Faeser kündigt zusätzliche Mittel und neue Stellen für innere Sicherheit an
Die Folgen des Kriegs in der Ukraine haben am Donnerstag, 24. März 2022, auch die Bundestagsdebatte über den Haushalt 2022 des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI) bestimmt. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verwies in der ersten Lesung des Etatentwurfs der Bundesregierung (20/1000) darauf, dass Millionen Menschen Zuflucht vor Gewalt und Zerstörung suchten, auch in Deutschland. Auch in dieser Situation beweise der Staat seine Handlungsfähigkeit. Das Hauptaugenmerk liege dabei auf der „bestmöglichen Versorgung, Unterbringung und Verteilung der Geflüchteten in Deutschland und der gesamten EU“. Dabei unterstütze ihr Haus die Länder bei der Registrierung von Geflüchteten. Auch öffne man die Integrations- und Sprachkurse für Flüchtlinge aus der Ukraine.
„Russischer Überfall auf die Ukraine ist eine Zäsur“
Faeser betonte zugleich, dass der russische Überfall auf die Ukraine eine Zäsur sei und „unsere Sicherheit auch im Lichte neuer Realitäten“ gesehen werden müsse. Das werde zusätzliche finanzielle Belastungen nach sich ziehen, die in dem Etatentwurf noch nicht berücksichtigt seien. Dabei denke sie insbesondere an weitere Investitionen in den Zivilschutz, in den Grenzschutz und in die innere Sicherheit sowie in den Integrationsbereich. Auch die deutsche Cyber-Sicherheitsarchitektur werde man weiter stärken: „Wir haben alle Schutzmaßnahmen gegen russische Attacken hochgefahren.“
Die Ministerin verwies mit Blick auf ihren Etatentwurf darauf, dass die innere Sicherheit mit zusätzlichen Mitteln und neuen Stellen gestärkt werde. Mit einem Gesamtvolumen von rund 15 Milliarden Euro weise der BMI-Etat ein Plus von 1,6 Milliarden Euro im Vergleich zum ursprünglichen Finanzplan auf und „1.660 Stellen mehr für Sicherheit, Integration und Zusammenhalt“. Auch setze der Haushaltsentwurf wichtige Akzente im Bereich des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sei „mit dem Konjunkturpaket des Haushaltes 2021 mit zusätzlichen Sachmitteln in Höhe von fast 100 Millionen bereits erheblich gestärkt“ worden; zudem seien 50 Stellen hinzugekommen. Mit dem jetzt vorgeschlagenen Haushalt sattele man nochmals drauf. Insgesamt solle das BBK für 2022 nochmals 112 Stellen und 19,5 Millionen Euro mehr erhalten. Angesichts der aktuellen Lage freue sie sich auf die Überstützung der Abgeordneten, „in einem Ergänzungshaushalt da nochmal draufzusatteln“.
CDU/CSU fordert nationalen Flüchtlingsgipfel
Andrea Lindholz (CDU/CSU) begrüßte den vorgesehenen Etataufwuchs, der aber beim Bevölkerungsschutz bei weitem nicht ausreiche. Das BBK werde nach diesem Regierungsentwurf mit „mickrigen zehn Millionen Euro“ zusätzlich gefördert, was „viel zu wenig“ sei. Hier müsse dringend nachgebessert werden.
Lindholz warf der Ministerin zugleich mangelnde Führung bei der Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine vor. Nach wie vor kämen täglich bis zu zehntausende Frauen und Kinder nach Deutschland, und seit Wochen warnten Polizei und Helfer vor Pädophilen und Menschenhändlern, die dieses Chaos ausnutzen. Zwar gebe es endlich mehr Präsenz der Bundespolizei an den Bahnhöfen, aber noch immer keine Schutzzone und keine geordnete Aufnahme. Ebenso gebe es keine systematische Registrierung bei der Einreise, und man wisse nicht genau, wer ins Land komme. Auch funktioniere die Verteilung der Flüchtlinge im Land nicht reibungsfrei. Es brauche den nationalen Krisenstab und einen nationalen Flüchtlingsgipfel.
Grüne: Starkes BBK als zentrale Koordinierungsstelle
Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, neben besseren Strukturen für die Erstaufnahme und Versorgung gehe es jetzt darum, allen Ankommenden mit Integrationskursen und -angeboten zur Seite zu stehen. „Zu ihrer Ausfinanzierung werden wir bis in den Ergänzungshaushalt hinein das Notwendige tun“, unterstrich Schäfer. Zugleich begrüßte sie, dass „im Kontext von Putins Angriffskrieg jetzt endlich über den Zivilschutz“ gesprochen werde. Das sei längst überfällig, wie auch die Flutkatastrophe von Sommer 2021 gezeigt habe.
