Bundeskanzler Olaf Scholz sichert Ukraine weitere Unterstützung zu
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine in seiner Regierungserklärung anlässlich des EU-Sondergipfels zum Ukraine-Krieg am 30. und 31. Mai 2022 weitere Unterstützung zugesichert. „Uns alle eint ein Ziel: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die Ukraine muss bestehen“, betonte er am Donnerstag, 19. Mai 2022, in seiner rund 20-minütigen Rede im Bundestag. Die Bundesregierung werde dem Land weiterhin auch militärisch den Rücken stärken, „überlegt, abgewogen und international eng abgestimmt“. Deutsche Alleingänge werde es nicht geben, die Bundesregierung auch nichts unternehmen, was die Nato zur Kriegspartei werden lasse, versicherte er.
Zugleich setzte Scholz sich dafür ein, den Blick bereits auf die Zeit nach dem Krieg zu richten. Konkret sprach er sich für den Aufbau eines europäischen Solidaritätsfonds zum Wiederaufbau der Ukraine aus, der sich aus Beiträgen der EU und der internationalen Partner speisen und für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und die Wiederbelebung der ukrainischen Wirtschaft verwendet werden soll. All das werde laut Scholz „Milliarden kosten“. Zu einem EU-Beitritt der Ukraine sagte der Bundeskanzler, es gebe „keine Abkürzung auf dem Weg in die EU“, der Beitrittsprozess sei keine Sache „von ein paar Monaten oder einigen Jahren“. Wichtig sei es, die Ukraine jetzt schnell und pragmatisch zu unterstützen.
Scholz zuversichtlich für Einigung beim Sondervermögen
Mit Blick auf die Einrichtung des von ihm Ende Februar angekündigten Sondervermögens in Höhe von 100-Milliarden-Euro für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr zeigte Scholz sich zuversichtlich, dass es darüber bald eine Einigung gibt. „Wir sind dazu in guten Gesprächen, auch mit Ihrer Partei, lieber Herr Merz, um das Sondervermögen fest im Grundgesetz zu verankern. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagte der SPD-Politiker direkt an Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU/CSU) gewandt.
Die Ampel-Regierung ist für die Grundgesetzänderung, die für die Einrichtung des Sondervermögens nötig ist, auf Stimmen aus der Union angewiesen. „Das Sondervermögen garantiert die Freiheit und Sicherheit unseres Landes in dieser Zeit“, betonte Scholz. Zudem sei es eine klare Botschaft an Freunde und Verbündete: „Ja, wir meinen es ernst, wenn wir von Beistandspflicht und kollektiver Verteidigung reden.“
CDU/CSU kritisiert „doppeltes Spiel“
Merz sagte der Ukraine in der anschließenden Generalaussprache ebenfalls weitere „humanitäre und finanzielle Hilfe, aber auch Waffenlieferungen“ zu. Scholz warf er im Zusammenhang mit der Lieferung schwerer Waffen allerdings ein „doppeltes Spiel“ vor. Der Kanzler erwecke den Eindruck, als ob Waffenlieferungen stattfänden, aber die Wahrheit sei, „dass aus Deutschland in den letzten Wochen so gut wie nichts an Waffen geliefert worden ist“. Auch deutsche Rüstungsunternehmen beklagten seit Wochen, dass sie keine Exportgenehmigung bekommen würden.
Zum Sondervermögen sagte der CDU-Parteichef, gut seien die Gespräche mit der Ampelkoalition bisher nur in der Hinsicht, dass die CDU/CSU die einzige Fraktion sei, die dem Kanzler beim Sondervermögen und beim Einhalten des Zwei-Prozent-Zieles der Nato uneingeschränkt folge. Die Union fordert, dass die 100 Milliarden Euro voll umfänglich den Streitkräften zugutekommen und das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, dauerhaft eingehalten wird. Das Zwei-Prozent-Ziel soll nach dem Willen der Union aber nicht im Grundgesetz festgeschrieben werden.
