Zeit:
Montag, 4. Juli 2022,
13
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 400
Vertreter der deutschen Brauwirtschaft haben eine Verlängerung und Entfristung steuerlicher Hilfen gefordert, die während der Corona-Pandemie eingeführt worden waren. So sprach sich der Deutsche Brauerbund in einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 4. Juli 2022, unter Leitung des Vorsitzenden Alois Rainer (CDU/CSU) dafür aus, im Interesse der handwerklich und mittelständisch geprägten heimischen Brauwirtschaft und insbesondere der zahlreichen Klein- und Kleinstbetriebe die durch die Europäische Union eingeräumten Möglichkeiten einer Staffelspreizung der verminderten Biersteuersätze auch weiterhin auszunutzen. Dies diene dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit zwischen kleineren und großen Brauereien und schütze insbesondere auch die einzigartige, handwerklich geprägte Bierlandschaft und regionale Vielfalt in Deutschland. Daher habe die EU den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit eingeräumt, kleine Brauereien einer bis zu 50 Prozent reduzierten Bierbesteuerung zu unterwerfen. Diese Möglichkeit sollte genutzt werden, da die Auswirkungen der zwei Jahre andauernden Corona-Krise kleine Brauereien besonders hart treffen würden.
Brauerbund: Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand
„Viele dieser meist familiengeführten Betriebe stehen derzeit mit dem Rücken zur Wand“, beklagte der Brauerbund in der Anhörung, in der es um den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (20/2247) ging, mit dem unter anderem Bierwürze von der Biersteuer befreit werden soll. Außerdem beraten wurde ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/1727). Sie verlangt, den seit dem 1. Juli 2020 auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken noch bis zum Ende des Jahres 2022 geltenden ermäßigten Mehrwertsteuersatz in Höhe von sieben Prozent unbefristet weiterzuführen.
Darüber hinaus fordert die CDU/CSU-Fraktion die Fortführung der reduzierten Biersteuer für kleine und mittlere Brauereien. Diese Steuersenkung sei bis Ende 2022 befristet und müsse ebenfalls unbefristet weitergeführt werden. Auf Fragen nach der Vereinbarung der Entfristung mit dem EU-Recht äußerte Prof. Dr. Sabine Schröer-Schallenberg von der Hochschule des Bundes für die öffentliche Verwaltung keine Bedenken.
Substanzverluste im brauwirtschaftlichen Mittelstand
Der Bayerische Brauerbund wies auf die Substanzverluste im brauwirtschaftlichen Mittelstand hin. 234 Braustätten mit einer Gesamtjahreserzeugung zwischen 5.000 und 200.000 Hektoliter, die alle Träger einer oft Jahrhunderte alten Braukultur gewesen seien, seien schon für immer verschwunden. Daher solle die aktuelle Regelung der Biersteuer-Mengenstaffel unbefristet weitergeführt werden, was nach Angaben der deutschen Brauer nur 3,5 Millionen Euro pro Jahr kosten würde.
Die bayerischen Brauer verlangten darüber hinaus die Fortführung der umsatzsteuerlichen Begünstigung des Vor-Ort-Verzehrs von Speisen in der Gastronomie. Denn nach den Belastungen durch Corona Pandemie führe die aktuell hohe Inflationsrate zu einer Konsumzurückhaltung, die auch wieder das Gastgewerbe treffe. Ein Preissprung durch das Ende der Mehrwertsteuerreduzierung hätte neuerliche Umsatzeinbußen zur Folge. Von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG hieß es, das europäische Recht gebe zusätzliche Möglichkeiten für die Wirtschaft, zum Beispiel die Reduzierung von Steuersätzen bei bestimmten Getränken.
Personalbedarf bei Hauptzollämtern
Die deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft kritisierte, dass der im Gesetzentwurf dargestellte Personalaufwand bei weitem nicht den tatsächlichen Mehrbedarf darstelle. Es gebe bereits jetzt eine erhebliche Arbeitsbelastung im Verbrauchsteuerbereich der Hauptzollämter, aber auch insgesamt beim Zoll.
Der Erwartung des Gesetzgebers, dass sich die aus dem Gesetz ergebenden neuen Aufgaben vom vorhandenen Personal durchgeführt werden könnten, wurde ausdrücklich widersprochen.
Pauschalierung der Umsatzsteuer
Der Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen nahm zu einer Anpassung des Durchschnittssteuersatzes für die Pauschalierung der Umsatzsteuer bei Land- und Forstwirten Stellung. Man begrüße, dass die Anpassung des Steuersatzes zeitnah nach Ermittlung der statistischen Grundlagen erfolgen solle und damit wesentlich zur Rechtssicherheit für die anstehenden Dispositionen der Land- und Forstwirte Sorge getragen werde. Es sei auch erfreulich, dass nach der Absenkung des Durchschnittssteuersatzes im Januar 2022 auf 9,5 Prozent das Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission beendet worden sei.
Der Hauptverband empfahl, den Durchschnittssteuersatz zum 1. Januar 2023 unionsrechtskonform auf 9,2 Prozent festzulegen. Prof. Dr. Roland Ismer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sagte mit Blick auf die Konformität mit dem EU-Recht, der Zustand sei heute besser als vor zwei Jahren.
