Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 2. März 2023, eine Reihe von Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen:
Internationale Seeschifffahrt: Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens über die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organisation, IMO, 20/5651) wird im federführenden Verkehrsausschuss weiterberaten. Mit der Initiative sollen die von der Versammlung der IMO am 8. Dezember 2021 vorgenommenen Änderungen am Übereinkommen umgesetzt werden. Damit die Änderungen in Kraft treten können, müssen zwei Drittel der 175 IMO-Mitgliedstaaten zustimmen. Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 ist die IMO zuständig für die Annahme von internationalen Seeschifffahrts-Regelungen und Normen über maritime Sicherheit, die Leistungsfähigkeit der Seeschifffahrt und den Schutz, die Verhütung und die Überwachung der Meeresverschmutzung durch Schiffe. Durch die Änderungen des IMO-Übereinkommens soll unter anderem der Rat der Organisation von derzeit 40 auf 52 Mitglieder erhöht und die bisherige zweijährige Amtszeit der Ratsmitglieder auf vier Jahre verlängert werden. Als Exekutiv- und politisches Steuerungsorgan der Organisation ist der Rat für die Erstellung von Empfehlungen in Bezug auf maritime Sicherheit und Umweltverschmutzungsprävention zuständig.
Regionalisierungsgesetz: Ebenfalls im federführenden Verkehrsausschuss wird der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes (20/5799) weiterberaten. Der Bund soll demnach die Bundesländer von 2023 bis 2025 mit 1,5 Milliarden Euro jährlich zur Finanzierung des sogenannten Deutschlandtickets im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterstützen. Über den wortgleichen Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen (20/5548) hat der Bundestag bereits am 9. Februar dieses Jahres in erster Lesung beraten. Die Einbringung von wortgleichen Gesetzentwürfen durch die Bundesregierung in die Beratungen des Bundesrates und der Koalitionsfraktionen in die Beratungen des Bundestages wird bei eilbedürftigen Gesetzesvorhaben angewendet, um eine parallele Beratung und somit ein schnelleres Gesetzgebungsverfahren zu ermöglichen. Das Deutschlandticket soll gemäß der Einigung zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regierungschefs der Länder vom 2. November vergangenen Jahres zum Einführungspreis von 49 Euro zur Benutzung des ÖPNV im gesamten Bundesgebiet berechtigen. Es soll ausschließlich in einer digitalen Form und in einem monatlich kündbaren Abonnement verkauft werden. Da das Deutschlandticket nicht wie ursprünglich geplant zum 1. Januar eingeführt werden konnte, soll die Erhöhung der Regionalisierungsmittel in diesem Jahr in Form einer Abschlagszahlung an die Länder erfolgen, um Mindereinnahmen der Verkehrsbetriebe auszugleichen. Die tatsächlichen Mindereinnahmen in diesem Jahr soll 2024 ermittelt werden. Um die Finanzierung des bundesweit gültigen Nahverkehrstickets dauerhaft zu sichern, soll auf Grundlage einer Auswertung der verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen des Deutschlandtickets 2025 ein erneutes Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden.
Cannabis: Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Patientenversorgung mit Cannabisarzneimitteln verbessern – Aufklärung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen stärken“ (20/5561) vorgelegt, der zur weiteren Beratung in den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen wurde. Darin fordert die Unionsfraktion eine bessere Versorgung von Patienten mit Cannabisarzneimitteln. Aufgrund von Vorbehalten in Verbindung mit mangelndem Fachwissen über die Wirkungsweise von Cannabis als Medizin würden Cannabisarzneimittel sogar auf Nachfrage seitens der Patienten als Therapieansatz nicht in Erwägung gezogen, heißt es. Eine weitere Herausforderung seien die hohen administrativen Hürden bei den Genehmigungsverfahren in den gesetzlichen Krankenkassen in Verbindung mit den Begutachtungsverfahren durch den Medizinischen Dienst. Dies führe nach Aussage der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) zu langen Wartezeiten für chronisch kranke Patienten in Antragsverfahren sowie zu monatelangen Widerspruchsverfahren. Die Versorgung müsse auch sichergestellt werden, sollte es zu einer Freigabe von Cannabis für den Genussmittelmarkt kommen. Es sei zu befürchten, dass Produzenten von Medizinalcannabis bei einer hohen Nachfrage und niedrigeren Qualitätsanforderungen vorzugsweise den Genussmittelmarkt bedienten. Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Versorgung von Patienten mit hochreinem Cannabisarzneimitteln sicherzustellen, sollte es zu einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken kommen. Auch sollte die Therapiehoheit der Ärzte bei der Verschreibung von medizinischen Cannabis gestärkt und das langwierige Genehmigungsverfahren überprüft werden. Zudem müsse verhindert werden, dass Patienten aus ökonomischen Gründen auf den Schwarzmarkt oder bei einer kontrollierten Abgabe von Cannabis auf den Genussmittelmarkt ausweichen.
