Gesetzentwürfe zum beschleunigten Ausbau von Windenergieanlagen
Der Bundestag hat sich am Freitag, 24. Juni 2022, in erster Lesung mit Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ (20/2355) und „zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes“ (20/2354) befasst. Die erste Initiative wurde im Anschluss an die gut halbstündige Beratung in den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen, die zweite in den Umweltausschuss.
Ebenfalls Gegenstand der Debatte war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energien – Potenziale nutzen, Bürokratie abbauen, Anreize schaffen“ (20/2345) sowie ein Antrag der AfD, der die „Kollisionsgefährdung von Vögeln durch deutsche Windkraftanlagen minimieren“ will (20/2361). Auch diese beiden Vorlagen wurden in die Ausschüsse überwiesen, wobei die Federführung im ersten Fall beim Klimaschutz- und im zweiten Fall beim Umweltausschuss liegen soll.
Beschleunigter Ausbau von Windkraftanlagen an Land
Die Koalitionsfraktionen legen zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land einen Gesetzentwurf (20/2355) vor. Die Bundesregierung hat die Ausbauziele für erneuerbare Energien deutlich angehoben. Um die Ziele zu erreichen, seien flankierende Maßnahmen erforderlich, die mit diesem Gesetz getroffen werden, heißt es in dem Entwurf. Sie sollen die wesentlichen Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie an Land beseitigen und diesen dadurch deutlich beschleunigen.
Für den Ausbau der Windenergie an Land ist laut Entwurf dem Mangel an verfügbarer Fläche Abhilfe zu schaffen. Zur Erreichung der Ausbauziele müssen zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der aktuell ausgewiesenen Fläche. Derzeit sind nur rund 0,8 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen, tatsächlich verfügbar sind lediglich 0,5 Prozent. Zudem sind die Flächenausweisungen für Windenergieanlagen im Bundesgebiet sehr ungleich verteilt. Mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sollen den Ländern verbindliche Flächenziele (sogenannte Flächenbeitragswerte) vorgegeben werden. Das Gesamtziel von zwei Prozent der Bundesfläche soll durch einen Verteilungsschlüssel sachgerecht und transparent zwischen den Ländern verteilt und dabei die vorhandenen Flächenpotenziale für den Ausbau der Windenergie an Land in den Ländern berücksichtigt werden. Die Planungsmethodik und ihre gerichtliche Kontrolle werde vereinfacht, die Planung beschleunigt und die Rechtssicherheit erhöht.
Die verbindlichen Flächenziele nach dem WindBG sollen hierzu in die Systematik des Bauplanungsrechts des Baugesetzbuchs integriert werden. Der planerischen Steuerung durch die Ausweisung von Windenergiegebieten soll im Ergebnis nur noch dann Ausschlusswirkung zukommen, wenn die Flächenziele erreicht werden. Andernfalls sollen Windenergieanlagen im gesamten Planungsraum privilegiert zulässig sein. Hierdurch werde sichergestellt, dass für den Windenergieausbau in jedem Fall Flächen im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen. Landesrechtliche Mindestabstandsregelungen auf der Grundlage der sogenannten Länderöffnungsklausel des BauGB sollen weiterhin möglich sein. Sie sollen aber an die Erfüllung der Pflichten nach dem WindBG gekoppelt werden, insbesondere müssen die Flächenziele erreicht werden. Die Länder sollen verpflichtet werden, zu regeln, dass die Mindestabstände nicht für Flächen gelten, die planerisch für Windenergieanlagen ausgewiesen sind.
Naturschutzgesetzesnovelle für schnelleren Windkraftausbau
Die Koalitionsfraktionen wollen das Bundesnaturschutzgesetz (20/2354) ändern, um bis spätestens 2045 in Deutschland Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen.. Angesichts der Klimakrise und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bestehe eine doppelte Dringlichkeit, für einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien und dabei insbesondere auch der Windenergie an Land zu sorgen, heißt es im Entwurf. Der Entwurf beinhaltet Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Durch eine Ergänzung des § 26 BNatSchG wird rechtlich sichergestellt, dass auch Landschaftsschutzgebiete in angemessenem Umfang in die Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden können.
