Ministerin Spiegel kündigt Anlaufstellen für ukrainische Waisenkinder an
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) hat angesichts des Krieges in der Ukraine und Hunderttausenden Flüchtlingen angekündigt, Kinder und Jugendliche aus ukrainischen Waisenhäusern und Kinderheimen in Deutschland aufzunehmen. In der Plenardebatte am Freitag, 25. März 2022, über den Einzelplan 17 des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2022 für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (20/1000) bekräftigte sie das Vorhaben der Bundesregierung, eine bundesweite Anlaufstelle für ukrainische Waisenkinder und ihre Betreuer einzurichten.
„Koordinierung für evakuierte Waisenhäuser übernehmen“
„Wir stehen bereit, die Koordinierung für die evakuierten Waisenhäuser zu übernehmen“, sagte Spiegel bei der Einbringung des Etatentwurfs im Bundestag. Es sei wichtig, für die elternlosen Kinder „so viel Geborgenheit und Stabilität wie möglich“ zu schaffen. Dazu gehöre, dass sie zusammenblieben und nicht von ihren Betreuern getrennt würden, erklärte die Ministerin. Das Konzept für die Stelle liege vor.
Ziel der Bundesregierung sei es darüber hinaus, den geflüchteten Familien in Deutschland „schnell und unbürokratisch“ zu helfen und Zugang zu Sprachkursen und psychosozialer Betreuung zu ermöglichen.
Rund 7,7 Milliarden fließen ins Elterngeld
Der Etatentwurf, den die Ampelkoalition einbringe, stehe für „Hilfe, Förderung und Unterstützung aller Kinder und ihrer Familien“ in Deutschland. Für das Elterngeld, die „bekannteste und beliebteste Familienleistung“ stünden rund 7,7 Milliarden Euro bereit. Spiegel stellte zudem weitere Entlastungen in Aussicht: Mit dem Kindersofortzuschlag in Höhe von 20 Euro pro Monat sei geplant, ab 1. Juli 2022 von Armut betroffene Kinder und Jugendliche zu unterstützen. Auch Kinder aus der Ukraine sollten diesen Zuschlag erhalten, betonte die Ministerin. Für den Aufbau einer eigenen Kindergrundsicherung sei eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt worden.
Auch von den Entlastungspaketen, die die Bundesregierung geschnürt habe, würden Familien profitieren: „Der Einmalbonus pro Kind und weitere 100 Euro speziell für die Bezieher von Sozialleistungen sind ein wichtiges Plus im Geldbeutel der Familien“, sagte Spiegel.
Union kritisiert sinkende Ausgaben
Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, ging die Ministerin jedoch frontal an: Der Haushaltsentwurf sei insgesamt ein „Vertrag zu Lasten der Kinder“, „da müsste doch zumindest mehr für sie drin sein“, monierte sie. Doch stattdessen sehe der Etatentwurf reduzierte Ausgaben vor: „Erstmals sinkt der Etat auf 12,6 Milliarden Euro“ – und das trotz Corona-Pandemie und Flüchtlingskrise.
Breher warf Spiegel vor, Worten keine Taten folgen zu lassen. Ob Elterngeld-Reform oder Kindergrundsicherung, solche Vorhaben seien im Haushalt noch gar nicht hinterlegt. Auch finde man dort keine eingeplanten Ausgaben für den Kita-Ausbau und die Weiterentwicklung des Gute-Kita-Gesetzes.
Grüne für Sofortprogramm für Kita- und Ganztagsausbau
Den Vorwürfen, die Ampel bleibe beim Kita- und Ganztagsausbau stehen, trat Bruno Hönel (Bündnis 90/Die Grünen) sofort entgegen: Angesichts der vielen Kinder und Familien aus der Ukraine, setze sich seine Fraktion dafür ein, ein Sofortprogramm in den Ergänzungshaushalt aufzunehmen.
Der vorliegende Etatentwurf in Höhe von rund 12,6 Milliarden Euro sei außerdem im Vergleich zum ersten Entwurf der Vorgängerregierung um 147 Millionen Euro höher, stellte er klar.
AfD: Ministerin ignoriert „demografische Katastrophe“
Martin Reichardt (AfD) attackierte die Ministerin heftig: Ihre „feministische“ Politik sei fehlgeleitet, Spiegel selbst „egoistisch“. Das zeige ihr Verhalten während der Flutkatastrophe: Statt sich um die bedrohten Menschen zu kümmern, sei die Grüne vor allem um ihr Image besorgt gewesen, erneuerte der AfD-Abgeordnete bekannte Vorwürfe seiner Fraktion.
