Habeck gegen „Schwarzmalerei“ der wirtschaftlichen Lage
Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und der Bundesminister für besondere Aufgaben, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD), haben in der Regierungsbefragung des Bundestages einerseits von großen Herausforderungen gesprochen, vor denen die Bundesregierung stehe, andererseits aber bekräftigt, dass die Regierung die von den Abgeordneten angesprochenen Themen im Blick habe und die Lösung in Arbeit sei. Es war dies am Mittwoch, 8. Februar 2023, die erste Regierungsbefragung mit zwei Kabinettsmitgliedern, nachdem der Bundestag eine Änderung der Geschäftsordnung beschlossen und die Regierungsbefragung von 60 auf 90 Minuten verlängert hatte.
Marktwirtschaft und Demokratie
Habeck sprach eingangs von der Klimakrise als einem „marktwirtschaftlichen Versagen“. Aufgabe der Politik sei es, der Marktwirtschaft einen ordnungsrechtlichen Rahmen zu geben, wie dies Alfred Müller-Armack in der Nachkriegszeit beschrieben habe. Der Minister sprach von einem „enormen Investitionsbedarf“ und der Notwendigkeit, zu schnelleren Verfahren zu kommen.
Dem FDP-Abgeordneten Michael Kruse sagte Habeck, er halte China für eine „erfolgreiche Marktwirtschaft“, einen „blühenden Kapitalismus“. Es sei möglich, ein kapitalistisches System zu haben ohne eine Demokratie zu sein. Umgekehrt sei dies nicht möglich. Kruse erwiderte, er verbinde Marktwirtschaft mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die in China mit seinen „staatlich gelenkten Investitionsentscheidungen“ nicht gegeben seien.
Industriestrompreis und Beihilfeverfahren
Der CDU-Abgeordneten Julia Klöckner, die von einer „besorgniserregenden wirtschaftlichen Lage“ gesprochen hatte, widersprach Habeck und wandte sich gegen „Schwarzmalerei“. Klöckners Ansage, dass ein europäischer Industriestrompreis benötigt werde, griff der Minister dahingehend auf, dass Zugänge der Industrie zu erneuerbaren Energien geschaffen werden müssten. Die Bundesregierung versuche, dies in Richtung Brüssel zu konkretisieren. Auf einen konkreten Preis wollte sich Habeck nicht festlegen lassen, da erneuerbare Energien schwankende Strompreise produzierten. Die Nutzung dieser Stromquelle sei Voraussetzung für Innovationsfähigkeit, der Preis müsse auch wettbewerbsfähig sein.
Auf eine Frage von Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen) zu Vorschlägen der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen für einen Industrie-Green-Deal, sagte Habeck, die Beihilfeverfahren der EU-Kommission müssten beschleunigt und die Ansiedlung sicherheitsrelevanter Industrien erleichtert werden.
Verfahrensbeschleunigung und Energieversorgung
Die Verfahrensbeschleunigung war auch Gegenstand einer Frage der SPD-Abgeordneten Lena Werner. Dazu sagte der Wirtschaftsminister, die EU-Notfallverordnung sei befristet und gelte nicht für Maßnahmen insgesamt. Artenschutzstandards würden von ihr nicht reduziert. Habeck bezeichnete die Biodiversitätskrise in diesem Zusammenhang als „zweite ökologische Krise unserer Zeit“ neben der Klimakrise.
Dem AfD-Abgeordneten Dr. Malte Kaufmann entgegnete der Minister, geplant sei, bis 2030 80 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen bereitstellen zu können, was beinhalte, dass 20 Prozent aus anderen Quellen kommen können. Es würden gesicherte Kapazitäten für alle Jahreszeiten gebraucht.
Sinkende Reallöhne und Freihandelsabkommen
Auf zum dritten Mal in Folge gesunkene Reallöhne machte Pascal Meiser (Die Linke) aufmerksam. Habeck verwies auf die drei Entlastungspakete der Bundesregierung mit einem Volumen von 95 Milliarden Euro sowie auf die Strom- und Gaspreisbremse. In Zukunft werde es darauf ankommen, die Inflation zu drücken.