Gesetzentwurf der Regierung
Die Bundesregierung will aufgrund von EU-Vorgaben verschiedene Verbrauchsteuergesetze ändern. Diesem Ziel dient der von ihr eingebrachte Gesetzentwurf. Darüber hinaus werden im Biersteuergesetz und in der Biersteuerverordnung verschiedene Änderungen vorgenommen, für die nach Angaben der Bundesregierung ein rechtlicher oder praktischer Handlungsbedarf besteht. Diese Änderungen würden im Wesentlichen dem Bürokratieabbau dienen und Erleichterungen für Wirtschaft und Verwaltung bewirken.
Zu den Maßnahmen gehört unter anderem, dass Bierwürze, welche zur Herstellung von alkoholsteuerpflichtigen Waren verwendet wird, von der Biersteuer befreit wird. Weiterhin sollen mit dem Gesetz Wissenschaft und Forschung durch Hereinnahme eines Steuerbefreiungstatbestands in das Biersteuergesetz gefördert werden, sofern das Bier zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werde.
Bundesrat fordert Entlastungen für kleinere Brauereien
Der Bundesrat fordert in seiner Stellungnahme Entlastungen für kleine Brauereien. 90 Prozent der Braustätten hätten einen Jahresausstoß von bis zu 50.000 Hektolitern. Auf sie würden knapp sieben Prozent der Gesamtjahreserzeugung in Deutschland entfallen. Die kleinen und mittleren Brauereibetriebe seien „Garant für brautechnisches Können und höchste Qualitätsansprüche“, erklärt der Bundesrat. Damit dies auch in Zukunft so bleibe, müsse der Gesetzgeber diese Brauereien unterstützen. Außerdem fordern die Länder Verbesserungen bei der steuerlichen Behandlung von Sachspenden, um der Verschwendung von Lebensmitteln und der Vernichtung spendenfähiger Produkte entgegenzuwirken. Denn heute sei es angesichts umsatzsteuerlicher Hindernisse oft einfacher, Waren wegzuwerfen als sie zu spenden.
In ihrer Gegenäußerung erklärt die Bundesregierung zur Forderung nach besserer Unterstützung der Brauereien, sie sei aufgeschlossen, „die unter den Ländern mehrheitsfähige Position mitzutragen und diese im weiteren parlamentarischen Verfahren zu unterstützen“. Die Forderung nach besserer steuerlicher Behandlung von Sachspenden wird von der Regierung unterstützt.
Antrag der Union
Die CDU/CSU-Fraktion spricht sich in ihrem Antrag für die Beibehaltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen aus. Wie die Fraktion erläutert, wird seit dem 1. Juli 2020 auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken noch bis zum Ende des Jahres 2022 der ermäßigte Mehrwertsteuersatz in Höhe von sieben Prozent gewährt. Diese Befristung soll aufgehoben werden und der ermäßigte Steuersatz unbefristet gelten.
In der Begründung heißt es, die Reduktion des Mehrwertsteuersatzes habe den Unternehmen in den letzten zwei Jahren eine erhebliche Entlastung gebracht. Sie sei neben einer Entlastung für die besonders von der Corona-Pandemie betroffene Branche aber auch ein Wettbewerbsfaktor mit Blick auf die Nachbarländer. In 21 der 27 EU-Mitgliedstaaten sowie in der Schweiz gelte in der Gastronomie ebenfalls ein ermäßigter Steuersatz. Auch der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe sich noch im Bundestagswahlkampf für eine dauerhaft abgesenkte Mehrwertsteuer in der Gastronomie ausgesprochen. Verwiesen wird auf ein Schreiben von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), in dem sich Lindner ebenfalls für eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie ausgesprochen habe.
Reduzierte Biersteuer
Darüber hinaus fordert die Union die Fortführung der reduzierten Biersteuer für kleine und mittlere Brauereien. Diese Steuersenkung sei bis Ende 2022 befristet und müsse ebenfalls unbefristet weitergeführt werden. Gerade die kleinen Brauereien seien von der Schließung der Gastronomie und dem Aussetzen von Veranstaltungen und Festen besonders betroffen gewesen, da hierdurch der Absatz von Fassbier nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei. Der Fassbierverkauf trage bei diesem Brauereien allerdings überproportional zum Betriebserfolg bei.
Wörtlich heißt es in den Antrag: „Die weltweit einzigartige und vielfältige deutsche Brautradition mit Bierfesten, Brauereigaststätten und Biergärten, die überwiegend von kleinen und mittelständischen Betrieben geprägt ist, trägt zusammen mit einer lebendigen Restaurantkultur nicht nur zur Lebensqualität vor allem in ländlichen Regionen bei, sondern stellt darüber hinaus einen nicht zu unterschätzen Faktor für Deutschland als Reiseziel internationaler Touristen dar.“ Da angesichts der hohen Inflation mit einer Zurückhaltung von Verbrauchern und Reisenden zu rechnen sei, würde das Auslaufen beider Steuerermäßigungen Gastronomie Brauereien gleich doppelt treffen, da sie neben einer höheren Steuerlast auch Umsatzverluste zu tragen hätten. (hle/irs/04.07.2022)