Naturschutz: Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes zum Vorschlag der EU-Kommission für eine ,Verordnung zur Wiederherstellung der Natur’ (Nature Restoration Law, COM (2022) 304)“, vorgelegt. Der Antrag (20/5559) wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz überwiesen. Nach Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes haben Bundestag und der Bundesrat „das Recht, wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben“. Der Bundestag ist dazu auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet. Die Union fordert die Bundesregierung auf, sich angesichts der aus dem russischen Angriffskrieg resultierenden Krisen für einen zeitlichen Aufschub der Verordnung einzusetzen. Zudem verlangen die Abgeordneten, dass eine „nachhaltige Nutzung der Gebietsflächen“ weiterhin möglich ist. Ziele wie der Ausbau der Infrastruktur, die Klimaanpassung, die Ernährungssicherung und die Bereitstellung von Wohn- und Gewerbeflächen müssten weiterhin erfüllbar sein, heißt es im Antrag der Unionsfraktion. Die Bundesregierung solle zudem Sorge dafür tragen, dass „Vorleistungen“ für den Naturschutz und die Wiederherstellung von Naturräumen wie etwa durch die Schaffung des Grünen Bandes an der ehemaligen innerdeutschen Grenze „hinreichend Berücksichtigung“ finden. Der Anteil an Naturschutzgebieten habe schließlich 2019 bei 6,3 Prozent der Landesfläche gelegen. Weiter plädiert die Fraktion dafür, dass „naturnahe Bewirtschaftungsformen“ wie etwa Agroforstsysteme, extensive Weidewirtschaft und naturverträglich und ökologisch gestaltete Freiflächen-Photovoltaikanlagen auf die Ziele angerechnet werden. Land-, Forstwirtschaft sowie Fischerei und Jagd dürften ebenso nicht weiter belastet werden wie die Kommunen bei der Umsetzung, schreiben die Abgeordneten. Die Bundesregierung solle darüber hinaus darlegen, welche Mittel in Deutschland zusätzlich zu den im Mehrjährigen Finanzrahmen angekündigten 100 Milliarden Euro bereitgestellt werden müssten und welche betriebs- und volkswirtschaftlichen sowie sozialen Kosten die Wiederherstellung der Natur haben werde. Der Rahmen für einen verbesserten Umweltzustand der EU durch den „Green Deal“ sei „grundsätzlich zu begrüßen“, müsse jedoch praxistauglich ausgestaltet werden, argumentiert die Union.
Medikamentenkosten: Der Antrag der AfD mit dem Titel „Tagessatzunabhängige Vergütung der Medikamentenkosten – Neuregelung der Finanzierung der Rehabilitation“ (20/5813) wird federführend im Gesundheitsausschuss weiterberaten. 2018 habe die Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation bemängelt, dass die Vergütungssätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um bis zu 30 Prozent unter den in einem Gutachten für notwendig erachteten Werten lägen, heißt es in dem Antrag der Fraktion. Der Grund sei, dass die in der Rehabilitation anfallenden Medikamentenkosten mit den Tagessätzen abgegolten sind. Die Abgeordneten schlagen vor, die Medikamentenkosten aus den Tagessätzen herauszunehmen. Sie sollten unabhängig vom Kostenträger der Rehabilitation in voller Höhe von den Krankenkassen übernommen werden.
