Aspekte der künftigen Rechtspolitik erörtert
Über die Vorhaben der Bundesregierung auf dem Feld der Justizpolitik in der neuen Legislaturperiode debattierte der Bundestag am Mittwoch, 12. Januar 2022, im Rahmen einer verbundenen Debatte.
Minister: Unbegründete Beschränkungen werden fallen
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) ging zu Beginn seiner Rede auf den Wert der Freiheit ein, den es auch unter erschwerten Bedingungen wie der Corona-Pandemie zu schützen gelte. Das Justizministerium werde immer ein Ministerium des Rechtsstaates und ein Ministerium der Freiheit sein. Buschmann erklärte: „Wenn es Beschränkungen gibt, die heute nötig, aber morgen unbegründet sind, dann müssen sie in Zukunft fallen. Das Versprechen möchte ich hier abgeben.“
Gesellschaftlicher Fortschritt und Freiheit gehörten untrennbar zusammen, sagte Buschmann. Freiheit heiße aber nicht Anarchie. Es gelte jetzt, die Bürgerrechte zu stärken – beispielsweise durch Streichung der Vorratsdatenspeicherung –, die Gesellschaft zu modernisieren – etwa durch das neue Instrument der Verantwortungsgemeinschaft – und das Strafrecht auf den Prüfstand zu stellen. Der umstrittene Paragraf 219a des Strafgesetzbuches, der das Verbot der Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch regelt, „wird fallen“, sagte Buschmann.
CDU/CSU: Regierung flüchtet sich in Gruppenanträge
Auf Kritik stießen die Vorhaben bei der CDU/CSU-Fraktion. Andrea Lindholz warf Buschmann unter anderem vor, nichts zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gesagt zu haben. Zu den Themen Impfregister und Impfpflicht sei nichts zu hören gewesen, die Bundesregierung spiele bei der Bewältigung der Corona-Krise auf Zeit. Sie habe keine einheitliche Linie und flüchte sich stattdessen in Gruppenanträge.
Auch andere Schwerpunktsetzungen könne sie nicht nachvollziehen. Dazu zähle die Verantwortungsgemeinschaft im Familienrecht und die Streichung von Paragraf 219a. Kein Verständnis habe sie auch dafür, das Gesetz zur Wiederaufnahme von Strafverfahren einzukassieren und die Vorratsdatenspeicherung – eines der zentralen Mittel im Kampf gegen Kindesmissbrauch – abzuschaffen. Die geplante Reform des Abstammungsrechts könne Ehe und Familie schwächen und werde nicht gebraucht, sagte Lindholz.
SPD: Den Pakt für den Rechtsstaat fortsetzen
Dirk Wiese (SPD) betonte, der Vertrag der Ampelkoalition mache gerade in der Rechtspolitik Fortschritt möglich. Diesen Fortschritt voranzubringen, sei das gemeinsame Ziel. Der „beschwerliche Rucksack des Rückschritts“, der bei einigen rechtspolitischen Themen vorhanden gewesen sei, werde der neuen Regierung nicht mehr in die Quere kommen. Die Regierung habe schon einiges vorangebracht, sagte Wiese mit Blick auf das Infektionsschutzgesetz. Jetzt werde man sich im Bundestag der Debatte über eine Impfpflicht stellen.
Dies seien keine einfachen Fragen, die man von heute auf morgen klären könne. Deswegen werde eine gründliche und eine breite gesellschaftliche Diskussion ermöglicht werden. Die CDU/CSU sei eingeladen, sich konstruktiv in die Erstellung der Gruppenanträge einzubringen. Wichtig sei auch, den Pakt für den Rechtsstaat fortzusetzen, den Mieterschutz zu verbessern und die Kinderrechte ins Grundgesetz zu schreiben.
AfD: Größte Bedrohung der Freiheit geht vom Staat aus
Thomas Seitz (AfD) warf der Bundesregierung vor, mit ihrer Politik die Freiheit der Bürger zu beschränken. Das Justizministerium unterstehe einer Partei, die viel von Freiheit schwadroniere, sich aber längst dem Staat verschrieben habe. Die größte Bedrohung der Freiheit der Bürger gehe immer vom Staat aus.
So werde die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Bürger, die ihren Protest gegen Impfpflichten kundtun, könnten dies nicht ohne Angst vor Repressalien tun. Verbote seien unverhältnismäßig, Spaziergänger seien keine Gefahr für den Rechtsstaat. Deren Kriminalisierung sei Unrecht.
Grüne: Kampf gegen Kindesmissbrauch verstärken
Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass das Recht zum Fundament einer freiheitlichen Demokratie gehöre. Das Recht begrenze gerade die Macht des Staates, in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen. Deswegen werde es ein Zeichen der Stärke des Rechtsstaates sein, wenn die Ampelkoalition endlich die zahlreichen Eingriffe, die die Sicherheitsgesetze in den vergangenen Jahren ermöglicht haben, auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt. Damit werde auch die anlasslose Vorratsdatenspeicherung der Vergangenheit angehören.
Der Rechtsstaat werde auch gestärkt, wenn das Strafrecht von Ballast befreit und auf seinen Kern begrenzt werde. Im Bereich der Unterstützung der Tatopfer bestehe jedoch weiterhin Verbesserungsbedarf. Die Koalition werde auch den Kampf gegen Kindesmissbrauch verstärken und das Familienrecht modernisieren. Eine Verantwortungsgemeinschaft sei im Interesse der Gesellschaft, sagte Limburg.
Linke: Überprüfung des Strafrechts sehr sinnvoll
Amira Mohamed Ali (Die Linke) sagte, die angekündigte Überprüfung des Strafrechts sei „sehr sinnvoll“. Einige Paragrafen seien nicht mehr zeitgemäß. Gebraucht würden allerdings Taten statt bloßer Ankündigungen. So liege die Cannabis-Legalisierung auf Eis.
Wichtig sei auch die Streichung eines ungerechten und überflüssigen Straftatbestands, nämlich des Fahrens ohne Fahrschein. Wer die Strafe nicht bezahlen könne, lande im Gefängnis. Dies sei sozial ungerecht, denn betroffen seien arme Menschen. Statt diese zu kriminalisieren, müsse Armut bekämpft werden. Die Abschaffung des Paragrafen 219a begrüßte die Rednerin. Dies müsse aber auch wirklich umgesetzt werden.
FDP: Bürgerrechte werden wieder großgeschrieben
Katrin Helling-Plahr (FDP) erklärte, die Zeit für Veränderungen sei jetzt gekommen. In der Ampelkoalition würden Bürgerrechte wieder großgeschrieben. Es würden nicht alle Bürgerinnen und Bürger einfach unter Generalverdacht gestellt und es würden Gesetze nicht einfach blind verschärft, sondern es werde genau hingeschaut, welche Maßnahmen überhaupt effektiv und tatsächlich notwendig sind. Dabei bleibe man grundrechtsschonend.
Worüber sich die Union unter anderem mokiere, heiße zeitgemäße Familienpolitik. Hier habe es lange Stillstand gegeben, sagte Helling-Plahr. Mit dem Ende der Regierungszeit der Union gelinge es nun endlich, die „Fesseln der Rückwärtsgewandtheit abzulegen“. Die Union klammere sich an gestern, die Gesellschaft sei längst weiter. (mwo/12.01.2022)