Kritik an Kürzungen im Etat von Innenministerin Nancy Faeser
Mit einer kontroversen Debatte über den Etat des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) für das kommende Jahr hat der Bundestag am Freitag, 9. September 2022, in erster Lesung seine viertägigen Haushaltsberatungen dieser Woche fortgesetzt. Während die Opposition scharfe Kritik an geplanten Kürzungen im BMI-Etat äußerte, verteidigten Vertreter der Koalition den Regierungsentwurf des Haushalts 2023, sahen aber auch noch Verbesserungsbedarf. Der Einzelplan 06 des Bundeshaushalts 2023 (20/3100) beinhaltet ein Ausgabevolumen von 12,76 Milliarden Euro im Vergleich zu 14,99 Milliarden Euro in diesem Jahr. Bundesministerin Nancy Faeser (SPD) kann mit Einnahmen von 641,75 Millionen Euro rechnen (2022: 802,58 Millionen Euro).
Ministerin: 1.000 zusätzliche Stellen für die Bundespolizei
Die Bundesinnenministerin verwies darauf, dass es in den Jahren 2020 bis 2022 sehr große Aufwüchse für ihr Ressort gegeben habe, die für vorgezogene Investitionen insbesondere im Bereich der Sicherheitsbehörden und für den Bevölkerungsschutz genutzt worden seien. Dies sei nur möglich gewesen, weil die Schuldenbremse ausgesetzt gewesen sei. Dass diese mit dem Etatentwurf 2023 wieder eingehalten werde, sei „in Zeiten der Unsicherheit eine Form der Stabilität, die gut und richtig ist“.
Die Ressortchefin betonte zugleich, dass der Haushaltsentwurf 2023 im Einzelplan des BMI 1,5 Milliarden Euro mehr vorsehe als in der ursprünglichen Finanzplanung. Dabei mache der Sicherheitsbereich mehr als die Hälfte des BMI-Budgets aus. Wichtig sei ihr vor allem, dass das Technische Hilfswerk (THW) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie das Vollzugspersonal der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes (BKA) von pauschalen Stellenkürzungen ausgenommen seien. Vielmehr erhalte die Bundespolizei 1.000 zusätzliche Stellen und das BKA 180. Auch die für die Cybersicherheit zuständigen Behörden würden mit dem Haushalt 2023 gut ausgestattet.
Ferner werde der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz im Vergleich zur Finanzplanung um rund 145 Millionen Euro gestärkt, fügte Faeser hinzu. Für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) würden 146 neue Stellen geschaffen. Mit dem Etatentwurf 2023 stünden dem THW und dem BBK mehr als eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung. Damit werde man unter anderem die Warnstrukturen in den Ländern weiter modernisieren und die Notstromversorgung der kritischen Infrastruktur verbessern.
CDU/CSU sieht in Etat-Kürzung ein „Offenbarungseid“
Alexander Throm (CDU/CSU) monierte „ein Minus im Sicherheitsbereich von über 1,4 Milliarden Euro“ und hielt Faeser vor, mit einer Kürzung des Innen-Etats um 2,3 Milliarden Euro auf den Stand von 2017 zurückzufallen. Dies sei innenpolitisch ein „Offenbarungseid“.
Auch sei der von Faeser angekündigte „Neustart“ beim Bevölkerungsschutz ein „Fehlstart“, weil sie beim THW um 40 Prozent kürze und beim BBK um 30 Prozent. In der Migrationspolitik würden die Mittel für Integrationskurse um zehn Prozent gekürzt, obwohl man in Deutschland „mehr Zuwanderung mit Fluchthintergrund“ habe als jemals zuvor.
Grüne melden „parlamentarischen Nachbesserungsbedarf“ an
Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) meldete „parlamentarischen Nachbesserungsbedarf“ am Regierungsentwurf an. So sei die Abmachung in der Bundesregierung nicht eingehalten worden, Cyberabwehr und Zivilschutz im Haushalt ausreichend zu finanzieren.
Die Klimakrise zeige, dass Ereignisse wie extreme Trockenheit, Waldbrände und Flutkatastrophen zunähmen. Daher könne man sich jetzt nicht leisten, „massiv am Zivilschutz zu sparen“. Auch Investitionen in eine Stärkung der kritische Infrastruktur und der Cyber-Resilienz dürften nicht zurückgehalten werden.
AfD fordert effektive Bekämpfung des Islamismus
Martin Hess (AfD) warf Faeser vor, eine „effektive Bekämpfung des Islamismus“ zu verweigern. Niemand könne bezweifeln, dass der politische Islam und islamistische Terrorismus eine massive Sicherheitsgefahr darstellten, die entschlossen bekämpft werden müsse, doch Faeser stelle die Arbeit des Expertenkreises „Politischer Islamismus“ beim BMI ein.
Ihre Migrationspolitik verschlechtere die Sicherheitslage in Deutschland von Tag zu Tag. „Effektiver Grenzschutz und Abschiebungen sind das Gebot der Stunde, und das muss jetzt endlich umgesetzt werden“, fügte Hess hinzu.
