Der Bundestag hat am Mittwoch, 8. November 2023, über europäische Perspektiven für Belarus debattiert. Einen direkt von den Koalitionsfraktionen eingebrachter Antrag mit dem Titel „Für ein demokratisches Belarus in der europäischen Familie“ (20/9146) nahm das Parlament im Anschluss an die Aussprache mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Enthaltung von CDU/CSU und Die Linke an.
Keine Mehrheit fand hingegen nach dritter Lesung ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Belarus in die europäische Völkerfamilie zurückführen – Den Freiheitswillen der Menschen unterstützen“ (20/5349). Die Vorlage wurde auf Grundlage einer Beschlussvorlage des Auswärtigen Ausschusses (20/5899) gegen die Stimmen der Antragsteller zurückgewiesen. Von der Tagesordnung wieder abgesetzt worden war indes ein von der AfD-Fraktion angekündigter Antrag mit dem Titel „Deutsche Weißrusslandpolitik – Zu Maß und Vernunft zurückkehren“.
Antrag der Koalitionsfraktionen
Die Koalitionsfraktion von SPD, Grünen und FDP setzen sich für den Erhalt der staatlichen Souveränität sowie der Kultur und Sprache von Belarus ein. In ihrem Antrag (20/9146) fordern sie die Bundesregierung auf, gegenüber Russland klarzumachen, „dass die seitens des Kremls forcierte schleichende Übernahme von Belarus unter Mitwirkung von Aljaksandr Lukaschenka“ absolut inakzeptabel ist und aufs Schärfste zurückgewiesen wird. „Unsere östlichen Nachbarn sind und bleiben unabhängige und souveräne Staaten, die über ihre Zukunft selbst entscheiden und nie wieder zum Objekt imperialistischer Träume und Interessen werden dürfen“, heißt es in der Vorlage.
Mit dem Antrag verurteilen die Abgeordneten „den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Unterstützung des belarussischen Regimes für diesen eklatanten Bruch des internationalen Völkerrechts“ ebenso wie das „das brutale Vorgehen des belarussischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung und die erbarmungslose Verfolgung der belarussischen Demokratiebewegung“. Das Regime Lukaschenkas sei aufgefordert, „jegliche Repression zu stoppen, alle politischen Gefangenen freizulassen, freie und faire Wahlen unter Wahlbeobachtung der OSZE zu ermöglichen und die Unterstützung für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine sofort zu beenden“.
Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, sich weiterhin für personenbezogene Sanktionen gegen den belarussischen Sicherheits- und Geheimdienstapparat sowie für weitere wirtschaftsbezogene Sektorsanktionen einzusetzen, die die Finanzierungsstrukturen des belarussischen Regimes treffen. Es müsse zudem darum gehen, sich auf die Zukunft von Belarus als freies und demokratisches Land vorzubereiten und zu signalisieren, „dass ein demokratisches Belarus in der europäischen Wertegemeinschaft willkommen ist“.
Antrag der Union
Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung auf, „sich weiterhin innerhalb der EU und in Abstimmung mit engen Partnern für harte und gezielte Sanktionen gegen den gesamten belarussischen Sicherheits- und Geheimdienstapparat einzusetzen, der das Zentrum des Staatsterrorismus“ des Regimes von Präsident Alexander Lukaschenko bilde. Den Opfern von Gewalt, Repression und Folter solle großzügige Unterstützung gewährt, die Einreise für politisch Verfolgte erleichtert und die Unterstützung für die demokratischen Kräfte und die belarussische Zivilgesellschaft ausgebaut werden, heißt es in dem Antrag.
„Spätestens seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 zeigt sich, wie fragil und abhängig das Regime von Russland ist“, schreibt die Unionsfraktion. Von belarussischem Territorium aus seien zahllose Raketen in die Ukraine gestartet und die russische Armee erfahre signifikante logistische und rhetorische Unterstützung durch Minsk.
Gleichwohl warben die Abgeordneten dafür, „trotz der Komplizenschaft von Lukaschenko und Putin zwischen Belarus und Russland zu differenzieren und sich klar für den Erhalt der staatlichen Souveränität von Belarus einzusetzen“. Dies bedeute, gegenüber Russland unmissverständlich zu signalisieren, „dass die schleichende de-facto Annexion unter Ausnutzung der Schwäche des illegitimen Diktators Lukaschenko scharf zurückgewiesen und nicht anerkannt wird“. (ahe/hau/08.11.2023)