Unterstützung für Reform der unabhängigen Patientenberatung
Die geplante neuerliche Reform der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) wird im Grundsatz auch von Teilen der Opposition unterstützt. Neben den Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP befürwortete am Donnerstag, 26. Januar 2023, in der ersten Beratung des Gesetzentwurfes (20/5334) der Bundesregierung auch die Linksfraktion die Neuaufstellung der Patientenberatung. Allerdings werden in der Opposition die geplanten Stiftungsstrukturen ebenso hinterfragt wie die Finanzierung durch die Krankenkassen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die UPD soll ab 2024 in einer Stiftung bürgerlichen Rechts verstetigt werden. Das Ziel sei, die UPD in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen zu überführen, heißt es in einem Gesetzentwurf. Der zweiköpfige Vorstand wird von einem Stiftungsrat bestellt, der aus 13 Mitgliedern bestehen soll.
Bei der Ausgestaltung des Vorstands der Stiftung komme den in der Verordnung nach Paragraf 140g SGB V genannten oder nach der Verordnung anerkannten maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen der Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen eine wesentliche Rolle zu, heißt es in dem Gesetzentwurf weiter. Sie schlagen dem Stiftungsrat zwei Personen zur Berufung in den Vorstand vor.
Gesamtbetrag von jährlich 15 Millionen Euro
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) und die privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) sollen der Stiftung mit Jahresbeginn 2024 einen Gesamtbetrag von jährlich 15 Millionen Euro zuweisen. Der Anteil der PKV soll bei sieben Prozent liegen.
Seit Januar 2016 betreibt die private Callcenter-Firma Sanvartis die UPD. Zuvor wurde der Auftrag von einer Bietergemeinschaft aus Sozialverband VdK, Verbraucherzentrale Bundesverband und Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) wahrgenommen. Der GKV-Spitzenverband hatte sich 2015 im Einvernehmen mit dem Patientenbeauftragten für die Neuvergabe entschieden. Zugleich wurde die Förderphase von fünf auf sieben Jahre verlängert. Die Fördermittel wurden von 5,2 auf 9,0 Millionen Euro jährlich erhöht. Finanziert wird die UPD durch den GKV-Spitzenverband und anteilig die PKV.
Die jüngste Förderphase endete mit dem Jahresende 2022. Das bisherige Vergabeverfahren wurde mit Blick auf die angestrebte Neustrukturierung bereits 2021 aus dem Gesetz gestrichen. Für das Jahr 2023 gilt eine Übergangsregelung nach den bisherigen Rahmenbedingungen.
Minister betont Bedeutung unabhängiger Beratung
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem wichtigen Gesetzentwurf, weil damit die Perspektive der Patienten eingenommen werde. Diese Perspektive werde oft vergessen. Eine unabhängige Beratung sei für viele Menschen wichtig, wenn es etwa darum gehe, schnell eine Entscheidung zu treffen über eine Behandlung oder Operation. In dem Fall müsse es Möglichkeiten für eine Beratung geben ohne wirtschaftliche Abhängigkeiten. Die Stiftung solle zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit bieten, unabhängig Informationen einzuholen.
Das Beratungsangebot werde auf Dauer finanziert, die Struktur sei gemeinsam mit den Fachverbänden entwickelt worden, betonte Lauterbach. „Das ist ein Konsensergebnis.“ Die jetzt vorgesehene Lösung knüpfe nahtlos an die laufende Patientenberatung an und solle 2024 beginnen. Die Mitarbeiter der jetzigen UPD würden möglichst in die neue Struktur überführt.
