Klimaschutz

Sachverständige bewerten Zukunft der Raffinerie in Schwedt

Zeit: Mittwoch, 1. März 2023, 9 Uhr
Ort: Berlin, Jakob-Kaiser-Haus, Sitzungssaal JKH 1.302

Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat am Mittwoch, 1. März 2023, in einem öffentlichen Fachgespräch die „Aktuelle Versorgungssicherheit und der Transformationsprozess am Standort Raffinerie Schwedt“ zu erörtert. Johannes Bremer, Geschäftsführer der Rosneft Deutschland GmbH, die seit September unter treuhänderischer Verwaltung des Bundes steht, strich heraus, dass die PCK Schwedt zu den besten Raffinerien in Europa gehöre – das betreffe die Performance, die Belegschaft, die Wettbewerbsfähigkeit auch im internationalen Konkurrenzkampf. Der Beschluss der Bundesregierung, zum Beginn dieses Jahres kein russisches Rohöl mehr zu beziehen, habe aktuell erhebliche Auswirkungen für die Versorgungssicherheit der PCK, zumal das inzwischen ausschließlich über den Hafen Rostock ankommende Öl nicht-russischer Herkunft erheblich weniger sei – und auch andere Qualitätsmerkmale habe als das russische, was zum Beispiel zur Folge habe, dass die für den Straßenbau benötigte Bitumen-Produktion nicht mehr möglich sei. Dennoch, so Bremer, seien mit den gegebenen Voraussetzungen die Bedingungen für eine Transformation von einer Öl-Raffinerie zu einem Standort zur Wasserstoff-Produktion in Schwedt so gut wie nirgends sonst. Bis es soweit sei, müsse die Raffinerie aber erstmal überleben, und dafür müsse sie im Dauerbetrieb laufen: Mehr Öl aus weiteren Quellen würde helfen.

Landrätin fordert mehr Zeit für Umstellung

Auf den Faktor Zeit hob auch Karina Dörk, Landrätin Kreisverwaltung Uckermark, ab. Bis zum 1. Januar dieses Jahres sei die PCK ein gesunder Betrieb gewesen, der größte in der Region, mit 1.200 Angestellten und 2.500 Dienstleistern, ein Steuerzahler mit Langfristperspektive – doch seit dem Verbot des Imports von Rosneft-Öl bliebe die Auslastung der Raffinerie bei unter 60 Prozent. Arbeitnehmer und Bürger der Region seien besorgt.

Der Betrieb habe sich längst schon auf den Transformationspfad begeben, man hätte einfach mehr Zeit gebraucht, um den Weg zu Ende zu gehen, doch diese Zeit habe man ihnen nicht gegeben, sondern auf russisches Öl verzichtet, eine neue Leitung sei nicht gekommen, die Ertüchtigung der alten noch nicht möglich, weil die Zustimmung der EU ausstehe, neue Lieferverträge lägen nicht vor. Mehr Zeit – das fordere sie von der Bundesregierung ein.

Experte: Es braucht feste Verträge und verlässliche Mengen

Die Sorgen um die der tatsächliche Versorgungssicherheit mit Rohöl am Standort der PCK könne er den Menschen, Stand heute, nicht nehmen, sagte Rolf Erler, Bezirksleiter Berlin-Brandenburg der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Denn die Versorgung über den Rostocker Hafen reiche verlässlich nur für knapp über 50 Prozent der vorherigen Menge. Auf Dauer brauche es verlässliche andere Quellen für Schwedt. Öl über den Danziger Hafen könne ein wichtiges zweites Standbein sein. Hierfür brauche es feste Verträge und verlässliche Mengen.

Ob Öl aus Kasachstan tatsächlich eine wirklich sichere zweite Option sei, sei fraglich, weil das kasachische Öl über den russischen Teil der Drushba-Pipeline kommen müsste. Dennoch: Der Dreiklang über den Rostocker Hafen, über den Danziger Hafen und vielleicht aus Kasachstan könnte eine Lösung sein. Als Erfolg verbuchte Erler die „recht einmalige Art von Beschäftigungssicherung, die man mit dem Zukunftspaket der Bundes- und Landesregierungen aushandeln konnte. Konkret bedeutet diese, dass es eine Sicherung der Arbeitsplätze bei vollem Lohn über zwei Jahre hinweg ab Januar 2023 fest zugesagt gibt. 

