Zeit:
Mittwoch, 8. Februar 2023,
9.30
bis 11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal Sitzungssaal 4.300
Um die Herausforderungen der Energiekrise bewältigen zu können, brauchen Hochschulen mehr finanzielle Sicherheit und Planbarkeit. Darin waren sich die Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung im Bildungsausschuss am Mittwoch, 8. Februar 2023, einig. Anlass der Anhörung mit dem Titel „Unterstützung für Hochschulen und wissenschaftlichen Nachwuchs“ war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/4874). Darin fordern die Abgeordneten unter anderem, dass die Hochschulen in die Härtefallregelungen der Strom- und Gaspreisbremse aufgenommen werden sollen.
Diesen Schritt begrüßten alle vier Sachverständigen. Es sei bereits viel geschehen, doch als eine Art „Versicherung“ sei die Härtefallregelung wichtig für die Planung der Universitäten, bekräftigten sie in ihren Eingangsstatements. Auch müssten sich Bund und Länder besser absprechen, um eine flächendeckende Entlastung der Hochschulen zu ermöglichen.
„Restlast auf den Schultern der Studierendenwerke“
Als Vertreter der 57 Studierendenwerke in Deutschland war Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studierendenwerks geladen. Die Studierendenwerke seien für 2,5 Millionen Studierende zuständig. Da sie gemeinnützig sind und sich größtenteils aus den Wohn- und Mensenumsätzen sowie Semesterbeiträgen finanzieren, bleiben den Werken laut Anbühl bei steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen nur zwei Optionen: Entweder die erhöhten Kosten müssten direkt an die Studierenden weitergegeben werden oder die Werke erhielten mehr Zuschüsse von Bund und Ländern.
Insgesamt sei man zwar mit der Energiepreisbremse „glimpflich durch den Winter gekommen“ und habe flächendeckende Hochschulschließungen verhindern können, aber eine „Restlast“ auf den Schultern der Studierendenwerke bleibe.
Sachverständiger: Unterstützung darf nicht vom Zufall abhängen
Es könne nicht vom „Zufall“ abhängen, welche Universität in welchem Bundesland wie unterstützt werde, bekräftigte Prof. Dr. Bernd Kriegesmann, Präsident der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Es sei unstrittig, dass Wissenschaft gestärkt werden müsse, um künftige Innovationen voranzubringen. Dennoch stehe die Wissenschaft unter finanziellem Druck, sagte Kriegesmann. So würden zwar die aktuell gestiegenen Energiekosten an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen beispielsweise durch ein Sondervermögen kompensiert, doch seien die Energiekosten „ja nicht erst durch die Krise gestiegen“.
Diese Kostensteigerung der vergangenen Jahre seien bei der Hochschulfinanzierung nicht berücksichtigt worden. Ebenso blickte Kriegesmann mit Sorge auf die anstehen Tarifsteigerungen, die bei der Drittmittelfinanzierung von Forschungsprojekten nicht berücksichtigt und daher die Hochschulen zusätzlich belasten würden.
Mehr Planungssicherheit bei Entlastungen gefordert
Prof. Dr. Tanja Brühl, Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt und Vertreterin der TU9 – „die Allianz führender Technischer Universitäten in Deutschland“ betonte, dass die Universitäten durch aktuelle Energiesparmaßnahmen in ihrer Forschung eingeschränkt seien. TU9-Universitäten seien sehr „energieintensive Standorte“, da sie viele experimentelle und simulierende Arbeiten durchführten. Die Universitäten würden mittlerweile rund 20 Prozent weniger Energie verbrauchen: „Das, was wir dezentral machen können, machen wir selbstverständlich.“ Dies führe allerdings dazu, dass beispielsweise Labore geschlossen seien, Teilchenbeschleuniger aktuell nicht genutzt würden und Promotionsarbeiten stagnierten.
Da sich die Universitäten derzeit auf die Bewerbung zur Exzellenzstrategie vorbereiteten, könnten sich solche Einschränkungen negativ auswirken. Brühl zeigte sich dankbar für die bisherige Unterstützung, forderte allerdings mehr Planungssicherheit bei den Entlastungen, sonst sei die „internationale Wettbewerbsfähigkeit“ gefährdet.
Anreize für Unterstützung durch die Länder
Mittelfristig sei an der Universität Potsdam mit einer Verdopplung der Energieausgaben zu rechnen, sagte Prof. Dr. Oliver Günther, Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz. Sollte sich keine andere Lösung finden, müssten für die rund fünf Millionen Euro Mehrausgaben für Energie Stellen gestrichen werden. Kurzfristig könne die Universität auf die eigenen Rücklagen zurückgreifen, um die gestiegenen Kosten zu stemmen. Dies sei allerdings nur eine „Einmallösung“ und würde das „strukturelle Problem“ nur verlagern. Viele Rücklagen seien beispielsweise für den Hochschulbau vorgesehen, der dringend vorangetrieben werden müsse, sagte Günther. Auch unter dem Gesichtspunkt eines geringeren Energieverbrauchs sei ein Aufholen beim Hochschulbau essentiell.
Laut Günther sind bei der Entlastung des Wissenschaftssystems in erster Linie die Länder gefragt, doch auch der Bund muss Verantwortung übernehmen, schließlich handelt es sich bei „Hochschulforschung und Hochschullehre“ um eine gesamtstaatliche Zielsetzung. Neben der Härtefallregelung forderte er, dass der Bund die Länderförderung koordinieren und Anreize schaffen solle, damit die Länder die Hochschulen bei Energie- und Baukosten stärker unterstützen.
Antrag der Union
Um den Hochschulbetrieb zu garantieren und die Qualität der Lehre zu sichern, soll der Bund die Hochschulen in die Härtefallregelung der Strom- und Gaspreisbremse aufnehmen, fordert die Unionsfraktion in ihrem Antrag. Außerdem solle auch der wissenschaftliche Nachwuchs an „Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen“ in die Härtefallregelungen mit einbezogen werden.
Die Energiekrise treffe die Hochschullandschaft hart, argumentieren die Unionsabgeordneten. So werde an vielen Hochschulen besonders energieintensive Forschung beispielsweise durch Laserlabore, Plasmabeschleuniger oder Hochleistungsrechner betrieben. Das Einsparpotential sei hier gering. Den Hochschulen bliebe daher oftmals nur die Option, die gestiegenen Energiekosten durch Stelleneinsparung zu stemmen – davor habe der Vizepräsident der Hochrektorenkonferenz, Professor Oliver Günther, bereits Ende November in einer Anhörung des Bildungsausschusses gewarnt. Solche „flächendeckenden Einstellungsstopps“ müssten verhindert werden, fordert die Union. (des/08.02.2023)