Die Katastrophenhilfe und der Zivilschutz sei in den zurückliegenden Jahren gefährlich vernachlässigt worden. Gebraucht werde ein starkes BBK als zentrale Koordinierungsstelle. „Also setzen wir die seit einem Jahr vorliegende Neuausrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungshilfe und Katastrophenhilfe jetzt endlich in die Realität um“, fügte Schäfer hinzu.
AfD kritisiert Grenzschutz als „völlig unzureichend“
Marcus Bühl (AfD) beklagte einen mangelhaften Katastrophenschutz sowie einen „völlig unzureichenden Grenzschutz“ und viel zu wenig neue Bundespolizisten. Die Bundespolizei müsse an den Grenzen „genau kontrollieren können, wer ein echter Flüchtling ist oder ein Trittbrettfahrer“. Das Leid der flüchtenden Ukrainer dürfe nicht als „Einfallstor einer unkontrollierten Einwanderung nach Deutschland missbraucht werden“.
Auch müssten jetzt angesichts der zeitweisen Unterbringung so vieler Frauen, Kinder und Familien alle ausreisepflichtigen und abgelehnten Asylbewerber der vergangenen Jahre abgeschoben werden. Während Polen vorbildlich Flüchtlinge registriere, scheitere die deutsche Regierungspolitik „schon wieder bei der konsequenten Bekämpfung illegaler Migration“.
FDP: Ampelkoalition packt offene Baustellen an
Dr. Thorsten Lieb (FDP) sagte, der Krieg in der Ukraine und die „offenen Aufgaben im Bereich Katastrophen- und Bevölkerungsschutz“ hätten schon jetzt enorme Auswirkungen auf den aktuellen Etat. „Erste Antworten“ seien schon drin, doch die Lage werde sich weiterentwickeln, und man könne heute nicht abschließend sagen, wohin die Reise führe. Viele Dinge seien zu lange liegen geblieben.
„16 Jahre unionsgeführtes Innenministerium haben mehr offene Baustellen und mehr Fragen hinterlassen als dass Aufgaben erledigt worden sind“, kritisierte Lieb. Dies packe die Ampelkoalition nun an. So seien die zusätzlichen Millionen Euro für das BBK „genau richtig investiert, damit wir dort endlich einen Sprung nach vorne kommen“.
Linke fordert mehr Unterstützung für Kommunen
Victor Perli (Die Linke) monierte, während täglich tausende Flüchtlinge nach Deutschland kämen, enthalte der Etatentwurf nicht einen einzigen zusätzlichen Euro, um die Kommunen bei der Betreuung der Geflüchteten zu unterstützen. Bei ihrer Unterbringung müssten Städte und Gemeinden in Vorleistung treten, obwohl der Bund eigentlich eine „Flüchtlingsrücklage“ habe, um Menschen in Not zu helfen. Auch müssten die Mittel für die Integrationskurse erhöht werden.
Notwendig sei zudem ein „Update“ beim Katastrophen- und Bevölkerungsschutz. Auch die Corona-Pandemie und die Hochwasserkatastrophe des vergangenen Jahres hätten gezeigt, dass es hier viel Verbesserungsbedarf gebe.
SPD: Neue Prioritätensetzung erforderlich
Martin Gerster (SPD) verwies darauf, dass der Innen-Etat einen neuen Rekord erreiche, wenn man den aus dem BMI ausgegliederten Baubereich herausrechne: „ein Zuwachs von 844 Millionen Euro“. Von den 1.660 zusätzliche Stellen profitiere vor allem die Bundespolizei. Für sie sehe der Etatentwurf rund 1.000 zusätzliche Stellen vor. Auch für das Technische Hilfswerk und das BBK seien im Regierungsentwurf mehr Mittel und mehr Personal vorgesehen.
Für die anstehenden Haushaltsberatungen stelle sich aber die Frage, „ob wir nicht noch mehr tun müssen, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden“. Der Regierungsentwurf sei vor dem Angriff auf die Ukraine erarbeitet worden, doch erforderten nun Cyberangriffe und Desinformationskampagnen sowie der Zivilschutz bei den Etatberatungen eine neue Prioritätensetzung. Vor allem die Flüchtlinge bräuchten „Schutz, Unterstützung und Integration“.
Größter Ausgabenposten ist Innere Sicherheit
Der BMI-Etat umfasst nach dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung (20/1000, Einzelplan 06) ein Ausgabevolumen von 14,96 Milliarden Euro und damit 3,5 Milliarden Euro weniger als für 2021 veranschlagt. Der Rückgang ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Bereich „Bauwesen“, der in der vergangenen Wahlperiode zum Aufgabenspektrum des BMI gehörte, nun dem neuen Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zugewiesen wurde.
Der größte Ausgabenposten im Regierungsentwurf für den Innen-Etat 2022 entfällt dem Ministerium zufolge mit rund 7,3 Milliarden Euro auf den Bereich der Inneren Sicherheit, gefolgt von den Ausgaben für Digitalisierung, IT und Cybersicherheit in Höhe von rund 2,9 Milliarden Euro. (sto/24.03.2022)