die Einigung auf eine Bewerberstadt zu moderieren. Zudem soll sie die Bewerbung kommunikativ und organisatorisch begleiten sowie ein Finanzierungskonzept, ein technisches Konzept zur Übertragung und ein Schutzkonzept entwickeln. Zur Begründung ihres Antrags verweisen die AfD-Abgeordneten darauf, dass Schach im 21. Jahrhundert zu einem Aktiven- wie Zuschauersport im Internet geworden sei. Auf einschlägigen Plattformen im Internet könnten Spieler gegen ihresgleichen und auch Großmeister antreten. Die Partien der großen Turniere würden live übertragen und von Sachverständigen kommentiert. Durch die Übertragung im Netz würden Millionen Spielbeobachter, sogenannte Kiebitze, weltweit in die Turniere eingebunden, sie könnten mit den Kommentatoren kommunizieren und über die laufenden Partien diskutieren. Das gelte speziell für eine Schacholympiade, die „zu einer hybriden Veranstaltung par excellence geworden“ sei.
Öffentlichkeitsarbeit: Die CDU/CSU-Fraktion legt erstmals einen Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (20/5988) vor, der eine gesetzliche Klarstellung zur Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen zum Ziel hat. Die Vorlag wird federführend im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beraten. Fraktionen sollen künftig eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit betreiben können, deren Informationsgegenstände über die rein innerparlamentarischen Aktivitäten hinausgehen dürfen, fordert die Union. Konkret soll der Paragraf 55 des Abgeordnetengesetzes um den Satz ergänzt werden: „Zu den Aufgaben von Fraktionen und ihren Mitgliedern gehört eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit.“ Dies würde es den Fraktionen nach Ansicht der Unionsfraktion ermöglichen, die Öffentlichkeit „medienübergreifend und zeitgemäß“ über ihre Tätigkeiten zu informieren und so die Funktion auszuüben, „die den Fraktionen von Verfassungs wegen zugewiesen ist“. Diese gesetzliche Klarstellung würde es laut Gesetzentwurf erlauben, dafür auch die Sozialen Medien zu nutzen.
(irs/16.03.2023)