Lauterbach kündigt weitere Neuregelungen an
Der Minister kündigte an, dass zusammen mit dem UPD-Gesetz zwei weitere dringende Regelungen verabschiedet werden sollen. Dies betreffe die bereits angekündigte Entkoppelung der Kinderärzte von der Budgetierung. Die Ärzte erhielten rückwirkend eine Vergütung für das vierte Quartal 2022 in Höhe von insgesamt 49 Millionen Euro. Als erste Arztgruppe würden die Kinderärzte komplett aus dem Budget herausgenommen, sagte Lauterbach. Die Kinderärzte könnten somit künftig ohne Budgetnot behandeln und machen, was sie medizinisch für richtig hielten.
Mit der zweiten Regelung werde ein altes Unrecht beseitigt, fügte der Minister hinzu. So sollen für Männer, die Sex mit Männern haben, künftig bei Blutspenden dieselben Regeln gelten wie bei anderen Spendern. Die bisherige besondere Rückstellung für diese Personengruppe bei Blutspenden habe zu einer unnötigen Diskriminierung geführt.
Union verweist auf offene Finanzierungsfragen
Hubert Hüppe (CDU/CSU) sagte in der Beratung, die Union stehe für eine qualifizierte, unabhängige und neutrale Beratung. Entscheidend dafür seien die Qualifikation und Motivation des Personals. Es sei daher nicht sinnvoll, dass die Leistungen der UPD immer neu ausgeschrieben würden. Patienten und Mitarbeiter bräuchten Sicherheit, auch müsse die Kompetenz erhalten bleiben.
Hüppe warf der Bundesregierung vor, die Reform nicht schnell genug anzugehen. Da die neue UPD schon 2024 starten solle, sei der Zeitdruck wieder groß. Er wies auf die von der GKV angekündigte Klage gegen die Finanzierung hin, auch die PKV lehne das Finanzierungsmodell ab. Diese offenen Finanzierungsfragen hätten vorher geklärt werden müssen. Wenn die Finanzierung nicht stehe, sei der Übergang gefährdet. Zudem könnten die erfahrenen Mitarbeiter womöglich nicht gehalten werden.
AfD übt Kritik an UPD-Beratung
Bedenken an der Finanzierung kamen auch von der AfD-Fraktion. Dr. Christina Baum (AfD) kritisierte, dass die neue UPD zu 93 Prozent aus Beitragsmitteln und zu 7 Prozent aus Mitteln der PKV finanziert werden solle. Das sei „eine unglaubliche Frechheit“. Sie forderte, die Beratungsleistung aus Steuermitteln zu finanzieren. Die jetzt geplante Kostenverteilung sei ein Missbrauch von Beitragsmitteln.
Baum wies darüber hinaus auf Mängel in der Beratung hin. So habe die UPD auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie 2020 insgesamt 170.000 Beratungen registriert, so die AfD-Abgeordnete und fügte hinzu: „Das selbstgesteckte Ziel der 225.000 Beratungen wurde bisher immer verfehlt.“ Auch habe die UPD mitnichten auf Probleme und Missstände hingewiesen, etwa zur Frage der Unverhältnismäßigkeit von Corona-Maßnahmen oder dem Impfzwang, argumentierte Baum. Sie stellte außerdem die Staatsferne infrage, da im Stiftungsrat staatliche Stellen vertreten sein sollen.
Grüne für mehr Sichtbarkeit der UPD
Rednerinnen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP machten deutlich, dass die UPD eine zwar wichtige, aber weitgehend unbekannte Einrichtung sei. Linda Heitmann (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Abkürzung UPD wecke bei einem Großteil der Deutschen vermutlich die Assoziation an einen Paketdienst. „Das müssen wir ändern, und auch dafür machen wir diese Reform.“ Für die Neuaufstellung der UPD forderte sie eine gute Mischung aus digitalen und telefonischen Angeboten sowie niedrigschwelligen regionalen Beratungen, damit die UPD für alle Menschen mehr Sichtbarkeit bekomme und Patienten in ihren Rechten gestärkt würden.