Ähnlich verhalte es sich mit ihrer Familienpolitik: Die eigentliche „demografische Katastrophe“ ignoriere die Ministerin, behauptete Reichardt. „Der Bestandsverlust von 25 Prozent pro Generation“ bedrohe die Sozialsysteme, dennoch würden die familienpolitischen Leistungen wie das Elterngeld nicht angepasst.
Linke für schnelle Umsetzung der Kindergrundsicherung
Hart ins Gericht mit dem vorgelegten Haushalt ging auch Dr. Gesine Lötzsch: Die haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion nannte es „diskriminierend und beschämend“, dass jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut bedroht sei und mahnte bezüglich der geplanten Kindergrundsicherung zur Eile. Wenn es möglich sei, „quasi über Nacht“ ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden für die Bundeswehr zu beschließen, dann müsse es doch möglich sein die Kindergrundsicherung innerhalb eines Jahres auf den Weg zu bringen.
Zu knapp bemessen sei auch der Kindersofortzuschlag mit 20 Euro. Im Kampf gegen Kinderarmut müsse die Ampel dringend noch zulegen, forderte die Linken-Abgeordnete.
FDP lobt Corona-Aufholprogramm mit besserer Ausstattung
Den Haushaltsentwurf verteidigte hingegen die FDP-Haushaltspolitikerin Claudia Raffelhüschen: Der Einzelplan 17 stelle die ins Zentrum, die in den zwei Jahren Pandemie besonders gelitten hätten – die Kinder und Jugendlichen.
Um zusätzliche 273 Millionen Euro stocke die Ampelkoalition so zum Beispiel das ursprünglich mit zwei Milliarden ausgestattete Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ auf, welches Kinder unter anderem dabei unterstütze, Lernrückstände aufzuholen.
SPD: Rekordsumme für Demokratieförderung
Die SPD-Abgeordnete Elisabeth Kaiser betonte zudem die erhöhten Ausgaben für die Demokratieförderung: Mit einer „Rekordsumme von 183 Millionen Euro“ stärke die Regierung all denen den Rücken, die für „die Demokratie Gesicht und Mut“ zeigten. 165,5 Millionen Euro seien allein für das Programm „Demokratie leben“ eingestellt.
Ihre Fraktionskollegin Josephine Ortleb (SPD) hob zudem die Maßnahmen zur Förderung von Gleichstellung hervor, merkte aber an, dass sie sich von den kommenden Haushaltsberatungen eine noch bessere finanzielle Ausstattung der Antidiskriminierungsstelle und der Bundestiftung Gleichstellung sowie mehr Unterstützung für Frauenverbände erhoffe.
Elterngeld größter Posten im Familienetat
Der Einzelplan 17 des Bundeshaushalts 2022 (20/1000) sieht Ausgaben von 12,6 Milliarden Euro vor gegenüber 13,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Familienministerin Spiegel kann mit Einnahmen von 199 Millionen Euro rechnen (wie 2021). Mit 12,34 Milliarden Euro bilden die Zuweisungen und Zuschüsse das Gros des Etatentwurfs (2021: 11,99 Milliarden Euro).
Für gesetzliche Leistungen für Familien sind 10,76 Milliarden Euro eingeplant (2021: 10,48 Milliarden Euro). Größter Einzelposten ist das Elterngeld, das mit 7,73 Milliarden Euro zu Buche schlägt (2021: 7,49 Milliarden Euro). Auf das Kindergeld und den Kinderzuschlag entfallen 1,7 Milliarden Euro (2021: 1,68 Milliarden Euro). Für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind 1,02 Milliarden Euro eingeplant nach einer Milliarde Euro im vergangenen Jahr.
Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie
Eingespart werden soll bei der Kinder- und Jugendpolitik, für die noch 984,27 Millionen Euro bereitstehen (2021: 1,9 Milliarden Euro). Aufgestockt werden sollen allerdings die Ausgaben zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie, und zwar von 150,5 Millionen Euro auf 183,5 Millionen Euro. Die Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Länder, Träger und Aufgaben der freien Jugendhilfe summieren sich auf 267,88 Millionen Euro (2021: 234,53 Millionen Euro).
567,59 Millionen Euro soll die Ministerin für die Stärkung der Zivilgesellschaft, für Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik ausgeben können (2021: 534,82 Millionen Euro). Davon entfallen 356,1 Millionen Euro auf die Stärkung der Zivilgesellschaft (2021: 363,76 Millionen Euro) und 207,2 Millionen Euro auf den Bundesfreiwilligendienst (wie 2021). (sas/vom/25.03.2021)