Ursprünglich war vorgesehen, dass sich der Bundestag diese Woche mit dem Sondervermögen befasst, damit die Grundgesetzänderung und die Errichtung des Sondervermögens vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden kann.
Grüne drängen auf Vorantreiben der Energiewende
Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katharina Dröge, drängte im Bundestag auf die geplanten weiteren EU-Sanktionen gegen Russland. Deutschland und die EU müssten dem Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin „gemeinsam ein Stoppzeichen entgegensetzen“. Neben dem Schritt, weitere russische Banken vom internationalen Finanzsystem abzukoppeln, warb sie für die Einigung auf ein Öl-Embargo im sechsten Sanktionspaket, über das in der EU gerade verhandelt wird. Das Ende der Energieimporte sei „das stärkste Instrument, das wir Russland entgegensetzen können“.
Zugleich drängte die Grünen-Abgeordnete auf ein Vorantreiben der Energiewende. Deutschland und die EU müssten jetzt gemeinsam in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren, damit Europa „nie wieder so abhängig von fossilen Energien aus Russland“ wird wie heute. Wie viele andere Redner in der Debatte begrüßte Dröge den geplanten Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands und die Stärkung der Bundeswehr durch das Sondervermögen.
FDP und SPD: Embargo gegen russisches Öl
Für die FDP warnte deren Fraktionsvorsitzender Christian Dürr: „Wir dürfen uns an die Bilder aus der Ukraine nicht gewöhnen.“ Die Menschen in der Ukraine kämpften für ein Danach in Freiheit und Wohlstand, „dabei unterstützen wir sie“. Dürr nannte es richtig, dem Land eine europäische Perspektive aufzuzeigen.
Außerdem sprach er sich für stärkere Beiträge Deutschlands für die weltweite Ernährungssicherung und eine schnelle Umsetzung eines Embargos gegen russisches Öl aus. Auch Achim Post (SPD) sagte, zu einem Öl-Embargo gebe es „wenig Alternativen“.
AfD nennt Sanktionspakete „kontraproduktiv“
Die Fraktionsvorsitzende der AfD, Dr. Alice Weidel, nannte die EU-Sanktionspakete gegen Russland hingegen „kontraproduktiv“. Sie schadeten deutschen Bürgern und Unternehmen mehr als Russland. Ein Öl- und Gasembargo gegen Russland wäre „vollends ruinös“, da es bisher keinen tragfähigen Ersatz für die ausfallenden Lieferungen gebe.
Weidel rief den Kanzler auf, die Waffenlieferungen zu stoppen und stattdessen den Verhandlungsweg zu gehen. Russland dürfe als Atommacht nicht in eine ausweglose Lage gedrängt werden. „Der Krieg in der Ukraine ist nicht unser Krieg“, sagte Weidel. „Wir dürfen uns von Parolen, Propaganda und Emotionen nicht fortreißen lassen, sondern müssen unsere eigenen Interessen vertreten. Und die sind: Waffenstillstand und Frieden.“
Linke warnt vor Ausweitung des Krieges
Auch Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, sprach sich für mehr Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges aus. Es sei hochgefährlich zu glauben, „dass man Russland mit militärischen Mitteln in die Knie zwingen kann“. Die Alternative zu diplomatischen Lösungen sei „ein immer länger dauernder Krieg mit immer mehr Toten. Es ist die wachsende Gefahr einer Ausweitung des Krieges, eines dritten Weltkrieges“, warnte Mohamed Ali.
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) warf sie vor, nicht genügend Anstrengungen für diplomatische Lösungen zu unternehmen. Wie Weidel forderte die Linken-Abgeordnete mehr Unterstützung für die Menschen in Deutschland, die unter den Folgen des Krieges wie hoher Inflation und steigenden Energiepreisen, am meisten leiden. Die Bundesregierung müsse hierfür viel Geld in die Hand nehmen, anstatt es in ein „sinnloses Vermögen“ für die Bundeswehr zu investieren. (joh/19.05.2022)