Das Stiftungsmodell sei gewählt worden, um die UPD dauerhaft unabhängiger und staatsferner zu gestalten. Getragen werde die UPD künftig von mehreren Patientenorganisationen, die heute schon staatsfern agierten und ein gutes Beratungs-Know-how mitbrächten. Zur Finanzierung sagte die Grünenabgeordnete: „Ich finde es weiterhin richtig, die GKV und PKV mit in die Verantwortung zu nehmen, denn letztlich ist die UPD ein Service für Beitragszahler und für Versicherte.“ Steuermittel wären hingegen in den schwierigen Haushaltslagen und schwankender Konjunktur nicht der richtige Weg. Sie schloss allerdings Änderungen an den Strukturen im Beratungsverfahren nicht aus.
FDP: Solider Rahmen für gute Beratung
Auch Katrin Helling-Plahr (FDP) ging auf den geringen Bekanntheitsgrad der UPD ein, obwohl die Beratung so wichtig sei. Als Beispiele nannte sie Mädchen oder Frauen, die über Verhütungsmethoden aufgeklärt werden wollten oder Fragen rund um die Pflegeleistungen. „Es ist dringend notwendig, dass Menschen mit solchen Fragen schnell und niederschwellig und kompetent Beratung erfahren.“
Eine Stiftung sei die richtige Rechtsform, um die UPD schlagkräftig und zukunftsfest aufzustellen. Die wichtigsten Akteure seien in der künftigen Struktur beteiligt: „Das ist ein solider Rahmen für gute Beratung.“ Allerdings sollte die Beratung nach Ansicht der FDP-Abgeordneten angepasst werden. Die UPD habe in der Vergangenheit 88 Prozent der Beratung telefonisch geleistet. Künftig sollte die UPD verstärkt digitale Beratungen anbieten.
Linke kritisiert Finanzierung durch Krankenkassen
Die Linksfraktion signalisierte Zustimmung mit Einschränkung. Kathrin Vogler (Die Linke) sagte: „In unserem komplizierten und von wirtschaftlichen Interessen durchsetzten Gesundheitssystem brauchen Patienten Orientierung.“ In vielen Situationen könne die UPD Rat und Orientierung geben. Es sei gut, dass die damals privatisierte UPD endlich wieder in die Hände von Patientenorganisationen gelange. „Die wissen am besten, wo der Schuh drückt.“
Auch Vogler stellte die Finanzierung durch die Krankenkassen infrage, zumal viele Menschen wegen Problemen mit eben diesen Kassen eine Beratung wollten. Besser wäre aus ihrer Sicht eine Finanzierung aus Steuermitteln mit 20 Millionen Euro pro Jahr. Nachbesserungsbedarf gebe es auch bei den Gremien, sagte sie in Anspielung auf staatliche Vertreter im Stiftungsrat.
SPD: Bürger zu mündigen Patienten ermächtigen
Nur wer seine Rechte und Ansprüche kenne, könne diese auch durchsetzen, betonte Martina Stamm-Fibich (SPD). Es gehe in der Debatte um die Frage, „wie wir Bürgerinnen und Bürger am besten durch das komplizierte Gesundheitssystem lotsen können“. Wie sie dazu ermächtigt werden könnten, den Leistungserbringern und Krankenkassen auf Augenhöhe entgegenzutreten und das zu bekommen, was ihnen als Patientinnen oder Patienten per Gesetz zustehe. Die Grundlage dieser „Ermächtigung zu mündigen Patienten“ sei eine „zielgruppengerechte, niedrigschwellige und kostenfreie Beratung“, die an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sei, so Stamm-Fibich.
Nach den Worten der SPD-Abgeordneten hat sich die UPD in den vergangenen Jahren „leider nicht so entwickelt, wie wir uns alle das vorgestellt haben“. Sie hoffe, dass die neue UPD als „Orientierungshilfe zur Stärkung der Patientenkompetenz und -souveräntität“ beitragen könne. Dazu müsse sie jedoch auch bekannter werden. (irs/pk/26.01.2023)