Finanzminister Lindner kündigt „dringend benötigte“ Entlastungen an
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich im Bundestag für eine Rückkehr zur Schuldenbremse ab 2023 ausgesprochen. „Wir müssen zurück zu dem Prinzip, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet werden muss, bevor er danach verteilt werden kann“, sagte der Minister am Dienstag, 22. März 2022, in seiner Einbringungsrede zum Bundeshaushalt 2022 zu Beginn der viertägigen Beratungen im Parlament. Gleichzeitig kündigte er „schnelle, treffsichere, befristete und europäisch koordinierte“ Entlastungen an. Ziel sei es, ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum zu ermöglichen und zugleich den Staat aus der Verschuldung herauszuführen.
Der Bundeshaushalt für das laufende Jahr 2022 sieht Ausgaben und Einnahmen von jeweils 457,6 Milliarden Euro vor. Das Parlament wird den Gesetzentwurf (20/1000), den das Bundeskabinett am 16. März beschlossen hatte, mit sämtlichen Anlagen, den Einzelplänen, am Freitag, 25. März, zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überweisen. Die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes durch den Bundestag ist für Freitag, 3. Juni 2022, vorgesehen.
Rückkehr zur Schuldenbremse ab 2023
In der Krise müsse der Staat handeln, sagte Finanzminister Lindner. Nach der Krise jedoch, müsse zur Normalität zurückgekehrt werden. „Diese Rückkehr zur Normalität ist das haushaltspolitische Ziel der Bundesregierung“. Trotz „veränderter Rahmenbedingungen und neuen modernen Schwerpunkten der Koalition“ gelte es, einen ersten Beitrag zur Konsolidierung zu leisten.
In der Finanzplanung sei vorgesehen, die Schuldenbremse im Jahr 2023 und in den Folgejahren bis 2026 einzuhalten. „Wir hoffen und setzen ja alle darauf, dass im kommenden Jahr keine Notlage mehr besteht.“ Für das laufende Jahr 2022 seien die krisenbedingten Belastungen für den Bundeshaushalt noch nicht absehbar, so Lindner. Die Regierung schlage dem Bundestag deshalb vor, dass die Voraussetzung für das Überschreiten der Kreditobergrenze weiter vorliege.
Ergänzungshaushalt und Sondervermögen
Mit dem Ukraine-Krieg sei neben der Pandemie eine weitere Ausnahmesituation hinzugekommen, auf die es sich einzustellen gelte. Deshalb werde die Bundesregierung dem Parlament „möglichst bald“ einen Ergänzungshaushalt vorlegen. „Wir werden die Begründung für das Überschreiten der Regelobergrenze der Verschuldung nach Artikel 115 des Grundgesetzes dann auch für den Ergänzungshaushalt anpassen und über die Corona-Pandemie hinaus auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung des Ukraine-Krieges ausdehnen.“
Mit Blick auf das von der Bundesregierung vorgeschlagene Sondervermögen für die Bundeswehr sagte Lindner, es solle im Grundgesetz mit einer Zweckbindung verankert werden und eine eigene Kreditermächtigung erhalten. Bis zu 100 Milliarden Euro sollen zur Verfügung gestellt werden. Schließlich gehöre es zu einer vernetzten Sicherheit, die „lange und viele Jahre vernachlässigte Bundeswehr“ wieder zu stärken. Dabei stehe das Sondervermögen ausdrücklich neben der Schuldenbremse, versicherte Lindner. „Es hebt sie also nicht auf, sondern betont im Gegenteil den Ausnahmecharakter dieser Maßnahme.“
Höheres Produktivitätswachstum und Entlastungen
Nach den Worten des Finanzministers wird nicht nur konsolidiert, sondern auch investiert. Etwa bei der Transformation zur „wettbewerbsfähigen, klimaneutralen und digitalen Volkswirtschaft“. Dabei gleichzeitig Wachstum und Wohlstand zu erhalten, erfordere „enorme Anstrengungen und wir unternehmen diese Anstrengungen.“ Unter anderem schlage die Bundesregierung vor, den Energie- und Klimafonds zu einem Klima- und Transformationsfonds weiterzuentwickeln. Dies sei ein „Hebel, um Zukunftsaufgaben zu beschleunigen“.
Zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung gehören Lindner zufolge auch „dringend benötigte Entlastungen“. Die steigenden Preise träfen die breite Mitte der Gesellschaft, nicht nur die Wirtschaft. „Deshalb müssen wir handeln und in der Breite entlasten“, sagte Lindner. Nach dem ersten Maßnahmenpaket, das unter anderem einen Sofortzuschlag für Kinder aus von Armut bedrohten Familien enthalte, arbeite die Koalition an einem zweiten Paket und berate über unterschiedliche Modelle. Ziel seien schnelle, treffsichere, befristete und europäisch koordinierte Maßnahmen.
