Europäisches Medienfreiheitsgesetz soll nachverhandelt werden
Der Bundestag hat am Donnerstag, 1. Dezember 2022, über zwei Anträge zum geplanten Europäischen Medienfreiheitsgesetz beraten und abgestimmt. Angenommen wurde dabei ein Antrag der Koalitionsfraktionen, in dem diese Nachverhandlungen zum Medienfreiheitsgesetz fordern (20/4682). Auch Die Linke stimmte für den Antrag.
Die Union hingegen scheiterte mit ihrem Antrag, das Gesetz zu rügen (20/4678), an den Stimmen der Koalition. AfD votierte für die Unionsvorlage, Die Linke enthielt sich.
Antrag der Koalitionsfraktionen
Die Koalitionsfraktionen fordern Nachverhandlungen zum geplanten Europäischen Medienfreiheitsgesetz. Mit ihrem gemeinsamen Antrag fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, die vom Bundesrat am 25. November 2022 in einer Subsidiaritätsrüge vorgebrachten Kritikpunkte am Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU in den Verhandlungen mit der EU-Kommission vorzubringen. Zu prüfen sei vor allem, ob die Ziele des Rechtsaktes nicht auch durch eine Richtlinie statt einer Verordnung erreicht werden können.
Die Koalitionsfraktionen unterstützen zwar die von der EU-Kommission angestrebten Ziele, insbesondere die Stärkung von Medienunabhängigkeit und Medienpluralismus, ausdrücklich. So seien in der Vergangenheit verschiedene Fälle von staatlicher Einflussnahme, Kontrolle und Einschüchterung von Medienschaffenden öffentlich geworden, heißt es in dem Antrag. Der Wunsch der EU-Kommission, dieser kritischen Entwicklung und antidemokratischen Tendenz durch vielfältige und freie Medien entgegenzusteuern, sei gut und richtig. Allerdings gehe der Verordnungsvorschlag an einigen Stellen über das erforderliche Maß hinaus, um den Missständen in einigen Mitgliedsstaaten zu begegnen
SPD, Grüne und FDP verweisen zudem darauf, dass die Kultur- und Medienhoheit in der Kompetenzhoheit der Mitgliedstaaten und in Deutschland bei den Bundesländern liege. Gerade diese Aufteilung stärke und fördere die kulturelle Vielfalt Europas auf der Basis gemeinsamer Regeln und Werte, argumentieren die Fraktionen. Darüber hinaus werde der Grundsatz der Staatsferne von Medien in Deutschland besonders geschätzt und überprüft. Die bestehende dezentrale, staatsferne und unabhängige Medienaufsicht für private Medien durch 14 Landesmedienanstalten sei eine gute und bewährte Aufsichtsform. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk werde über pluralistische Aufsichtsgremien kontrolliert, deren Mitglieder die Gesellschaft in Deutschland in seiner Breite und Vielfalt abbilden.
Antrag der Union
Die CDU/CSU forderte den Rest des Hauses auf, das geplante Europäische Medienfreiheitsgesetz zu rügen, da es über keine ausreichende Rechtsgrundlage verfüge und in die nationalen Hoheitsrechts eingreife. In ihrem Antrag führte die Union aus, dass der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gemäß Artikel 6 des Protokolls Nummer 2 zum Vertrag von Lissabon verletze. Der Verordnungsvorschlag bedürfe einer grundlegenden Neujustierung.
Die CDU/CSU befürwortet zwar das grundsätzliche Anliegen der EU-Kommission, vielfältige und unabhängige Medien in Europa zu gewährleisten. Allerdings gebe es für den vorliegenden Verordnungsvorschlag keine Kompetenzgrundlage, hieß es in ihrem Antrag. Nach den europäischen Verträgen liege die Kulturhoheit und die Kompetenz für die Medienregulierung allein bei den Mitgliedstaaten. Der Verordnungsvorschlag greife massiv in den Kernbereich des Rechts der Mitgliedstaaten, im Falle von Deutschland in die Kulturhoheit der Bundesländer ein.
Verordnungsvorschlag der EU-Kommission
Der Verordnungsvorschlag hat zum Ziel, grenzüberschreitende Tätigkeiten und Investitionen in Mediendiensten zu fördern und vor allem grenzüberschreitende Dienste zu erleichtern, indem bestimmte Elemente der unterschiedlichen nationale Rahmen für den Medienpluralismus harmonisiert werden. Durch Koordinierung auf EU-Ebene soll sichergestellt werden, dass unabhängige nationale Behörden bei der Bewertung von Medienmarktkonzentrationen den Medienpluralismus und die Unabhängigkeit der Medien einheitlich angehen.
Ebenso soll die Zusammenarbeit und Konvergenz in Regulierungsfragen durch grenzübergreifende Koordinierungsinstrumente und Stellungnahmen sowie Leitlinien auf EU-Ebene verbessert werden. Die EU-Kommission verspricht sich davon die Förderung einheitlicher Ansätze in Bezug auf den Medienpluralismus und die Unabhängigkeit der Medien. Die Nutzer von Mediendiensten könnten geschützt werden vor illegalen und schädlichen Inhalten im Internet und im Hinblick auf Diensteanbieter (auch aus Nicht-EU-Ländern), die die EU-Medienstandards nicht einhalten.
Förderung der redaktionellen Unabhängigkeit
Darüber hinaus könnten hochwertige Mediendienste durch Minderung des Risikos einer „ungebührlichen öffentlichen und privaten Einflussnahme“ auf die redaktionelle Freiheit bereitgestellt werden. Mit dem Vorschlag will Brüssel sicherstellen, dass Journalisten und Redakteure ohne Einflussnahme arbeiten können, auch wenn es um den Schutz ihrer Quellen und ihrer Kommunikation geht. Durch die Förderung der redaktionellen Unabhängigkeit würden auch die Interessen der Empfänger von Mediendiensten geschützt.
Schließlich gehe es um die Gewährleistung einer transparenten und gerechten Zuweisung wirtschaftlicher Ressourcen auf dem Medienbinnenmarkt durch mehr Transparenz und Fairness bei der Publikumsmessung und der Zuweisung staatlicher Werbeausgaben. Der Vorschlag zielt darauf ab, die Transparenz, Nichtdiskriminierung, Verhältnismäßigkeit, Objektivität und Inklusivität der Methoden zur Publikumsmessung vor allem im Internet und auch bei der Zuweisung staatlicher Werbeausgaben an Medienunternehmen sicherzustellen. Dadurch würde das Risiko des Missbrauchs öffentlicher Mittel für parteiische Interessen zum Nachteil anderer Marktakteure verringert und ein fairer Wettbewerb im Medienbinnenmarkt gefördert, heißt es weiter. (aw/vom/01.12.2022)