Beschleunigung des Braunkohleausstiegs im Rheinischen Revier
Die Abgeordneten haben sich am Freitag, 11. November 2022, mit zwei Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ (20/4328) und „zur Beschleunigung des Braunkohleausstiegs im Rheinischen Revier“ (20/4300) in erster Lesung befasst. Außerdem wurde ein Antrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zu einem „Änderungsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages gemäß § 49 des Kohlverstromungsbeendigungsgesetzes“ (20/4299) beraten. Alle Vorlagen wurden im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen.
Erster Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Angesichts der weiter angespannten Lage auf den Energiemärkten halten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP weitere Maßnahmen für erforderlich, um die Krisenvorsorge und die Instrumente der Krisenbewältigung zu stärken. Dazu soll das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) erneut angepasst sowie weitere energierechtliche Vorschriften ergänzt werden (20/4328). Die im Energiesicherungsgesetz noch aus den 1970er Jahren stammenden Regelungen zur Entschädigung und zum Härteausgleich seien an die Fortentwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen, heißt es in dem Gesetzentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften.
Zudem sei für die Realisierung laufender Infrastrukturvorhaben bei Gas zur Sicherung der Energieversorgung Sorge zu tragen. Hier gehe es unter anderem darum, die Anbindungspipeline für eine schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheit (Floating Storage Regasification Unit -FRSU) für den Winter 2022/23 zu realisieren. Im Energiewirtschaftsgesetz gebe es in wenigen Punkten Klarstellungsbedarf. Der Bericht zur Wasserstoffnetzentwicklung, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und die Bundesnetzagentur vorlegen, solle das maßgebliche Gas- und Wasserstoffbinnenmarktpaket der Europäischen Kommission berücksichtigen können. Dazu müsse die Frist für die Vorlage des Berichts verlängert werden.
Konkret sollen die Regelungen der Paragrafen 11 und 12 des EnSiG an die Fortentwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst und mit dem neuen Paragrafen 23a EnSiG eine besondere Regelung eingeführt werden, die unter strenger Einhaltung der Voraussetzungen des Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) eine Rechtsgrundlage für die Enteignung beweglicher Sachen schafft. Das EnWG soll redaktionelle Klarstellungen erhalten, die die Stilllegung von Erdgasspeichern und die Höherauslastung von bestehenden Stromnetzen betreffen. Die Frist für die Vorlage des Berichts nach Paragraf 112b EnWG soll um zwölf Monate bis Ende des Jahres 2023 verlängert werden.
Zweiter Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Im Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung (Kohleverstromungsbeendigungsgesetz - KVBG) wurde im Jahr 2020 der Pfad zur schrittweisen Reduzierung der Erzeugung elektrischer Energie durch den Einsatz von Kohle definiert mit dem Ziel, spätestens bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2038 die installierten Kraftwerkskapazitäten zum Einsatz von Steinkohle und den Einsatz von Braunkohle auf jeweils 0 Gigawatt zu reduzieren, heißt es in der Vorlage. Danach solle der Einsatz von Kohle zur Erzeugung elektrischer Energie in Deutschland sozialverträglich, schrittweise und möglichst stetig reduziert und beendet werden, um dadurch Emissionen zu reduzieren und dabei eine sichere, preisgünstige, effiziente und klimaverträgliche Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität zu gewährleisten.
Um den Kohleausstieg im Rheinischen Revier auf das Jahr 2030 vorzuziehen und die Versorgungssicherheit zu stärken, hätten das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen und die RWE am 4. Oktober 2022 eine politische Verständigung getroffen. Darin sei vereinbart, dass die Stilllegung der Kraftwerksblöcke Niederaußem K, Neurath F (BoA 2) und Neurath G (BoA 3) jeweils vom 31. Dezember 2038 auf den 31. März 2030 vorgezogen wird. Diese Vereinbarung soll gesetzlich durch Änderungen des KVBG umgesetzt werden.
Der auf das Jahr 2030 vorgezogene Kohleausstieg im Rheinischen Revier leiste einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz und das Erreichen der Klimaschutzziele im Energiesektor, heißt es in dem Gesetzentwurf. Zusätzlich sei in der politischen Verständigung vom 4. Oktober 2022 eine Verlängerung der Laufzeit der Kraftwerksblöcke Neurath D und Neurath E über den 31. Dezember 2022 hinaus bis zum 31. März 2024 vereinbart worden. Durch die vorübergehend stärkere Nutzung von Braunkohle zur Kohleverstromung werde Gas in der Stromerzeugung gespart und so ein Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet. Die Änderungen des KVBG sollen durch Änderungen des öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung ergänzt werden, der auf Basis von § 49 KVBG mit den Betreibern von Braunkohleanlagen geschlossen wurde.
Antrag auf frühere Beendigung der Kohleverstromung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beantragt die gemäß § 49 des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes erforderliche Zustimmung des Deutschen Bundestages zum Änderungsvertrag zum öffentlichrechtlichen Vertrag zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland (20/4299). Gemäß § 49 des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes wird die Bundesregierung damit ermächtigt, diesen Vertrag mit den Betreibern von Braunkohleanlagen und weiteren, von der Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung unmittelbar betroffenen Braunkohletagebauunternehmen zu schließen.
Die Vertragsparteien (Bundesrepublik Deutschland, RWE Power und RWE AG) haben am 10. Februar 2021 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (ÖRV) zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland abgeschlossen. Kern der Vereinbarung ist die Stilllegung der im vereinbarten Stilllegungspfad genannten Braunkohleanlagen, die durch eine darauf abgestimmte, im Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung (Kohleverstromungsbeendigungsgesetz, „KVBG“) geregelte Entschädigung abgegolten wird. Am 4. Oktober 2022 unterschrieben das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die RWE AG eine politische Verständigung zum vorgezogenen Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier. Im Kern wurde in dieser politischen Verständigung vereinbart, dass die in den aktuellen Fassungen des KVGB und des ÖRV geregelte Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier ohne zusätzliche Entschädigungszahlungen um rund acht Jahre auf das Jahr 2030 vorgezogen werden soll. Ferner sieht die politische Verständigung verschiedene Reserveoptionen vor: Zusätzlich wurde eine Verlängerung der Laufzeit der Kraftwerksblöcke Neurath D und Neurath E über den 31. Dezember 2022 hinaus bis zum 31. März 2024 vereinbart. Durch die vorübergehend stärkere Nutzung von Braunkohle zur Kohleverstromung soll Gas in der Stromerzeugung gespart und so ein Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet werden.
Mit dem Änderungsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland vom 10. Februar 2021 beabsichtigen die Vertragsparteien, den ÖRV in Übereinstimmung mit den in der politischen Verständigung vereinbarten Eckpunkten anzupassen. Hierdurch soll eine finale Regelung für die Beendigung der Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier getroffen werden. (eis/mis/11.11.2022)