Fraktionen beraten erstmals über die Einführung des 49-Euro-Tickets
Mit jährlich 1,5 Milliarden Euro soll der Bund zwischen 2023 und 2025 an der Finanzierung des sogenannten Deutschlandtickets beteiligen. Das Ticket zum Einführungspreis von 49 Euro soll ab dem 1. Mai dieses Jahres für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im gesamten Bundesgebiet gelten. Es soll ausschließlich digital und in einem monatlich kündbaren Abonnement erhältlich sein.
Über den entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes (20/5548) debattierte der Bundestag am Donnerstag, 9. Februar 2023, in erster Lesung und überwies ihn zur weiteren Beratung in den federführenden Verkehrsausschuss.
Minister: Deutschlandticket ist ein Multitalent
Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) bezeichnete das Deutschlandticket als „Multitalent“. Es trage zum Klimaschutz bei, stärke den ÖPNV, trage zu seiner Digitalisierung bei und entlaste die Bürger. Zudem sei es beispielgebend in Europa. So habe Frankreich inzwischen angekündigt, ein ähnliches Ticket anzubieten. Das neun-Euro-Ticket in den Sommermonaten 2022 habe gezeigt, dass die Menschen zur Nutzung des ÖPNV motiviert werden können, argumentierte Wissing.
Rund 52 Millionen Bürger hätten es genutzt. Wissing verteidigte die Entscheidung, dass das Ticket nur digital erhältlich sein soll. Dafür benötige man aber eben nicht zwangsläufig ein Smartphone, es sei auch als Chipkarte erhältlich. Dies sei den Menschen von ihrer Bankkarte vertraut. Wissing wies zudem die Kritik zurück, dass vor allem Menschen in Städten von dem Ticket profitieren würden. Die Ticketpreise seien in den ländlichen Regionen aktuell deutlich höher als in der Stadt.
Union: Preis von 49 Euro wird nicht zu halten sein
Bei der Opposition stößt das Deutschlandticket hingegen auf Kritik. Die CDU/CSU-, AfD- und die Linksfraktion begrüßen die Einführung eines bundesweit gültigen ÖPNV-Tickets zwar prinzipiell, halten seine konkrete Ausgestaltung jedoch für fehlerhaft. Der CDU/CSU-Abgeordnete Michael Donth monierte, dass das Ticket nur digital für ein Smartphone oder als Chipkarte erhältlich sein soll. In etlichen Verkehrsverbünden in ländlichen Regionen müssten deshalb zehntausende von Lesegeräten beschafft werden, um die Chipkarten auszulesen. Es sei schon jetzt absehbar, dass der Einführungspreis von 49 Euro nicht zu halten sei.
Aus den Bundesländern sei zu vernehmen, dass der Preis zukünftig deutlich steigen müsse, sagte Donth. Zudem würden die eigenwirtlichen Verkehrsbetriebe, die ohne staatliche Zuschüsse auskommen müssen, benachteiligt. So sei das Deutschlandticket zwar in den Regionalzügen der Deutschen Bahn gültig, aber nicht in privatwirtschaftlichen Fernbussen, die auf den gleichen Strecken fahren, monierte Donth.
AfD will gegen Einführung des Tickets stimmen
Ganz ähnlich argumentierte der AfD-Parlamentarier Wolfgang Wiehle. Auch er kritisierte, dass das Ticket nur digital erhältlich sein soll und nicht in privaten Fernbusse genutzt werden kann. Von dem Ticket würden vor allem jene Menschen profitzieren, die bereits jetzt über ein gutes ÖPNV-Angebot verfügen. In vielen ländlichen Regionen fehle es aber noch immer an einer guten Anbindung. Zahlen müssten für das Ticket jedoch alle Steuerzahler, auch wenn sie das Ticket gar nicht nutzen.
Die Gelder des Bundes sollten besser in den konsequenten Ausbau des ÖPNV investiert werden. Seine Fraktion werde „diesem 49-Euro-Murks“ nicht zustimmen, kündigte Wiehle an.
