Über die Situation der Kommunen in Zeiten der Corona-Krise hat der Bundestag am Freitag, 6. November 2020, debattiert. Einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Risikoverteilung bei Gewerbemieten klarstellen – Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmen in der Corona-Krise unterstützen“ (19/22898) überwies er nach einstündiger Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss. Ein zweiter Antrag der Grünen mit dem Titel „Unsere Innenstädte fit für die Zukunft machen“ (19/23941) wird federführend im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen erörtert werden.
Abgelehnt wurden Anträge der AfD, der Linken und der FDP. Dem Antrag der Linken „Von der Corona-Krise betroffene Gewerbetreibende bei der Miete entlasten“ (19/23112) stimmten nur die Antragsteller zu, während sich die Grünen enthielten. Den Antrag der AfD „Soforthilfen für Vermieter gewerblich genutzter Räume und Flächen“ (19/18722) lehnten alle übrigen Fraktionen ab. Zu beiden Anträgen hatte der Rechtsausschuss eine Beschlussempfehlung (19/24042) abgegeben. Auf Empfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/20208) lehnte der Bundestag einen Antrag der FDP für „vitale Innenstädte“ (19/19118) ab. Nur die AfD stimmte mit den Liberalen dafür, die übrigen Fraktionen votierten dagegen.
Grüne: Risiken fair aufteilen
Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, seit dem Frühjahr fege Corona wie ein eisiger Wind die Innenstädte leer. Die Innenstädte würden auch weiterhin unter der Unsicherheit der Menschen leiden. Eine Folge davon werde sein, dass in Zentren noch mehr Ketten das Bild dominieren, denn nur diese könnten die Situation durchstehen.
Gefragt seien nun kluge Konzepte, sagte die Abgeordnete. Während Gewerbemietern die Einnahmen wegbrechen würden, böten Vermieter in den seltensten Fällen Mietminderungen von sich aus an. Die Grünen wollen solche Ausfälle wie Schadensfälle behandeln. Insgesamt gehe es darum, die Risiken der derzeitigen Situation fair aufzuteilen, so Müller.
Linke will ein Kündigungsmoratorium II
Für die Linksfraktion sagte Caren Lay, viele kleine Einzelhändler stünden mit einem Bein in der Insolvenz. Übrig blieben die immer gleichen Ketten, Fußgängerzonen verwandelten sich in eintönige Konsumhallen. Man wolle jedoch lebendige Innenstädte auch nach der Pandemie. Das Moratorium vom Frühjahr habe geholfen, sei aber leider nicht verlängert worden. „Wer einen Lockdown II beschließt, muss auch ein Kündigungsmoratorium II beschließen.“
Ihrer Ansicht nach ist das deutsche Recht nicht eindeutig in den derzeit brennenden Fragen, genau eine solche Rechtssicherheit bräuchten allerdings besonders die kleinen Unternehmen. Lay plädierte für eine Teilung der Miete, wenn Läden schließen müssen.
AfD: Staatliche Eingriffe der falsche Weg
Nach Ansicht der AfD-Fraktion sind staatliche Eingriffe in bestehende Mietverhältnisse der falsche Weg. Udo Theodor Hemmelgarn sagte, er wolle nicht, dass Mieter und Vermieter in Verteilungskämpfen gegeneinander ausgespielt werden.
Wenn man Zahlungsausfälle ausgleichen wolle, müsse man den Lockdown in dieser Form sofort beenden. Zugleich bekannte er, dass die Probleme von Innenstädten struktureller Art und älter als Corona seien. Hemmelgarn kündigte Anträge seiner Fraktion zu dieser Thematik an.
FDP: Differenzierung tut not
Für Katharina Willkomm (FDP) ist entscheidend, dass Corona-Maßnahmen verhältnismäßig sind. Nur dann würden die Menschen mitkommen. Die Abgeordnete sagte, es sei falsch, zur Problemlösung das Bürgerliche Gesetzbuch umschreiben zu wollen. Der betreffende Paragraf 313 biete jetzt schon alle Möglichkeiten, die Risikoverteilung fair zu gestalten. Der Antrag der Linksfraktion sei undifferenziert und willkürlich.
„Wir müssen das Problem vom Kopf auf die Füße stellen“, sagte Willkomm. Unternehmen und ihre Beschäftigte wollten arbeiten, das müsse so weit wie möglich ermöglicht werden. Bei Schließungsanordnungen müsse berücksichtigt werden, welche Gefährdung tatsächlich von der betreffenden Einrichtung ausgeht – hier tue Differenzierung not.
