Zeit:
Montag, 26. September 2022,
15
bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.200
„Es gibt große Skepsis, das Gesetz so einzuführen“, fasste die Linken-Abgeordnete Caren Lay den Verlauf der Anhörung zum sogenannten Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz zusammen. Uneingeschränkte Zustimmung war von Seiten der geladenen Sachverständigen im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Montag, 26. September 2022, zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3172) nicht zu vernehmen. Gegenstand der Anhörung war auch der Antrag der Linken (20/1329), die Kohlendioxidkosten nicht allein den Mietern aufzubürden.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab 2023 die Kosten des Kohlendioxidausstoßes aufgrund von Heizung und Warmwasser in Gebäuden zwischen Vermietern und Mietern aufgeteilt werden müssen, und zwar abgestuft entsprechend dem Kohlendioxidausstoß pro Quadratmeter Wohnfläche und damit entsprechend der energetischen Qualität des Gebäudes. Auf Vermieterseite will die Regierung dadurch einen Anreiz schaffen, in klimaschonende Heizungssysteme und energetische Sanierungen zu investieren. Die Mieterseite soll motiviert werden, sich energieeffizient zu verhalten.
Konkret sieht der Entwurf des Kohlendioxidaufteilungsgesetzes ein Stufenmodell für die Aufteilung vor. Bisher fallen für Wohngebäude Kohlendioxidkosten von schätzungsweise einer Milliarde Euro an, die vollständig von den Mietern getragen werden. Die Aufteilung werde dazu führen, so die Regierung, dass Vermieter künftig einen Teil der Kohlendioxidkosten ihrer Mieter übernehmen müssen. Bei Nichtwohngebäuden sollen sich Mieter und Vermieter die Kohlendioxidkosten zunächst hälftig teilen.
Die Regelungen sollen unbefristet gelten, spätestens zum Ablauf der Festpreisphase des Brennstoffemissionshandelsgesetzes Ende 2025 um ein Stufenmodell für Nichtwohngebäude ergänzt und bis zum 30. September 2026 evaluiert werden, heißt es in der Vorlage. Die erforderliche Datengrundlage soll bis Ende 2024 erarbeitet werden.
„Energiebedarfsausweis heranziehen“
Tim Bagner vom Deutschen Städtetag begrüßte den Gesetzentwurf, meinte aber auch, das Thema der Gebäudeffizienz hätte noch in den Blick genommen werden müssen. Wichtig sei für die Kommunen, beim Gebäude- und Wohnungsregister voranzukommen, um Sanierungsmaßnahmen voranzubringen.
Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, betonte, Einsparungen erreiche man nicht durch eine Änderung des Verbrauchsverhaltens, sondern durch den Umstieg auf erneuerbare Energieträger. In Deutschland seien rund 64 Prozent aller Wohngebäude vor 1979 errichtet worden. Gerade diese Bestandsbauten verbrauchten am meisten Energie. 66 Prozent aller Häuser aus dieser Zeit wiesen die schlechtesten Energieklassen F, G oder H auf. Im vorgelegten Stufenmodell müssten 80 Prozent der Mieter künftig mehr als die Hälfte der CO2-Bepreisung tragen. Damit sei das Modell für die Mieter überwiegend schlechter als die im Koalitionsvertrag vorgesehene hälftige Aufteilung zwischen Mietern und Vermietern. Bartels riet dazu, den Energiebedarfsausweis mit verbrauchsunabhängiger Basis für die Kostenaufteilung heranzuziehen.
„Stufen im Zeitablauf neu orientieren“
Dr. Sibylle Braungardt, Senior Researcher für Energie und Klimaschutz beim Öko-Institut, räumte ein, dass man auch die Energiebedarfsausweise als Grundlage nehmen könnte. Kurzfristig sei dies aber nicht möglich, weil sie nicht flächendeckend vorlägen. Aus ihrer Sicht muss man die einzelnen Stufen nach einer gewissen Zeit neu orientieren.
