Enquete-Kommission Berufliche Bildung

Impulse für die berufliche Bildung der Zukunft

120 Sitzungen, sieben Projektgruppen, 38 Meinungen – der Bundestag hat nach drei Jahren Arbeit der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ über den Abschlussbericht des Gremiums (19/30950) beraten. Die Vorsitzende Antje Lezius (CDU/CSU) betonte in der Debatte am Mittwoch, 23. Juni 2021, dass Deutschland enorm von der beruflichen Bildung profitiere und daher alle ein Interesse daran haben müssen, diese zukunftsfester zu machen, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und die Teilhabe und Integration junger Menschen zu fördern. „Im Bericht zeigen wir Chancen für die berufliche Bildung, etwa, wie eigenverantwortlich lebensbegleitendes Lernen zur Normalität werden kann“, sagte Lezius.

CDU/CSU: Pakt für die berufliche Bildung empfohlen

Auch ein Pakt für die berufliche Bildung, eine verlässliche Finanzierung digitaler Lehr- und Lernausstattung und Infrastruktur gehöre zu den Empfehlungen des Gremiums. Der Bericht sei ein „Geschenk an die künftige Regierung, bitte nutzen Sie ihn“, plädierte Lezius.

Sie hatte den Vorsitz des Gremiums im Jahr 2020 von Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) übernommen, der in seiner Rede betonte, dass das große Verdienst der Kommission die Einbindung aller Akteure sei.

AfD: Digitale Lernprozesse stoßen an Grenzen

Für die AfD-Fraktion sagte Nicole Höchst, dass der weit überwiegende Teil des Berichts im „gemeinschaftlichen Konsens erstrittenen wurde“. Es gebe aber auch Dissens, der sich in den Sondervoten zeige. Die AfD sehe in der digitalen Zukunft den Menschen im Mittelpunkt, die Digitalisierung bleibe Mittel zu Zweck. Es seien immer noch die Persönlichkeiten, die Schüler förderten und forderten, Lehrer seien keine reinen Moderatoren.

Die Pandemie habe zudem gezeigt, dass digitale Lernprozesse, etwa mit dem Fernunterricht, an Grenzen stoßen. Höchst plädierte dafür, die Bildungsausgaben zu erhöhen, Deutschland dürfe nicht weiter einen Mangel verwalten.

SPD: Jedem Jugendlichen eine Ausbildungsgarantie geben

Yasmin Fahimi (SPD) nannte die berufliche Bildung in Deutschland einen der „wesentlichen Bausteine für einen erfolgreichen Umbau der Wirtschaft“. Die „schöne neue Arbeitswelt“ brauche einen neuen Ordnungsrahmen, in der die Digitalisierung nicht nur ein technischer Prozess sei, sondern eine Kulturrevolution. Es brauche dringend kontinuierliche Anpassungsprozesse, um nicht ein Passungsproblem zu bekommen.

Fahimi betonte auch die soziale Integrationsfunktion der beruflichen Bildung. „In der Pandemie haben die Attraktivität und die Integrationskraft nachgelassen, jetzt gilt es, diese zu stabilisieren über einen Neustart“, sagte sie. Dieser müsse in der Berufsorientierung beginnen. Es sei zudem Zeit, jedem Jugendlichen eine Ausbildungsgarantie zu geben.

FDP wünscht sich mehr Internationalisierung 

Von Herausforderungen und Chancen zugleich sprach Dr. Jens Brandenburg (FDP). Der Bericht sei wahrlich „kein konsensualer Masterplan für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre“, sagte der Liberale. Dafür seien die Unterschiede in den Positionen zu groß. Dennoch leiste der Bericht eine strukturierte Analyse und Darstellung der Debatten.

An einigen Stellen, etwa was die Folgen der Digitalisierung angehe, habe sich seine Fraktion mehr gewünscht. Dies betreffe etwa die Internationalisierung: „Die Erasmus+-Programme werden noch viel zu selten von Auszubildenden genutzt“, sagte er. Dennoch dürfe die Lage auf dem Ausbildungsmarkt auch nicht schlechter geredet werden als sie sei; in vielen Branchen riefen die Betriebe händeringend nach Lehrlingen.

Grüne: Es braucht Ideen und kreative Konzepte

Der Kritik schloss sich Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen) an: Die Kommission habe zu oft im Alten verharrt, über den Status quo diskutiert und das Thema Digitalisierung nicht innovativ genug bearbeitet, sagte sie. Es brauche Ideen und kreative Konzepte.

Stillstand bei der Suche nach Fachkräften könne man sich nicht leisten, da die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel stehe. „Ich freue mich, dass 400 Auszubildende in der Kommissionsarbeit befragt wurden, allerdings wollen wir mehr Öffentlichkeit und Beteiligung, mehr Mut zu Transparenz“, betonte die Grünen-Politikerin.

Linke: Herkunft entscheidet maßgeblich über Bildungserfolg

Für die Linksfraktion sprach Birke Bull-Bischoff die schwindende Integrationskraft des Systems an. „Die Herkunft entscheidet in der beruflichen Bildung maßgeblich über den Bildungserfolg“, sagte sie. Zu viele junge Menschen würden in Sonderstrukturen verwiesen, und da, wo junge Menschen nicht „auf der Sonnenseite des Lebens“ unterwegs seien, herrsche oft ein Mangel, etwa was die Ausstattung von Lernorten angehe.

Es brauche daher mehr Ausbildungsgerechtigkeit, mehr inklusive Angebote, mehr Flexibilität, sozialpädagogische Hilfen und letztlich auch eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen.

Entwicklungsperspektiven für Aus- und Weiterbildung

Laut Bericht betreffen die mit der Digitalisierung verbundenen langfristigen Veränderungsprozesse sowohl Berufsbilder, die Anpassung von Ausbildungsordnungen aufgrund von veränderten Produktionsprozessen, als auch den Einsatz von digitalen Medien in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Mit Blick auf den Ausbildungsmarkt sei eine Stärkung der ausbildenden Unternehmen und der berufsbildenden Schulen zum Erhalt bestehender Ausbildungsverträge und der Ermöglichung neuer Ausbildungsangebote erforderlich, rät die Kommission. Für eine ausreichende Nachfrage gelte es, junge Menschen noch stärker auf die mit der beruflichen Bildung verbundenen Chancen auf eine zukunftssichere Beschäftigung und Einkommens- und Karriereperspektiven, die der akademischen Qualifizierung gleichwertig sind, hinzuweisen, heißt es weiter in dem Berichtsentwurf.

Den Schlussbericht hatte die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ Ende Mai nach fast dreijähriger Arbeit beschlossen. Der mit Anlagen mehr als 600 Seiten starke Bericht wurde mitsamt Repliken und Gegenrepliken zu den Sondervoten zum Gesamtbericht und den einzelnen Kapiteln einstimmig von den Kommissionsmitgliedern verabschiedet. (lbr/23.06.2021)

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