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Michael Link: EU muss Ukraine Signal einer offenen Tür senden

Michael Georg Link (FDP) vor einem Mikrofon.

Michael Georg Link (FDP) ist Mitglied der Delegation der Bundestagsabgeordneten zur Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE PV). (© picture alliance/KEYSTONE | ANTHONY ANEX)

Die EU muss der von Russland angegriffenen Ukraine das „Signal einer offenen Tür für eine schrittweise immer engere Zusammenarbeit senden“, so Michael Georg Link (FDP), Mitglied der Delegation der Bundestagsabgeordneten zur Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE PV), deren Frühjahrstagung am 24. und 25. Februar 2022 in Wien stattfand.

Leider seien die Versuche der OSZE-Parlamentarier, mit der russischen Delegation in einen Dialog zu kommen, gescheitert. Der Konfrontationskurs des Kreml habe aber eine Schlüsselrolle nicht nur in der Generaldebatte, sondern auch im Standing Committee sowie in allen drei Ständigen Ausschüssen der Versammlung eingenommen, berichtet Link im Interview. „Die überwältigende Verurteilung der russischen Aggressionen“ in allen Gremien „war ein klares Zeichen der internationalen Solidarität mit der Ukraine.“ Das Interview im Wortlaut:

Herr Link, wo ist eigentlich die OSZE im Russland-Ukraine-Konflikt? Gibt es Bemühungen seitens der Parlamentarier, die OSZE zurück ins Spiel zu bringen als Vermittler? 

Die OSZE hat seit Beginn des Konflikts, der inzwischen zu einem russischen Krieg gegen die Ukraine geworden ist, immer wieder die Bereitschaft kundgetan, als Plattform für eine Lösung zur Verfügung zu stehen. Besonders die Beobachtungsmission der OSZE in der Ukraine sei hier genannt und all die anderen Instrumente der OSZE zur Vertrauensbildung. Vermittlungen führen aber nur zum Ziel, wenn beide Seiten sich auf diese Vermittlungen einlassen. Ich glaube, wir alle sehen momentan sehr genau, dass Putin überhaupt kein Interesse an einer Vermittlung hat und es in den vergangenen Monaten auch nie hatte, sondern diesen Krieg gegen die Ukraine planvoll vom Zaun gebrochen hat.

Was ist von der russischen Delegation zu hören?

Auch in Wien haben wir wieder den Dialog mit der russischen Delegation gesucht. Vergeblich, denn statt eines seriösen Austauschs hörten wir feindselige Statements aus der Duma-Delegation. Ein Dialog ergibt nur Sinn, wenn die russische Seite ebenfalls ein Interesse an ergebnisorientierten Gesprächen hat. Der Versuch eines Dialogs mit den Abgeordneten der russischen Duma-Delegation, die wie willig gesteuerte Marionetten jedes Argument Putins wiederholen und die nicht durch freie Wahlen legitimiert, sondern vom Regime handverlesen wurden, macht leider wenig Sinn. Die Statements der russischen Delegation in Wien, die von Falschinformationen, Geschichtsverdrehungen und absurden Behauptungen – etwa, dass die Ukraine ein von Nazis durchsetztes Land ist – durchzogen waren, sind nicht die Grundlage, auf der ernsthafte Gespräche geführt werden können. Dennoch stehen wir stets für Gespräche bereit, allerdings ohne jedwede Naivität oder Illusion.

Der Konflikt um die Ukraine war Thema bei der Generaldebatte. Wie wurde die Krise dort behandelt?

Als die Agenda des Wintermeetings der OSZE PV erstellt wurde, war selbstverständlich schon absehbar, dass die russische Aggression gegen die Ukraine eine zentrale Rolle in der Generaldebatte einnehmen wird. Die wenigsten meiner Kolleginnen und Kollegen in der parlamentarischen Versammlung der OSZE haben sich jedoch vorstellen können, wie brutal diese Aggression tatsächlich wurde. Verständlicherweise hat dieses Thema eine Schlüsselrolle nicht nur in der Generaldebatte, sondern auch im Standing Committee sowie in allen drei Ständigen Ausschüssen eingenommen. Wir sind unbestreitbar mit der größten Krise dieses Jahrhunderts konfrontiert. Die überwältigende Verurteilung der russischen Aggressionen war ein klares Zeichen der internationalen Solidarität mit der Ukraine.

Die russische Regierung unterstreicht immer wieder ihre Sicherheitsinteressen gegenüber dem Westen, als würden vor allem russische Sicherheitsinteressen verletzt. Wo liegen unsere Sicherheitsinteressen? Und welche Bedeutung hat darin die Ukraine?

Wenn man Putins Ansprache genau zuhört, merkt man, dass die Furcht vor einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nur ein Teil seiner Überlegungen ist. Was er genauso fürchtet ist eine Ukraine, die sich weiter der EU zuwendet und damit für die russische Bevölkerung zu einem Gegenbeispiel zum despotischen Regime Putins wird – und das direkt vor seiner Haustür. EU und Nato bedrohen nicht Russland, sie sind aber eine Gefahr für Putins immer diktatorischeres Regime. Denn sie bieten den russischen Bürgerinnen und Bürgern ein alternatives Gesellschaftsmodell an, geprägt von Demokratie, Rechtsstaat und Pluralismus. Wenn die Bevölkerungen der Ukraine, aber auch der Republik Moldau, Belarus‘ und Georgiens diesen Weg einschlagen wollen, dann ist das nicht nur ihr gutes Recht, sondern verdient unseren vollen Respekt und damit auch das Signal einer offenen Tür der EU für eine schrittweise immer engere Zusammenarbeit.

Sie sind stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Demokratie, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der OSZE PV. In der Sitzung vergangene Woche haben Sie sich mit der Rolle des Journalismus als Bedingung für Recht und Gesetz befasst. Wo im OSZE-Raum ist der Journalismus besonders in Bedrängnis?

Die Verschlechterung der Lage der journalistischen Freiheiten im OSZE-Raum ist nichts Neues. Viele Journalistinnen und Journalisten werden tätlich angegangen, wenn sie ihre Arbeit ausüben wollen – sei es von gewaltbereiten Einzelpersonen, die eine Berichterstattung verhindern wollen oder von staatlichen Stellen. Das Regime Putin ist hier ein trauriges Beispiel. Die Gastrede des Nobelpreisträgers und Chefredakteurs der Novaya Gazeta, Dmitry Andreyevich Muratov war ein sehr eindrückliches Zeugnis davon. Wie wichtig eine unabhängige und freie Presse ist, sehen wir auch im jetzigen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine. Er zensiert was das Zeug hält, damit die russischen Bürgerinnen und Bürger bloß keine ungefilterten Nachrichten erhalten können. Eine freie und informierte russische Öffentlichkeit wäre das Ende seiner Macht.

Was wollen die OSZE-Parlamentarier tun, um ein ungehindertes Arbeiten der sogenannten vierten Gewalt in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten?

Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben die Pflicht, unseren Einfluss und unsere Position dafür zu nutzen, uns unermüdlich sowohl gegen Fake-News als auch gegen politische Einflussnahme auf Journalistinnen und Journalisten einzusetzen. Wir werden die Schikanierung von Journalisten entschlossen bekämpfen, zusammen mit der OSZE-Medienbeauftragten Teresa Ribeiro.

(ll/01.03.2022)

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