Zeit:
Mittwoch, 27. April 2022,
15.15
bis 16.15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300
Gesundheitsexperten befürworten im Grundsatz den geplanten Corona-Bonus für Pflegekräfte, fordern aber mehr Verteilungsgerechtigkeit und eine nachhaltige Aufwertung der Pflegeberufe. Kritisiert wird, dass viele Gesundheits- und Pflegefachkräfte, die in der Corona-Pandemie eine wichtige Arbeit leisten, bei der Sonderzahlung unberücksichtigt bleiben. Die Experten äußerten sich am Mittwoch, 27. April 2022, in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Der Gesetzentwurf (20/1331) der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht einen Corona-Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vor. Insgesamt stehen für den Pflegebonus eine Milliarde Euro bereit. Es sollen 500 Millionen Euro für Prämienzahlungen in Krankenhäusern verwendet werden und weitere 500 Millionen Euro für einen Bonus in der Langzeitpflege.
Krankenhäuser, die 2021 besonders viele Corona-Patienten behandelt haben, die beatmet werden mussten, sollen Mittel für Prämienzahlungen erhalten. Die Mittel sollen Pflegekräften in der unmittelbaren Patientenversorgung zugutekommen. Ferner sollen den Bonus Beschäftigte in der Alten- und Langzeitpflege erhalten, die im Bemessungszeitraum vom 1. November 2020 bis 30. Juni 2022 für mindestens drei Monate tätig waren und am 30. Juni 2022 noch beschäftigt sind. Die nach Qualifikation, Arbeitszeit und Nähe zur Versorgung gestaffelte Prämie soll bis zu 550 Euro betragen.
Die Unionsfraktion fordert in einem Antrag (20/1014) einen Corona-Bonus von mindestens 500 Euro für Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte (MFA/ZFA) sowie für Mitarbeiter im Rettungsdienst.
DKG: Zeichen der Dankbarkeit und Wertschätzung
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) befürwortete die Intention, dass den Beschäftigten in Kliniken mit dem Bonus ein Zeichen der Dankbarkeit und Wertschätzung zukommen solle. Allerdings reichten die Mittel bei weitem nicht aus und müssten deutlich aufgestockt werden. Problematisch sei die Abgrenzung der prämienberechtigen Mitarbeiter und anspruchsberechtigten Krankenhäuser.
So würden durch die Anspruchsvoraussetzungen ein großer Teil der Kliniken und damit ein erheblicher Teil des Pflegepersonals von der Prämie ausgeschlossen. Nach Ansicht der DKG sollten alle patientennahen Berufsgruppen im Krankenhaus von der Prämie profitieren können. In der jetzigen Form führe der Bonus zu Abgrenzungsproblemen und Ungleichbehandlungen und drohe die verschiedenen Berufsgruppen zu spalten.
Caritas fordert bessere Arbeitsbedingungen
Auch der Deutsche Caritasverband begrüßte die Intention des Gesetzentwurfs und erinnerte an die Arbeit von Pflegekräften unter erschwerten Arbeitsbedingungen in der Pandemie. In der Pflege würden bessere Arbeitsbedingungen gebraucht, eine fundierte Pflegepersonalbemessung, die eigenverantwortliche Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten sowie eine faire, angemessene Bezahlung. Der Bonus selbst sei jedoch Ausdruck einer ad-hoc-Politik, der viele Fragen aufwerfe, Unsicherheiten schaffe und Unzufriedenheit schüre.
Zu den offenen Fragen gehöre, warum Pflegekräfte in der Langzeitpflege einen geringeren Bonus als Pflegefachkräfte im Krankenhaus bekämen und warum Beschäftigen in der Eingliederungshilfe, der Kinder- und Jugendhilfe sowie der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation keine Prämie gewährt werde. Zudem führe das Auswahlkriterium der Beatmungsstunden dazu, dass Pflegekräfte in Kinderkrankenhäusern faktisch ausgeschlossen würden, gab die Caritas zu bedenken.
Pflegerat warnt vor Unmut
Auch der Deutsche Pflegerat (DPR) warnte vor möglichem Unmut unter Pflegekräften. Schon die Bonus-Regelung von 2020 sei von vielen Pflegekräften als ungerecht empfunden worden. Bei all den Pflegenden, die nun den Bonus aufgrund der definierten Kriterien nicht bekämen, sei zu befürchten, dass sie sich und ihre Arbeit missachtet fühlten. Der Bonus sei ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Der Pflegeberuf müsse an allen Arbeitsbereichen dauerhaft attraktiver werden. Dazu gehörten höhere Löhne und ein wesentlich höherer finanzieller Ausgleich für unattraktive Arbeitszeiten. Der DPR regte an, auch für Leiharbeitskräfte einen Bonus vorzusehen.
Ausdehnung der Prämie
Der Verband medizinischer Fachberufe (vmf) forderte eine Ausdehnung der Prämie auf Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte, die seit der Pandemie zentrale Aufgaben bei der Betreuung und Behandlung der Covid-Patienten übernähmen. Insbesondere die Medizinischen Fachangestellten seien in der Pandemie Garant für den Schutzwall vor den Kliniken. Diese Arbeit sei in der Coronakrise noch nie honoriert worden.
Der Arbeitgeberverband BDA erklärte, es sei zu begrüßen, dass der Bund bei der Pflegeprämie den Bundeshaushalt zur Finanzierung heranziehe und nicht die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) belaste. Auch sei es richtig, den Verteilungsmechanismus so auszurichten, dass die in der Pandemie besonders belasteten Pflegekräfte berücksichtigt würden. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz müssten jedoch bei der Auszahlung der Prämie für die Krankenpflege auch Zeitarbeitskräfte mit einbezogen werden.
Pfleger sieht Kluft zwischen Theorie und Praxis
Der Pfleger Werner Möller kritisierte in der Anhörung die aus seiner Sicht wirklichkeitsfremde Gesundheitspolitik. Es gebe eine große Kluft zwischen Theorie und Praxis. Die Probleme in der Pflege seien schon viel älter als die Corona-Pandemie.
Der Bonus werde von den Fachkräften gerne mitgenommen, wichtiger wäre aber eine grundsätzliche Aufwertung des Berufsstandes. (pk/27.04.2022)