FDP: Beratungen über den Einzelplan werden schwierig
Thorsten Lieb (FDP) hob hervor, dass „bei Berücksichtigung des Auslaufens der Konjunkturmittel“ ein klarer Aufwuchs im BMI-Etat festzustellen sei. Zugleich konstatierte er, dass die Beratungen über den Einzelplan des BMI schwierig würden.
Die Koalition wolle und werde die Schuldenbremse einhalten. Diese Herausforderung spüre man in den Kernbereichen der inneren Sicherheit, bei Cybersicherheit und Bevölkerungsschutz besonders und werde den Entwurf auf diese Punkte hin genau prüfen. Dann werde man sehen, ob und wo Handlungsbedarf bestehe.
Linke: Kürzungen bei ehrenamtlich Tätigen sind inakzeptabel
André Hahn (Die Linke) kritisierte, dass im Haushaltsentwurf Mittel beim THW und beim BBK abgezogen würden, statt den Etat aufzustocken. Vor allem bei den ehrenamtlich Tätigen werde der Rotstift angesetzt, was inakzeptabel sei.
Stattdessen solle es mehr Personal bei der Bundespolizei und beim BKA geben, obwohl dort derzeit fast 10.000 Stellen unbesetzt seien. Zugleich gebe es im Etat keine Vorsorge für die absehbaren Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, in dem der aktuelle Tarifvertrag am Jahresende auslaufe.
SPD: Haushaltsentwurf ist eine gute Arbeitsgrundlage
Martin Gerster (SPD) sagte, bei Klagen über Kürzungen in Faesers Etat werde verschwiegen, „dass der Baubereich in ein neues Ministerium überführt wurde“. Ebenso werde verschwiegen, dass mit den Corona-Konjunkturpaketen Investitionen in die innere Sicherheit in Höhe von zwei Milliarden Euro bewusst vorgezogen worden seien.
Dabei sei klar gewesen, dass diese Sondermittel „zeitlich befristet sind und nun wie geplant zum Jahresende auslaufen“. Der Haushaltsentwurf sei eine „gute Arbeitsgrundlage“ für die weiteren Beratungen, bei denen man ihn noch „ein ganzes Stück besser machen“ könne.
Ausgaben für Personal und Verwaltung
Der BMI-Etat 2023 soll nach dem Willen der Bundesregierung ein Ausgabenvolumen von gut 12,76 Milliarden Euro umfassen und damit mehr als 2,22 Milliarden Euro weniger als für das laufende Jahr vorgesehen. An Einnahmen sind für das BMI im Einzelplan 06 für das kommende Jahr knapp 642 Millionen Euro nach fast 803 Millionen Euro in 2022 veranschlagt, wie aus dem Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes 2023 (20/3100, Einzelplan 06) weiter hervorgeht.
Danach sollen sich die Personalausgaben des BMI im Jahr 2023 auf gut 5,74 Milliarden Euro belaufen und die sächlichen Verwaltungsausgaben auf fast 3,19 Milliarden Euro, während für Zuweisungen und Zuschüsse (ohne Investitionen) mehr als 2,84 Milliarden Euro vorgesehen sind und für Investitionen Ausgaben in Höhe von knapp 1,19 Milliarden Euro.
Ausgaben für Digitalisierung, IT- und Cybersicherheit
Mit rund 6,4 Milliarden Euro weist der Sicherheitsbereich das größte Ausgabenvolumen des Einzelplans auf, gefolgt vom Bereich Digitalisierung, IT- und Cybersicherheit mit rund 1,6 Milliarden Euro. Allein auf die Bundespolizei sollen im Jahr 2023 knapp 4,15 Milliarden Euro entfallen nach gut 4,58 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Für das Bundeskriminalamt sollen in kommenden Jahr gut 881 Millionen Euro zur Verfügung stehen und damit rund 25 Millionen Euro weniger als 2022.
Beim Bundesamt für Verfassungsschutz sind im Etatentwurf Ausgaben in Höhe von knapp 470 Millionen Euro vorgesehen nach gut 488 Millionen Euro in 2022. Die Ausgaben für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sollen 2023 im Vergleich zum laufenden Jahr um knapp 34 Millionen Euro auf gut 251 Millionen Euro ansteigen.
Ausgaben für Katastrophenhilfe und Flüchtlinge
Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ist im Regierungsentwurf für das kommende Jahr im Vergleich zu 2022 ein Ausgabenrückgang um gut 112 Millionen Euro auf knapp 174 Millionen Euro vorgesehen. Die Ausgaben für die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk sollen 2023 um rund 158 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr auf gut 386 Millionen Euro sinken.
Um gut 11.7 Millionen Euro im Vergleich zu 2022 sollen im nächsten Jahr die Ausgaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auf mehr als 745 Millionen Euro zurückgehen. Die in einem weiteren Kapitel des Einzelplans ausgewiesenen Ausgaben für Integrationskurse sollen 2023 bei rund 604 Millionen Euro liegen; daneben sind dort laut Regierungsentwurf für das nächste Jahr Zuschüsse zu einer Reihe weiterer integrations- und migrationsspezifischer Maßnahmen in Höhe von rund 209 Millionen Euro vorgesehen. (sto/09.09.2022)