Der Pflegeberuf soll attraktiver werden
Die teilweise schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen nach Ansicht von Fachpolitikern nachhaltig verbessert werden. In einer Debatte über die Pflegeversorgung machten Redner am Donnerstag, 12. Mai 2022, im Bundestag auf die Diskrepanz zwischen der großen Fachkräftelücke einerseits und der zunehmenden Zahl an Pflegefällen sowie dem schwierigen Arbeitsalltag der Pflegekräfte andererseits aufmerksam. In der Aussprache am internationalen „Tag der Pflegenden“ ging es konkret um zwei Anträge der Linksfraktion für eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege (20/1729) sowie für die zeitnahe Einführung der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) (20/1731). Beide Vorlagen wurden im Anschluss an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.
Linke: Die Fehler liegen im System
Ates Gürpinar (Die Linke) sprach von teilweise unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, darüber werde vielfach berichtet. Viele Pflegekräfte könnten trotz eines übermenschlichem Einsatzes nachts oft nicht einschlafen und machten sich Vorwürfe. Die Fehler lägen aber nicht bei den Fachkräften, sondern im System. Die Verantwortlichen hätten zu lange nichts getan, um die Lage zu verbessern.
Nun treffe es die Schwächsten der Gesellschaft, die Alten und Kranken, sagte der Linke-Politiker und fügte hinzu: „Sie sterben und siechen vor sich hin in einem der reichsten Länder der Erde.“ Gürpinar forderte grundlegende Änderungen in der Pflege. Er zeigte sich überzeugt, dass viele Pfleger, die den Beruf verlassen hätten, wieder zurückkommen würden, wenn der Stress nicht so groß wäre.
AfD: Attraktivität steigern durch Abbau der Bürokratie
Martin Sichert (AfD) warf der Bunderegierung langfristiges Versagen in der Gesundheitspolitik vor. Während die Ausgaben für die Gesundheit ständig weiter anstiegen, werde die Gesundheitsversorgung immer schlechter, die Krankenversicherung dafür immer teuer. Die echten Probleme im Gesundheitswesen würden ignoriert, das sei eine Katastrophe.
So werde in der Pflege mehr als die Hälfte der Arbeitszeit für Bürokratie aufgewendet. „Wenn wir den Beruf attraktiv machen wollen, müssen wir Bürokratie abbauen.“ In der Pflege würden dringend bessere Arbeitsbedingungen gebraucht. In dem Zusammenhang müsse auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht sofort aufgehoben werden.
SPD: Gute Arbeitsbedingungen noch lange nicht geschafft
Wie mehrere andere Redner auch, würdigte Andreas Philippi (SPD) am „Tag der Pflegenden“ die Leistungsbereitschaft der Fachkräfte in den Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie in der häuslichen Pflege. Er erinnerte daran, dass es um die Arbeitsbedingungen von fast zwei Millionen Pflegenden in Deutschland gehe. „Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, das ist noch lange nicht geschafft.“
Auch Philippi erwähnte den Dokumentationsaufwand, der neben der eigentlichen Pflege von den Fachkräften geleistet werden müsse, sowie die Herausforderungen durch die reformierte Fachausbildung. Er betonte: „Professionelle und ehrenamtliche Pflegende sind systemrelevant.“ Der Koalitionsvertrag sei im Bereich Pflege ambitioniert. Mit guter und fairer Arbeit könnten Pflegekräfte zurückgewonnen werden.
Rolle der großen Kirchen in der Sozial- und Pflegearbeit
In der Debatte würdigten mehrere Abgeordnete die herausragende Rolle der großen Kirchen in der Sozial- und Pflegearbeit und wandten sich entschieden gegen den Eindruck, dass die Kirchen versuchten, die Löhne zu drücken. In dem einen Antrag der Linksfraktion heißt es, mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz sei versucht worden, per Tarifvertrag eingeführte Mindeststandards nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz über eine Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich zu erklären.
Dies sei wegen der Sonderstellung der Kirchen fehlgeschlagen. Ihnen sei in letzter Konsequenz ermöglicht worden, die allgemeinverbindliche Erstreckung der Tarifnormen eines Tarifvertrags zu verhindern. Die Abgeordneten fordern in dem Antrag, das faktische Vetorecht der kirchlichen Arbeitgeber abzuschaffen.