Physiotherapeuten: Ein weiterer Antrag der AfD trägt den Titel „Verordnung von Hilfsmitteln durch Physiotherapeuten“ (20/5814). Auch diese Vorlage wird der Gesundheitsausschuss federführend weiterberaten. Physiotherapeuten sollen nach den Vorstellungen der AfD-Fraktion ihren Patienten künftig faktisch selbstständig Hilfsmittel verordnen dürfen. Die Berufsgruppe der Physiotherapeuten solle dazu derjenigen der Pflegefachkräfte rechtlich, analog zu Paragraf 40 Absatz 6 und 7 SGB XI, gleichgestellt werden, heißt es in dem Antrag der Fraktion. Zur Begründung führen die Abgeordneten an, mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) sei diversen Pflegeberufsgruppen faktisch die Verordnung von bestimmten Produktgruppen der Hilfsmittel aus dem Hilfs- und Pflegehilfsmittelkatalog ermöglicht worden. Zwar sei im Gesetzestext von einer „Empfehlung“ die Rede, zur Umsetzung fehle aber nur die Genehmigung der Krankenkasse, wenn der Antrag von dem Versicherten dort eingereicht worden sei. Weil Pflegefachkräfte den Bedarf ihrer Patienten gut erkennen könnten, sei es sinnvoll gewesen, die Befugnisse von Ärzten auf diese Berufsgruppe zu erweitern. Dies treffe aber auch auf Physiotherapeuten zu, deren rechtliche Stellung in dem Punkt der von Pflegefachkräften angeglichen werden sollte.
Erbschaften: Die Bundesregierung soll die zuletzt vor 14 Jahren veränderten Freibeträge bei der Erbschaftsteuer erhöhen, um die Wirkungen der hohen Inflation auszugleichen. Dies fordert die AfD-Fraktion in einem Antrag (20/5815), bei dem der Finanzausschuss die Federführung übernimmt. Ebenso wie der Gesetzgeber Anpassungen der Freibeträge und Freigrenzen im Einkommensteuerrecht vornehme, um die Inflation auszugleichen, beispielsweise um das Existenzminimum von der Einkommensteuer freizustellen, müsse er bei Freibeträgen im Erbschaftsteuerrecht verfahren. Der Anpassungsbedarf sei bei dieser Steuerart sogar noch weit größer aufgrund des langen Zeitraums der Nichtanpassung. Auch erinnert die AfD-Fraktion daran, dass es durch Änderungen der Grundstücksbewertung zu einer Erhöhung der Verkehrswerte gekommen sei. In der Begründung ihres Antrages weist die AfD-Fraktion darauf hin, dass die Inflationsrate in Deutschland im Oktober 2022 10,4 Prozent betragen habe, was ein historischer Höchststand gewesen sei. Ursachen seien neben dem Gelddrucken der Europäischen Zentralbank (EZB) die Störung der weltweiten Lieferketten und die extreme Verteuerung von Energie durch den Krieg in der Ukraine. Zudem sei es zu einer politisch gewünschten Verteuerung von Energie gekommen, um die Bürger durch künstliche Preissteigerungen zu einem bestimmten Verhalten anzuhalten, damit politisch definierte Ziele wie „Klimarettung“ oder „Energiewende“ erreicht würden. Erste Vorboten der Inflation seien die enormen Verteuerungen von Sachwerten gewesen. Die Immobilienpreise seien in den letzten Jahren förmlich explodiert, so dass sich kaum ein Durchschnittsverdiener mehr einen Immobilienerwerb leisten könne. Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung darüber hinaus auf, Lösungsmodelle einzubringen, mit denen durch eine Indexierung die Effekte heimlicher Steuererhöhungen kompensiert werden.