Linke: Ticket leitet Mobilitätswende nicht ein
Bernd Riexinger (Die Linke) bescheinigte der Bundesregierung zwar, dass das Deutschlandticket „in die richtige Richtung gehe“, leite aber eben nicht die Mobilitätswende ein. Deutschland werde bis 2030 seine Klimaziele nicht erreichen, weil das FDP-geführte Verkehrsministerium im „letzten Jahrhundert feststeckt“ und lieber Autobahnen baue. So werde weiterhin am Dienstwagenprivileg festgehalten und an der Steuerbefreiung für Kerosin.
Preislich sei das Deutschlandticket „viel zu weit weg“ vom Neun-Euro-Ticket, kritisierte Riexinger. Die Bezeichnung Deutschlandticket solle wohl verschleiern, dass der Einführungspreis von 49 Euro nicht zu halten sei.
SPD: Die größte Revolution im ÖPNV
Abgeordnete der Koalitionsfraktionen wiesen die Kritik aus der Opposition zurück. Die SPD-Parlamentarierin Dorothee Martin sprach gar von einem „historischen Tag“. Das Deutschlandticket leite „die größte Revolution“ im ÖPNV „seit Gründung der Bundesrepublik“ ein. Das Land wachse durch das bundesweit gültige Ticket zusammen – auch sozial.
Der Preis von 49 Euro stelle für sehr viele Menschen eine deutliche Entlastung dar, führte Martin aus. So liege beispielsweise im Verkehrsverbund Hamburg der aktuelle Preis für das Monatsabonnement für den Nahverkehr bei 96 Euro. In seiner Einführungsphase werde das Deutschlandticket auch als Papierticket erhältlich sein und die Semestertickets für Studenten könnten durch Zuzahlung zum Deutschlandticket aufgewertet werden.
FDP: Tarifdschungel wird beseitigt
Nach Ansicht des FDP-Abgeordneten Valentin Abel stellt die Einführung des Deutschlandtickets einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik dar und zeige, dass der ÖPNV der Bundesregierung im Gegensatz zur alten Regierung am Herzen liege.
Das bundesweit gültige Ticket beseitige den unübersichtlichen „Tarifdschungel“ zwischen Verkehrsverbünden. Zudem sei der Preis „sensationell“. Abel räumte jedoch ein, dass der ÖPNV in der Fläche weiter ausgebaut werden müsse.
Grüne: Gamechanger beim Klimaschutz
Für einen Ausbau des ÖPNV warb auch Nyke Slawik (Bündnis 90/Die Grünen). Um die benötigten Milliarden aufzubringen, müssten klimaschädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg oder die Steuerfreiheit für Kerosin angegangen werden. Slawik betonte, dass mit dem Deutschlandticket „endlich jene belohnt werden, die sich ökologisch verhalten“. Der Ausbau des ÖPNV müsse aber auch sozialer gestaltet werden. Diese Diskussion sei mit dem Deutschlandticket nicht beendet.
Die Berliner Umwelt- und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßte als Vertreterin des Bundesrates die Einführung des Deutschlandtickets ausdrücklich. Es könne zum „Gamechanger“ beim Klimaschutz werden und den Verkehr von der Straße auf die Schiene umleiten. Das neun-Euro-Ticket im vergangenen Jahr sei ein großer Erfolg gewesen, habe aber zugleich die Kapazitätsgrenzen des ÖPNV aufgezeigt. Jarasch forderte deshalb den Bund auf, in den kommenden Jahren verstärkt in die Sanierung und den Ausbau des Schienennetzes zu investieren. Dafür seien Milliardenbeträge nötig.
Finanzierung des Deutschlandtickets
Da das Deutschlandticket nicht wie ursprünglich geplant zum 1. Januar eingeführt werden konnte, soll die Erhöhung der Regionalisierungsmittel in diesem Jahr in Form einer Abschlagszahlung an die Länder erfolgen, um Mindereinnahmen der Verkehrsbetriebe auszugleichen.
Die tatsächlichen Mindereinnahmen in diesem Jahr sollen 2024 ermittelt werden. Um die Finanzierung des bundesweit gültigen Nahverkehrstickets dauerhaft zu sichern, soll auf Grundlage einer Auswertung der verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen des Deutschlandtickets 2025 ein erneutes Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden. (aw/09.02.2023)