Nach einem EU-Freihandelsabkommen mit den USA fragte der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben. Dazu sagte Habeck, die USA strebten kein solches Abkommen an. Erstrebenswert sei hingegen ein Abkommen über „grüne Industriegüter“. Habeck empfahl, eine Debatte über Landwirtschaft außen vor zu lassen. Mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten sei in diesem Jahr das „Fenster offen“, um die Verhandlungen zu einem vorläufigen Ende zu führen. Ein Abkommen, das einer weiteren Rodung des Regenwaldes Vorschub leiste, sei jedoch nicht im deutschen Interesse.
Klimaneutralität und Digitalisierung
Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt betonte eingangs, die Regierung habe die Pandemiekriege, die Krise durch den russischen Angriffskrieg und die Energiekrise „ganz gut“ in den Griff bekommen. Das Tempo, das dabei erforderlich gewesen sei, habe dazu geführt, dass Ausschussberatungen im Parlament manchmal hätten „knapp“ ausfallen müssen. Mittel- und langfristig gehe es darum, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften. Dieses Ziel des Fortschritts eine die drei Ampelparteien.
Die SPD-Abgeordnete Dunja Kreiser erkundigte sich nach dem Beitrag des geplanten Online-Zugangsgesetzes 2.0 für die Digitalisierung der Verwaltung. Schmidt sagte, mit dem alten Online-Zugangsgesetz sei eine Umsetzungsfrist bis Jahresende 2022 verbunden gewesen. Mit den Ländern sei ein Monitoring vereinbart worden, „um dieses Vorhaben hinzubringen“. Die Rolle des Kanzleramts sei dabei, zusammenzuführen und zu koordinieren.
Nachrichtendienste und Nordstream-Pipelines
Die Arbeit der Nachrichtendienste thematisierte Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen). Er erinnerte an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Transparenz zu gewährleisten und die Kontrolle auszubauen. Schmidt sagte, das Urteil habe eine Umsetzungsfrist bis zum Jahresende gegeben. Die Ministerien seien dabei, den Anforderungen aus Karlsruhe gerecht zu werden. In der Demokratie sei es wichtig, dass die Dienste demokratisch kontrolliert werden, betonte der Minister. Dabei sei die Zusammenarbeit mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages „sehr gut“.
Dem AfD-Abgeordneten Karsten Hilse, der sich nach Ermittlungsergebnissen in Sachen Anschlag auf die Nordstream-Pipelines in der Ostsee erkundigte, teilte Schmidt mit, der Generalbundesanwalt habe ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet. Wegen dieses Verfahrens und aus Gründen des Staatswohls könne darüber hinaus nichts gesagt werden.
Munitionsgipfel und Wohnungsnot
Nach dem „Munitionsgipfel“ im Bundeskanzleramt fragte der CDU-Abgeordnete Armin Schwarz. Schmidt erläuterte, dabei habe es sich um ein Zusammentreffen der Bundesressorts mit der Rüstungsindustrie gehandelt, um herauszufinden, was aus Sicht der Industrie notwendig ist, um die Versorgung mit Munition zu sichern. Der Industrie werde nun ein „verlässlicher Pfad“ aufgezeigt, um zu einer industriellen Produktion zu kommen.
Caren Lay (Die Linke) sprach die Wohnungsnot als „soziale Frage unserer Zeit“ an. Konkret wollte sie wissen, weshalb die Wiederherstellung des kommunalen Vorkaufsrechts wiederholt verschoben worden sei. Die Bundesregierung arbeite „mit Hochdruck“ daran, versicherte der Kanzleramtschef. Ziel sei es, 400.000 Wohnungen zu bauen, davon 100.000 mit sozialer Förderung. (vom/08.02.2023)