CDU/CSU: Kirchen sind Bollwerk gegen Niedriglöhne
Diana Stöcker (CDU/CSU) sprach von einer Verdrehung der Tatsachen und betonte, kirchliche Arbeitgeber hätten immer schon eine große Tarifbindung gezeigt und verhinderten nicht, das gut bezahlt werde. Die Kirchen hätten im Gegenteil ein gutes Lohnniveau, dies sei ein Bollwerk gegen Niedriglöhne. Wünschenswert wäre, wenn alle Arbeitgeber in der Pflege dieses Niveau zahlen würden.
Es sei im Übrigen schon lange nicht mehr die Vergütung, die zur Abwanderung in der Pflege führe. Wichtiger seien die Arbeitsbedingungen und eine verbindliche Personalbemessung in der Pflege. Es gehe um Zeitdruck, Bürokratisierung und mangelnde Wertschätzung in dem Beruf. Einig seien sich alle, dass es einen großen Mangel an Fachkräften in der Pflege gebe.
Grüne: Wir sind Pflegekräften Reformen schuldig
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass die Pflegekräfte auch vor der Corona-Pandemie schon Herausragendes geleistet hätten. „Wir sind ihnen Reformen schuldig, um gute Pflege zu garantieren.“ Wesentlich sei die Aufwertung der professionellen Pflege. Es gehe um eine gute Bezahlung und um gute Arbeitsbedingungen.
Das Ziel sei, gemeinsam mit den Kirchen einen Weg finden. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sei eine große Herausforderung: „Wir brauchen mehr Menschen, die bereit sind, in diesen Beruf zu gehen.“ Pflegende müssten eigenverantwortlich arbeiten dürfen und in den Entscheidungsgremien angemessen vertreten sein.
FDP für zügige Einführung der PPR 2.0
Auch Nicole Westig (FDP) sagte, die Politik stehe in der Pflicht, die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig zu verbessern und nannte als Beispiel die zügige Einführung der PPR 2.0. Die jetzigen Personaluntergrenzen seien ungeeignet, sie zeigten nur an, ab wann es kritisch werde.
Untergrenzen seien zu Obergrenzen geworden. Sie betonte, die PPR 2.0 sei ein lernendes System und sollte zusammen mit den Pflegenden beurteilt und angepasst werden. „Gute Gesundheitsversorgung gelingt nur im Team.“
Erster Antrag der Linksfraktion
Die Linksfraktion fordert eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege. Neben der hohen Arbeitsbelastung seien die niedrigen Löhne in allen Bereichen der Pflege und den nichtärztlichen Gesundheitsberufen ein Problem, heißt es in einem Antrag (20/1729) der Fraktion. Schon jetzt könnten offene Stellen in der Pflege über Monate nicht besetzt werden. Besonders auffällig sei die Lohnlücke zwischen der Langzeit- und Krankenpflege mit Blick auf die ersten generalistisch ausgebildeten Pflegefachkräfte, die 2023 ihre Ausbildung beenden. Fachkräfte in der Altenpflege würden deutlich schlechter bezahlt als ihre Kollegen in der Krankenpflege. Somit sei zu erwarten, dass sich nur noch wenige Absolventen für einen Beruf in der Langzeitpflege entschieden.
Mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz sei versucht worden, per Tarifvertrag eingeführte Mindeststandards nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz über eine Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich zu erklären. Dies sei wegen der Sonderstellung der Kirchen fehlgeschlagen. Ihnen sei in letzter Konsequenz ermöglicht worden, die allgemeinverbindliche Erstreckung der Tarifnormen eines Tarifvertrags zu verhindern. Die Abgeordneten fordern in dem Antrag, das faktische Vetorecht der kirchlichen Arbeitgeber abzuschaffen und so den Weg für die Erstreckung tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung in der Pflege freizumachen. Um zu verhindern, dass steigende Personalkosten zu höheren Eigenanteilen führen, sollte ein Einstieg in die solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung vollzogen werden.
Zweiter Antrag der Linksfraktion
Die Linksfraktion fordert die zeitnahe Einführung der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0), wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Die PPR 2.0 sei von der Gewerkschaft Verdi, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelt worden und stelle eine deutliche Verbesserung gegenüber den derzeit geltenden Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) dar, heißt es in einem Antrag (20/1731) der Fraktion.
Die PPR 2.0 als Verfahren zur bundesweit einheitlichen Personalbedarfsermittlung in Krankenhäusern sei unmittelbar einsatzfähig und bilde den tatsächlichen pflegerischen Bedarf der Patienten ab. Die Abgeordneten fordern ferner, die von der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD) entwickelte Personalbedarfsermittlung im Bereich der Pädiatrien umzusetzen. Zudem solle die Personalbedarfsermittlung Inpuls im Bereich der Intensivstationen umgesetzt werden. (pk/12.05.2022)