Gesundheit

Sachverständige fordern mehr Ressourcen im Kampf gegen Tropenkrankheiten

Tuberkulose, Malaria, HIV sowie eine Reihe bislang vernachlässigter Tropenkrankheiten nicht aus dem Blick zu verlieren, das mahnte Prof. Dr. Jürgen May, Vorstandsvorsitzender des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin im Expertengespräch des Unterausschusses Globale Gesundheit zum Thema „Forschung und Innovationen für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten“ am Montag, 23. Januar 2023, an. In den letzten drei Jahren seien die Covid-19-Pandemie und die Pandemievorsorge in Öffentlichkeit, Medien und Politik das beherrschende Thema gewesen.

Aber vor allem in Ländern mit begrenzten Gesundheitsressourcen bestünden Risiken durch weitere endemische Infektionskrankheiten fort, von denen mehr als 1,3 Milliarden Menschen, ein Fünftel der Menschheit, betroffen seien und die die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Politik erforderten. Unter den Bedingungen wirtschaftlicher Rückständigkeit und mangelnder Ressourcen bilde sich leicht ein Teufelskreis aus Krankheit und Armut, der den Nährboden für Epidemien bilde.

Erschwingliche Medikamente 

Dadurch gerate das Ziel, Gesundheit und Wohlergehen weltweit für alle zu schaffen, wie es in den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen festgehalten sei, in Gefahr. Leider seien die Ausgaben für Forschung in diesem Bereich reduziert worden. Doch genau das Gegenteil müsse passieren. Es gehe darum, Ressourcen zur Bekämpfung sich ausbreitender Tropenkrankheiten bereitzustellen, gezielt gegen einzelne Krankheiten zu intervenieren und die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder zu ertüchtigen.

Forschung und Entwicklung, Prävention und Diagnostik müssten gefördert und Produktpartnerschaften geschaffen werden, um für die vernachlässigten Populationen erschwingliche Medikamente auf den Markt zu bringen. Oft gebe es seitens der Industrie kaum ein Interesse, Medikamente im großen Stil für arme Patienten zu produzieren.

Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten

Die „Kigali Declaration on Neglected Tropical Diseases“, die darauf zielt, in einer globalen Public Private Partnership Mittel und Knowhow zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten bereitzustellen, sei ein wichtiger Schritt; die Bundesregierung gehöre erfreulicherweise zu den ersten Unterzeichnern.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstütze die Erforschung von Infektionskrankheiten in Afrika und fördere Produktpartnerschaften. Bei der Erforschung von Medikamenten und Diagnostika gelte es vor allem den globalen Süden im Blick zu behalten. 

Klimawandel und Infektionskrankheiten

Auf den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Ausbreitung von besonders durch Insekten übertragene Infektionskrankheiten wies Joelle Tanguay, External Affairs Director der Drugs for Neglected Diseases initiative hin. Zur Bekämpfung solcher wegen der globalen Erwärmung von einer Region zur anderen wandernden sogenannter klimasensitiver Krankheiten, die auf einmal Millionen von Menschen betreffen könnten, brauche es bezahlbare Medikamente. Noch gebe es dazu im Produktionszyklus zu viele Hindernisse, die den Menschen, die diese Medikamente bräuchten, den Zugang blockierten.

Man habe nun durch die Covid-Pandemie eine Menge gelernt. Die nächste Krise werde von klimasensitiven Krankheiten ausgehen. Es gelt jetzt mehr Geld in die Hand zu nehmen, Innovationen durch Produktentwicklungspartnerschaften auf den Weg zu bringen, Forschungswissen zu teilen. Die Pharmaindustrie produziere in erster Linie für die reichen Märkte. Aber 20 Prozent der Menschen seien weltweit von armutsbedingten vernachlässigten Tropenkrankheiten betroffen, und diese erreichten die nötigen Medikamente nicht. 

Produktentwicklungspartnerschaften

Im Rahmen von Produktentwicklungspartnerschaften (PDP) entstandene Medikamente hätten bereits zahlreichen Menschen geholfen und Leben gerettet. Sie stellten eine bezahlbare Alternative für die globale Gesundheitsvorsorge dar. Die PDP’s bezögen öffentliche Forschungsinstitute ebenso wie Pharmaunternehmen ein, bildeten Netzwerke und zielten darauf das Thema Diagnostik voranzubringen und den Zugang zu neuen Gesundheitsprodukten zu erleichtern.

Leider überforderten die Folgen des Klimawandels ärmere Länder und das klassische biomedizinische Innovationssystem habe darauf keine Antwort. Es bahne sich eine Krise aus ausbleibender Innovation und erschwertem Zugang zu nötigen Medikamenten an. Die Drugs for Neglected Diseases initiative strebe an, mit öffentlichen und industriellen Partnern Produkte von höchster Qualität zum geringsten Preis zur Verfügung zu stellen. Sie rief Deutschland dazu auf, die bewährte Initiative weiterhin zu unterstützen und sich finanziell noch stärker bei Forschung und Entwicklung zu armutsbezogenen Krankheiten vernachlässigter Bevölkerungen zu engagieren.

Forschung und Arzneimittel-Produktion

In einem weiteren öffentlichen Tagesordnungspunkt befasste sich das Gremium mit dem Thema „Forschung und Arzneimittel-Produktion. Welche Lehren sind aus der Covid 19-Pandemie für zukünftige Pandemien zu ziehen?“ und befragte dazu die Sachverständigen Dr. Richard Hatchett, Chief Executive Officer, Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) und Lisa Hedman, Group Lead, Supply and Access to Medicines, bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Die Gesundheit als wesentlicher Baustein für eine nachhaltige Entwicklung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Auswirkungen von Infektionskrankheiten, wie Ebola oder Tuberkulose, aber auch Antibiotikaresistenzen gehen weit über nationale Grenzen hinaus. Migrationsbewegungen schaffen neue gesundheitliche Herausforderungen. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und die übergreifende Zusammenarbeit und den Austausch aller beteiligten parlamentarischen Gremien zu erleichtern, wurde in dieser Legislaturperiode der Unterausschuss Globale Gesundheit beim Ausschuss für Gesundheit eingerichtet. (ll/24.01.2023)