Um Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land zu vereinfachen und zu beschleunigen, sieht der vorliegende Entwurf weiterhin bundeseinheitliche Standards für die in diesem Zusammenhang durchzuführende artenschutzrechtliche Prüfung vor. Zusätzliche artenschutzbezogene Erleichterungen sind vorgesehen für den Fall des Repowerings von Windenergieanlagen an Land (neuer Paragraf 45c BNatSchG). Zugleich soll zum dauerhaften Schutz insbesondere der durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien betroffenen Arten das Bundesamt für Naturschutz mit der Aufgabe betraut werden, nationale Artenhilfsprogramme aufzustellen und die zu deren Umsetzung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wobei zu deren Finanzierung auch Anlagenbetreiber beitragen sollen, die aufgrund der neuen Vorschriften in den Genuss einer artenschutzrechtlichen Ausnahme gelangen. Der Gesetzentwurf sei mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar, heißt es. Für die Verwaltung auf Bundesebene entstehen durch den Gesetzentwurf zusätzliche Kosten beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Höhe von 1,4 Millionen Euro Sachaufwand 2022, 14 Millionen Euro 2023, 17 Millionen 2024 und 25 Millionen Euro ab 2025.
Antrag von CDU/CSU
Die Unions-Fraktion kritisiert das sogenannte „Osterpaket“ der Bundesregierung: Zu oft mache es den Ausbau der Erneuerbaren schwerer, es verpasse das Beseitigen bürokratischer Hürden und verhindere den „dringend nötigen Turbo bei den Erneuerbaren“. Die Erreichung der Klimaziele und eine Steigerung sicherer Energieversorgung vor Ort müssen oberste Priorität haben, fordern die Abgeordneten in ihrem Antrag (20/2345). Das Anmeldeverfahren von neuen Photovoltaikanlagen sollte deutlich vereinfacht und bundeseinheitliche Standards hierfür geschaffen, vergünstigte KfW-Darlehen für die Anschaffung auf privaten Wohngebäuden angeboten und kürzere Abschreibungszeiträume für Anlagen auf gewerblichen Gebäuden ermöglicht werden. Zudem fordert die Unionsfraktion, Erträge aus Photovoltaikanlagen bis zu 30 kWp Nennleistung von Steuer- und Abgabepflichten zu befreien und bei kleineren Anlagen auf die geplante Unterscheidung zwischen Voll- und Teileinspeisung bei der Einspeisevergütung zu verzichten, um innovative Ideen für Eigenverbrauch und lokale Versorgungskonzepte nicht zu blockieren.
Die Abgeordneten plädieren dafür, gesetzlich klarzustellen, dass auch der Ausbau der Verteilnetze, von Transformatoren, Speichern und Elektrolyseuren ähnlich wie bei den erneuerbaren Energien, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liege. Zudem sei es wichtig, alle Potenziale zu heben und keine erneuerbaren Energien auszubremsen. So müssten die Wasserkraft wie andere Erneuerbare, ebenfalls im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehen, Biogasanlagen stärker unterstützt und die Potenziale der Geothermie stärker mit den nötigen Anreizen ausgestattet werden, um Planungssicherheit zu schaffen.
Antrag der AfD
Die AfD fordert in ihrem Antrag eine repräsentative Forschungsstudie, die „konkrete Ursachen“ für die Kollision von Vögeln mit Windkraftanlagen analysiert. Die Auswirkungen solcher Kollisionen seien zum Teil so tiefgreifend, dass sie auf Populationsebene durch eine negative Bestandsentwicklung sichtbar würden, heißt es. In Deutschland gebe es gegenwärtig kaum repräsentative und vergleichbare Studien, die einen tieferen Einblick in kollisionsbegünstigende Faktoren gewähren würden, monieren die Abgeordneten.
Die Studie solle insbesondere die Hypothese einer Fehlfokussierung (motion blur; motion smear) im Auge des Vogels durch die bewegten Rotorblätter untersuchen, fordert die Fraktion. (mis/ste/24.06.2022)