Nettokreditaufnahme von 99,7 Milliarden Euro
Im Vergleich zu dem Gesetzentwurf, den noch die Große Koalition in der vergangenen Wahlperiode eingebracht hatte (19/31500), der wegen der anstehenden Bundestagswahl aber nicht mehr beraten worden war, erhöhen sich die Ausgaben um 14,6 Milliarden Euro. Davon entfallen 50,8 Milliarden Euro auf Investitionen, im Entwurf der alten Regierung waren es 51,8 Milliarden gewesen. Die Steuereinnahmen werden auf 332,5 Milliarden Euro veranschlagt, die alte Regierung hatte dafür 315,2 Milliarden Euro angesetzt. Identisch in beiden Entwürfen ist die Nettokreditaufnahme, also die Neuverschuldung, mit 99,7 Milliarden Euro.
In den Bundeshaushalt des Vorjahres 2021 mit seinen beiden Nachtragshaushalten waren demgegenüber Ausgaben von 572,73 Milliarden Euro eingestellt, davon 59,3 Milliarden Euro Investitionen, Steuereinnahmen von 284 Milliarden Euro und eine Nettokreditaufnahme von 240,2 Milliarden Euro. Laut vorläufigem Haushaltsabschluss 2021 fielen tatsächlich Ausgaben von 556,62 Milliarden Euro bei einer Nettokreditaufnahme von 215,38 Milliarden Euro und Steuereinnahmen von 313,55 Milliarden Euro an. Als Investitionen sind 45,78 Milliarden Euro ausgewiesen.
Sondervermögen „Bundeswehr“ und Ergänzungshaushalt
Neu ist, dass die Bundesregierung ein im Grundgesetz zu verankerndes Sondervermögen „Bundeswehr“ errichten und mit einer Kreditermächtigung in Höhe von 100 Milliarden Euro ausstatten will, um in den kommenden Jahren die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Zusammen mit dem Aufwuchs im regulären Verteidigungsetat sollen damit die Verteidigungsausgaben ansteigen, ohne dass das Ziel verfehlt wird, die reguläre Kreditobergrenze nach der Schuldenregel des Grundgesetzes („Schuldenbremse“) von 2023 an wieder einzuhalten.
Darüber hinaus plant die Bundesregierung derzeit ein zusätzliches Programm, um vor allem die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine abzufedern und ihre humanitären Anstrengungen in dessen Folge zu verstärken. Sie hat dazu einen Ergänzungshaushalt angekündigt, der zusammen mit dem Haushaltsgesetz 2022 beraten werden soll.
Finanzplan des Bundes 2021 bis 2025
Zusammen mit dem Haushaltsgesetz 2022 wird auch der Finanzplan des Bundes 2021 bis 2025 (19/31501) beraten, den noch die vorige Bundesregierung im August 2021 vorgelegt hatte. Vorgesehen sind danach für 2023 Ausgaben von 403,4 Milliarden Euro, für 2024 von 407,6 Milliarden Euro und für 2025 von 408,3 Milliarden Euro. Der Investitionsanteil wird für 2023 mit 50,9 Milliarden Euro sowie für 2024 und 2025 mit jeweils 50,8 Milliarden Euro angegeben.
Die Steuereinnahmen sollen 2023 332,9 Milliarden Euro, 2024 346,4 Milliarden Euro und 2025 359,2 Milliarden Euro betragen. Als Nettokreditaufnahme werden laut Finanzplan für 2023 5,4 Milliarden Euro, für 2024 zwölf Milliarden Euro und für 2025 11,8 Milliarden Euro anvisiert. Die mit dem Haushaltsentwurf vom aktuellen Kabinett beschlossenen Eckwerte der Finanzplanung bis 2026 sehen demgegenüber höhere Ausgaben vor: 2023 sollen beispielsweise 412,7 Milliarden Euro ausgegeben werden - bei einer Nettokreditaufnahme von 7,5 Milliarden Euro und Steuereinnahmen von 350 Milliarden Euro. Bis 2026 sollen die Ausgaben den Eckwerten zufolge auf 423,1 Milliarden Euro steigen – bei einer Nettokreditaufnahme von 13,7 Milliarden Euro und Steuereinnahmen von 390,8 Milliarden Euro. (vom/scr/irs/22.03.2022)