Zeit:
Mittwoch, 29. März 2023,
14.45
bis 15.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300
Fachverbände fordern mehr Hilfe für Mädchen und Frauen mit Endometriose und eine bessere Versorgungsinfrastruktur. Die bisherigen Versorgungsangebote, aber auch Aufklärung und Forschung zu der gynäkologischen Erkrankung seien unzureichend, erklärten Expertinnen am Mittwoch, 29. März 2023, in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über Anträge der Unionfraktion und der Linksfraktion. Viele der betroffenen Frauen leiden unter krampfartigen Schmerzen im Unterleib, vor allem während der Regelblutungen. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung am Mittwoch und in schriftlichen Stellungnahmen.
Anträge von Union und Linke
Die Unionsfraktion fordert in einem Antrag (20/4308) eine nationale Endometriose-Strategie sowie den Ausbau und die Stärkung von Endometriose-Zentren in Deutschland. Auch müsse dafür gesorgt werden, dass Leistungen in den Endometriose-Fachberatungen an Kliniken, bei Gynäkologen oder Allgemeinmedizinern auskömmlich vergütet und entsprechend abgerechnet werden können.
Auch die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag (20/5979) eine Strategie, um die Krankheit in das gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken und sich deren Erforschung und Bekämpfung zu widmen. Vorgeschlagen wird ein bundesweites Endometriose-Register, in dem Daten zum Krankheitsbild und zur Häufigkeit erfasst und überwacht werden. Eine Aufklärungskampagne zum Thema Endometriose und Menstruationsbeschwerden sollte sich vorrangig an Mädchen und junge Frauen richten. Die Ausbildung der Ärzte müsse verändert werden, damit sie Endometriose besser erkennen und behandeln könnten.
Programm zur Früherkennung gefordert
Die Arbeitsgemeinschaft Endometriose (AGEM) und die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie (AGE) wiesen darauf hin, dass Endometriose ein Massenphänomen ist. Es sei von rund 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr und aktuell von zwei bis vier Millionen Betroffenen in Deutschland auszugehen.
Die Diagnose werde im Mittel um zehn Jahre verschleppt. Die Verbände fordern ein Programm zur Früherkennung der Endometriose, eine sektorenübergreifende Therapie und eine leistungsgerechte Kostenerstattung, die an die Komplexität der Behandlung angepasst werden müsse.
Psychosoziale Beratung und Aufklärungsangebote
Nach Einschätzung der Endometriose-Vereinigung handelt es sich um eine Volkskrankheit, die bei den betroffenen Frauen extreme Schmerzen und psychische Folgeprobleme auslösen kann. Selbst nach einer gesicherten Diagnose sei die Versorgungslage problematisch, insbesondere bestehe ein Bedarf an psychosozialen Unterstützungs- und Beratungsangeboten. Der Verband befürwortet mehr Aufklärung der Betroffenen und des medizinischen Fachpersonals, um Diagnose-Zeiträume und den Leidensweg der Frauen zu verkürzen, sowie eine Forschungsstrategie.
Aufklärungsangebote könnten mit der J1 Jugenduntersuchung und der jährlichen gynäkologischen Krebsvorsorgeuntersuchungen stattfinden. Nach Ansicht des Verbandes muss neben der Endometriose auch die eng verwandte und oft begleitende Adenomyose beachtet werden, bei der Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) ähnelt, in die Gebärmuttermuskelwand einwächst.
Indikationsbezogene Abrechnungspositionen
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigte sich offen für mehr Aufklärung und Information, jedoch müsse bei der Wissensvermittlung, die sich speziell an Mädchen und junge Frauen richte, der Nutzen gegen die mögliche Verunsicherung und Verängstigung abgewogen werden, da viele junge Frauen nicht betroffen seien.
Indikationsbezogene Abrechnungspositionen sollten zudem nach Ansicht des Verbandes nur ausnahmsweise geregelt werden. Eine privilegierte Vergütung könnte Forderungen nach gesonderten Abrechnungen für andere Indikationen nach sich ziehen. Aufwendige Behandlungs- und Beratungsanlässe wie die Endometriose würden in der Vergütung bereits abgebildet.
„Die Endometriose zerstört Hoffnungen, Träume, Karrieren und Beziehungen“
In der Anhörung schilderten betroffene Frauen ihren Leidensweg, die enormen Schmerzen und ihre Hilfslosigkeit angesichts der verbreiteten Unkenntnis über diese Krankheit. Die 30-jährige Natascha Lowitzki sagte, ihre Probleme hätten in früher Jugend eingesetzt. Nach zwölf Jahren habe ein Arzt erstmals die Verdachtsdiagnose Endometriose gestellt. Die Krankheit sei chronisch und nicht heilbar. Sie habe ihr ganzes Leben auf ihren Zyklus ausgerichtet und auch nach mehreren Operationen mit wiederkehrenden Schmerzen zu kämpfen. „Die Endometriose zerstört Hoffnungen, Träume, Karrieren und Beziehungen.“
In der Anhörung war davon die Rede, dass vor allem die ambulante Versorgung unzureichend sei und Menstruationsschmerzen nach wie vor tabuisiert würden. (pk/29.03.2023)