Eine Anpassung sei dann notwendig, wenn die Kohlendioxidemissionen im Gebäudesektor sinken und somit mehr Gebäude in die oberen Stufen gelangen, in denen Mieter den höheren Kostenanteil tragen. In diesem Fall erhöhe sich der Gesamtanteil an Kohlendioxidemissionen, der von den Mietern getragen wird, was die Anreizwirkung bei den Vermietern reduziere. Baumgardt plädierte daher dafür, die Evaluierung von 2026 mindestens um ein Jahr vorzuziehen.
„Berechnungsverfahren transparent machen“
Dr. Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte den Gesetzentwurf, diagnostizierte aber einige Schwächen. Nach dem Stufenmodell muss der Mieter auch bei der schlechtesten Stufe noch zehn Prozent der CO2-Kosten tragen. Hier sollten die Vermieter 100 Prozent übernehmen, so Engelke. Auch sollte transparent gemacht werden, wie die einzelnen Stufen errechnet wurden.
Nicht nachvollziehbar sei, dass die Stufeneinteilung allein vom Heizverhalten abhängig sei. Die Zuweisung eines Gebäudes in eine höhere, energieärmere Stufe führe zu einer höheren Kostenbeteiligung der Mieter. Engelke plädierte für den Energiebedarfsausweis als Bemessungsgrundlage, bis dahin sollten die Kosten hälftig zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden.
„Evaluierung zeitlich vorziehen“
Stefanie Frensch, Geschäftsführerin der Becker & Kreis Holding GmbH & Co. KG, die zugleich für den Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) sprach, befürwortete ebenfalls, den Energiebedarfsausweis zur Grundlage zu machen und wollte auch die Evaluierung zeitlich vorziehen. 20 Prozent der Gebäude seien denkmalgeschützt mit einem hohen Aufwand für die Instandhaltung. Hier entstünden die meisten Sanierungskosten. Dämmung oder Solarstrom sei hier kaum möglich.
Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, plädierte für die Aussetzung der CO2-Bepreisung auf Wärmeenergie für Gebäude. Durch die hohen Gaspreise sei Energie bereits so teuer geworden, dass die Lenkungswirkung der zusätzlichen CO2-Bepreisung für fossile Wärmeenergie keine Wirkung mehr habe. Der Gesetzentwurf sollte nach Meinung Salewskis grundlegend überarbeitet werden. Die angedachte Lenkungswirkung für Verbrauchseinsparungen könne mit der Kostenaufteilung von vornherein nicht erreicht werden, weil die Aufteilung der CO2-Kosten die Motivation für Verbrauchseinsparungen senke.
„Energiepreise überfordern die Menschen“
Dr. Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund, dem Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, sagte, der CO2-Preis solle lenken und nicht die Menschen arm machen. Für private Vermieter klinge es wie Hohn, dass ihre zusätzliche Belastung dazu führen soll, in die Gebäudesanierung zu investieren. In Eigentümergemeinschaften könne der einzelne Wohnungseigentümer über eine Sanierung nicht selbst entscheiden.
Die meisten Bestandsgebäude würden nie die höchste Effizienzstufe erreichen. Warnecke hält es nach eigenen Worten für sinnvoll, in der jetzigen Situation den CO2-Preis auszusetzen. Die Energiepreise überforderten derzeit die Menschen. Das gelte auch für die Eigentümer.
„Zusätzliche Mieterbelastung nicht nachvollziehbar“
Dr. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, sagte, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Staat die Mieter in dieser Situation zusätzlich belaste. Da bisher die Mieter 100 Prozent des CO2-Preises zahlen müssten, sei es zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch gebe es Verbesserungsbedarf bei der Transparenz und Praktikabilität.
Weber-Moritz erinnerte daran, dass über die CO2-Bepreisung vor dem Ukraine-Krieg diskutiert worden sei. Wenn es nicht gelinge, die Mieter ausreichend zu entlasten, sollte das Instrument ausgesetzt werden, befand sie. Der Gesetzgeber sollte die Verteilungswirkung nochmal überprüfen. (vom/26.09.2022)