Vermögensabgabe: Federführend im Finanzausschuss beraten wird auch der Antrag der AfD mit dem Titel „Die erheblichen Steuermehreinnahmen Deutschlands richtig einsetzen – Die Bürger nicht für ausländische Staaten mit einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe belasten“ (20/5611). Angesichts der aktuellen kritischen Situation sollen nach Vorstellungen der AfD-Fraktion sämtliche Maßnahmen beziehungsweise Vorbereitungshandlungen für Steuererhöhungen und insbesondere für die Einführung einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe unterlassen werden. In ihrem Antrag fordert die AfD-Fraktion stattdessen von der Bundesregierung Vorschläge für wirksame Steuersenkungen, speziell für die Mittelschicht und den Unternehmensbereich. Die Ausgaben sollen zudem zugunsten der deutschen Bevölkerung priorisiert werden und Krisenfolgen insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen abfedern. Zu den weiteren Forderungen der AfD-Fraktion gehört der Start einer diplomatischen Initiative für einen Friedensschluss in der Ukraine. Zahlungen im Rahmen einer Wiederaufbauhilfe für die Ukraine sollen davon abhängig gemacht werden, dass die in dem Land grassierende Korruption wirksam bekämpft wird. Ukrainische Politiker sollen zudem zu ungeklärten Geldverschiebungen in Höhe von 41 Millionen Dollar Stellung nehmen, die im Zusammenhang mit den „Pandora-Papers“ bekannt geworden seien. Angesichts der Korruption in der Ukraine besteht nach Ansicht der Abgeordneten ohne ein Gegensteuern die konkrete Gefahr, dass die Aufbauhilfe zu einem großen Teil in schwarzen Kassen verschwinden werde.
Null-Euro-Ticket: Ein Null-Euro-Ticket für Studierende, Auszubildende, Schülerinnen und Schüler sowie Absolventinnen und Absolventen eines Freiwilligendienstes fordert die Fraktion die Linke in einem Antrag (20/5785). Die Bundesregierung solle einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg bringen. Kinder und Jugendliche sowie Studierende seien besonders armutsgefährdet und müssten daher entsprechend entlastet werden. Das geplant 49-Euro-Ticket wird dieses Problem laut antragstellender Fraktion nicht lösen. Für Studierende drohe außerdem ein „ähnliches Verrechnungschaos“ wie beim Neun-Euro-Ticket im vergangenen Sommer. Der Verkehrsausschuss übernimmt die Federführung.
Sport: Die Auszahlung einer lebenslangen Versorgung ab dem 40. Lebensjahr für Olympiasieger, Paralympics-Sieger und Medaillengewinner für olympische und paralympische Sommer- und Winterspiele anlässlich der Olympischen Spiele in Paris 2024, schlägt die AfD-Fraktion vor. Ein dazu vorgelegter Antrag (20/5816) wird im Sportausschuss federführend beraten. Die lebenslange Versorgung soll sich nach § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) richten sowie jährlich die voraussichtlich dafür notwendigen Mittel basierend auf dem Medaillenspiegel der jeweils letzten Olympischen und Paralympischen Spiele bereitstellen und der Deutschen Sporthilfe zur Verfügung stellen. Zur Begründung heißt es, trotz Medaillengewinn sei die Zukunft auch für erfolgreiche Olympioniken oft ungewiss. Wer Leistungssport betreibe ordne seine Karriere im Spitzensport dem Einstieg ins Berufsleben unter. Wer neben dem Leistungssport studiere oder eine Ausbildung beginne, müsse mit längeren Ausbildungs- oder Studienzeiten rechnen, verbunden mit einem deutlich späteren Berufseinstieg als andere im gleichen Alter. Wer sich für den Spitzensport entscheide, verzichte insofern freiwillig mehrere Jahre auf den Einstieg ins Berufsleben und somit auch auf einen Teil seiner Rente. Der Sportler tue das für sich, aber auch für seine Heimat Deutschland. Eine lebenslange Versorgung für Olympiasieger, Paralympics Sieger und Medaillengewinner bedeute nicht nur eine gesellschaftliche Wertschätzung, sondern biete insbesondere eine finanzielle Sicherheit.
(ste/sas/eis/03.03.2023)