Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2021
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hat am Freitag, 14. Oktober 2022, über den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2021 (19/31840) sowie den erstmals erstellten Bericht des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland 2022 (20/3700) beraten. Im Verlauf der Debatte wurde auch ein von der Fraktion Die Linke eingebrachter Antrag mit dem Titel „32 Jahre Deutsche Einheit – Schutzschirm gegen Inflation und Armut spannen, Lohn- und Renteneinheit herstellen“ (20/3791) beraten. Alle Vorlagen wurden im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen.
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Einheit
Nach mehr als drei Jahrzehnten ist aus Sicht der Bundesregierung das wiedervereinte Deutschland „nicht nur wirtschaftlich, sondern auch auf der Ebene der Einstellungen und des subjektiven Empfindens zusammengewachsen“, heißt es im Bericht der Bundesregierung. Bei allen Enttäuschungen und Missverständnissen seien diese drei Jahrzehnte durch ein großes solidarisches Miteinander geprägt gewesen. Mindestens ebenso wichtig ist laut Regierung die Aussage, „dass das vereinte Deutschland mit großem Optimismus in die Zukunft schauen kann“. Die trotz Pandemie guten wirtschaftlichen Aussichten und der starke gesellschaftliche Zusammenhalt böten eine tragfähige Grundlage für die weitere gemeinsame und erfolgreiche Entwicklung des vereinten Deutschlands.
Eine wechselseitige Kenntnis und Auseinandersetzung mit den kollektiven Erinnerungen in den alten und neuen Bundesländern seien eine wichtige Grundlage, diesen Prozess weiter zu fördern, heißt es in dem Bericht. Mindestens ebenso wichtig sei es, gemeinsam in die Zukunft zu schauen und sich konstruktiv damit auseinanderzusetzen, wie Deutschland die großen Herausforderungen wie die Folgen der Pandemie, Globalisierung, Migration, Digitalisierung, Klimawandel und die ungünstige demografische Entwicklung meistern kann. „Die Grundlage dafür ist trotz des tiefen Einschnitts durch die Covid-19-Pandemie in der zurückliegenden Legislaturperiode gefestigt worden“, urteilt die Bundesregierung.
Bericht des Beauftragten der Bundesregierung
„Mit diesem Bericht möchte ich ein differenziertes, realistisches Bild vom heutigen Osten vermitteln und die Potentiale des modernen Ostdeutschlands herausstellen“, schreibt der Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Carsten Schneider, in seinem Bericht. Ostdeutschland habe in den vergangenen drei Jahrzehnten einen tiefgreifenden Umbruch erlebt und sich mehrfach neu erfinden müssen. „Diese Erfahrungen waren hart und schmerzhaft“, urteilt Schneider. Vielerorts seien aber auch eine neue Energie und Dynamik, eine Aufbruchstimmung und gerade in der jüngsten Zeit ein neues Selbstbewusstsein entstanden. Der Osten habe sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt, „in Teilen boomt er sogar“, heißt es in der Vorlage. Neue Firmen siedelten sich an und alte expandieren. Die Arbeitslosigkeit sei gesunken, die Infrastruktur könne mittlerweile vielerorts mit anderen Wachstumsregionen mithalten, „auch dank Milliardeninvestitionen des Bundes“.
Gleichwohl stehe der Osten weiterhin vor großen Herausforderungen, die politische Antworten erfordern – allen voran die aktuell unsichere Energieversorgung und die stark gestiegenen Preise in Folge des russischen Angriffskrieges. Sie seien für die ostdeutsche Bevölkerung besonders bedrohlich, da die Einkommen immer noch deutlich niedriger als in Westdeutschland seien und die Bürgerinnen und Bürger über weniger Rücklagen und kaum Vermögen verfügten, heißt es in dem Bericht des Beauftragten für Ostdeutschland, der ein Novum ist. Er soll künftig im Wechsel mit dem Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit erscheinen, ausgewählte thematische Schwerpunkte präsentieren und dabei auch individuelle Blickwinkel zulassen.
Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke wirft der Bundesregierung in ihrem Antrag vor, das Land auf eine soziale Katastrophe hinzusteuern, von der die ostdeutschen Bundesländer aufgrund des Lohn- und Rentengefälles besonders hart betroffen seien. „Die Verteuerungen können den Angleichungsprozess zwischen Ost und West um Jahre zurückwerfen“, mahnen die Abgeordneten.
Sie fordern von der Bundesregierung deshalb unter anderem, einen Schutzschirm gegen Inflation und Armut zu spannen, der ein Sofortprogramm beinhaltet, aus dem alle Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen ein Jahr lang monatlich 125 Euro plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied erhalten. Ein Preisdeckel für ein Grundkontingent an Gas und Strom für Privathaushalte soll eingeführt und Strom- und Gassperren verboten werden. Außerdem soll eine Übergewinnsteuer auf Milliardengewinne der Energiekonzerne eingeführt und ein Rettungsfonds für Unternehmen eingerichtet werden, der – ähnlich wie in der Corona-Krise – Insolvenzen aufgrund der hohen Energiepreise verhindert.
Die Regierung soll außerdem die Voraussetzungen für gleiche Löhne und Gehälter in Ost und West – und damit die Lohneinheit – schaffen, indem der gesetzliche Mindestlohn zügig über 12 Euro hinaus angehoben wird, Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen verboten werden, eine erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gesetzlich geregelt wird sowie die Gewerkschaften – unter Beachtung der Tarifautonomie – dabei unterstützt werden, Tarifverträge abzuschließen, mit denen immer noch bestehende pauschale Differenzierungen nach Ost und West aufgehoben werden. Die gesetzliche Rente soll in die Lage versetzt werden, den Lebensstandard zu sichern und vor Armut im Alter zu schützen. (hau/che/14.10.2022)