Transformation als “Jahrhundertchance„

Anlass zu Optimismus, wenn auch unter Bedingungen, sah auch Hanno Kempermann, Geschäftsführer der IW Consult GmbH. Schwedt könne eine “Jahrhundertchance„ haben, sagte Kempermann. Die Uckermark habe große Potenziale, große Industrieflächen zum Beispiel, viel Platz zum Ausbau von Windkraft und Photovoltaik für die Wasserstoffproduktion; die Ansiedlung eines Forschungsinstituts könnte Start-Ups anziehen. Das Zukunftspaket der Bundesregierung sollte mehr Kooperation, mehr Verknüpfung der vorhandenen Industrien fördern, die Region breiter in den Blick nehmen. Voraussetzung für Investoren wäre allerdings ein Ausbau der Infrastruktur, Investitionen in Bahnstrecken und Straßen ebenso wie in die Digitalisierung.

Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie, nannte es eine positive Meldung, dass es gelungen sei, ein Drittel der russischen Öllieferungen zu ersetzen. Er sei optimistisch, dass es keine Versorgungsprobleme gebe – vorausgesetzt, der Rhein führe genug Wasser und die Bahn fahre zuverlässig. Die entscheidende Frage sei aus seiner Sicht daher nicht, ob man noch zehn oder 20 Prozent mehr Auslastung erreiche, sondern: “Wie kriegen wir die Transformation hin?„ Die Transformation erfordere erhebliche Milliardeninvestitionen im In- und Ausland – und um Investoren anzuziehen brauche es verlässliche Rahmenbedingungen.

So sollte die von der EU-Kommission vorgeschlagene Neugestaltung der Besteuerung von Kraftstoffen zügig beschlossen und dann national umgesetzt werden. Es sei für die Klimaschutzbemühungen kontraproduktiv, wenn jeder Liter Kraftstoff unabhängig von seiner THG-Bilanz weiterhin in gleicher Höhe besteuert werde. Ein Schlüssel für die Transformation sei das gemeinsame Verarbeiten von fossilen und erneuerbaren beziehungsweise recycelten Rohstoffen (Co-Processing). Dies müsse vom Gesetzgeber anerkannt werden. Und grundsätzlich sollten zum Erreichen der Klimaziele alle nachhaltigen Optionen zugelassen und nicht ständig neue Ausstiegsdebatten geführt werden.

Umstellung auf ein klimaneutrales Produktportfolio

Die Frage, wie die Umstellung auf ein klimaneutrales Produktportfolio aussehen könnte, steht auch für Mario Ragwitz, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, im Vordergrund. Analysen zeigten, dass für die Raffinerie Schwedt verschiedene Optionen bestünden, um als wichtiger Industriestandort in Brandenburg auch künftig erhalten zu bleiben und dabei einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten. Die strategisch günstige Infrastrukturpositionierung erlaube eine sichere und flexible Rohstoffversorgung: Durch eine infrastrukturell günstige Positionierung in der Nähe zahlreicher Pipelines, Stromleitungen und Ölterminals könnten für die Erzeugung von synthetischen Produkten in der Raffinerie Schwedt der Zukunft entweder die Primärrohstoffe Strom und Wasser, die Sekundärrohstoffe Wasserstoff und CO2 oder flüssige Zwischenprodukte importiert werden. Für die Ausschöpfung von Potentialen bei Erneuerbaren Energien und Wasser müsse jedoch mit Mehrkosten gerechnet und gegebenenfalls Engpässe in der Infrastruktur berücksichtigt werden.

Claus Sauter ist CEO und Unternehmensgründer der VERBIO Vereinigte BioEnergie AG und findet die PCK einen “großartigen Standort. So großartig, dass er der Bundesregierungen einen Vorschlag für die künftige Nutzung des Geländes und die Transformation des Unternehmens vorgelegt hat. Der Biokraftstoff-Hersteller Verbio aus Leipzig ist bereits seit 2004 auf dem Gelände von PCK. Rund 400 Mitarbeiter stellen dort Biokraftstoffe und Biomethan her. Dazu werde Stroh und Getreide verarbeitet, das nicht mehr als Lebens- oder Futtermittel genutzt werden könne, erläuterte Sauter. Er nannte es naiv, zu glauben, dass irgendwer ein Interesse daran haben könnte, dass in Schwedt Öl raffiniert werde. Die Transformation sei unumgänglich. Und die PCK habe gute Voraussetzungen, diese Transformation erfolgreich zu gestalten. (mis/01.03.2023)