CDU/CSU verweist auf Hilfen für Unternehmen
Vertreter von CDU/CSU verwiesen vor allem auf geltende und greifende Hilfen für Unternehmen und lehnten Eingriffe in Gesetze und Recht ab. Für den langfristigen Strukturwandel gebe es bereits runde Tische und andere Foren, um Perspektiven zu entwickeln. Man tue sich schwer, sich den Vorschlägen der Opposition zu öffnen, sagte etwa Carsten Müller (CDU/CSU) mit Blick auf das „hohe Recht“ der Vertragsfreiheit.
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) sagte, die Situation im Handel sei sehr unterschiedlich. Manche seien gar nicht betroffen, andere müssten ganz schließen. Kein Gesetz könne Einzelfälle lösen. Zugleich bekannte er, dass die Risikoverteilung nicht einseitig zulasten der Mieter gehen dürfe.
SPD: Fonds müssen zur Problemlösung beitragen
Bernhard Daldrup (SPD) erklärte, das Kündigungsmoratorium sei richtig gewesen. Er bedauerte, dass dieses Moratorium im Sommer ausgelaufen ist. Gleichwohl gebe es viele Maßnahmen, die auch Gewerbetreibenden geholfen hätten, wie etwa die Überbrückungshilfen. Nun gebe es eine neue Situation, die nach neuen Lösungen verlange. Bezüglich des grundsätzlichen Problems in Innenstädten, dass ortsspezifischer Einzelhandel vielerorts verdrängt wird, brachte Daldrup die Rolle von „immer dominanter werdenden Immobilienfonds“ ins Gespräch. Diese müssten zum Lösen des Problems beitragen.
Klaus Mindrup (SPD) hob auch auf diese Fonds ab. Mit Blick auf die Fonds sei es richtig, neu über den Paragrafen 313 zu diskutieren, auch mit Blick auf die Rolle von Immobilienfonds.
Erster Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will Selbstständige und Kleinunternehmer unterstützen, die wegen der Corona-Pandemie in Mietzahlungsschwierigkeiten sind. Die Abgeordneten möchten in ihrem überwiesenen Antrag (19/22898) gesetzlich klargestellt wissen, dass behördliche Nutzungseinschränkungen für Gewerbeflächen aufgrund von Corona einen Anspruch auf Vertragsanpassung auslösen – von einer Pachtminderung für den entsprechenden Zeitraum bis zu Sonderkündigungsrechten.
Nach dem Immobilienboom der vergangenen Jahre sei es fair, das Risiko von Corona für Einzelhandel und Gastronomie nicht allein auf die Gewerbetreibenden abzuwälzen, heißt es zur Begründung. Es gehe um eine Verteilung der Risiken. Vermieter sollen im Gegenzug das Recht erhalten, in solchen Fällen die Laufzeit von Immobilienkrediten für betroffene Flächen zu verlängern. So würden auch auf dieser Seite unbillige Härten vermieden, erklären die Abgeordneten weiter.
Zweiter Antrag der Grünen
In ihrem zweiten überwiesenen Antrag (19/23941) fordern die Grünen die Initiierung eines Innenstadt-Krisengipfels, um eine Reihe von Maßnahmen zur Rettung der deutschen Innenstädte in die Wege zu leiten. So solle etwa ein Städtebau-Notfallfonds in Höhe von 500 Millionen aufgelegt werden, der die Kommunen unter anderem dazu in die Lage versetzt, innovative Konzepte zur Entwicklung ihrer Innenstädte zu erstellen.
Auch gelte es, mit einem neuen Gewerbemietrecht Kleingewerbe zu schützen, schreiben die Abgeordneten. Eine weitere Forderung zielt auf die Mobilitätsgestaltung. So sollten etwa Konzepte für barrierefreie fußverkehrs- und fahrradgerechte Innenstädte mit starkem öffentlichem Nahverkehr unterstützt werden.
Abgelehnter Antrag der AfD
Soforthilfen für Vermieter gewerblich genutzter Räume und Flächen forderte die AfD-Fraktion in ihrem abgelehnten Antrag (19/18722). Gewerbliche Vermieter müssten die Möglichkeit erhalten, in Abhängigkeit von der Höhe der coronabedingten Einnahmenausfälle ein befristetes Zahlungsmoratorium für Forderungen aus Kredit- und Darlehensverträgen zu beantragen, das sich auf Zins- und Tilgungszahlungen erstreckt.
Außerdem sollten sie außerhalb bestehender Programme der staatlichen KfW-Bank ein gezieltes Darlehensprogramm zur Unterstützung der Vermieter von Gewerbeflächen erhalten, erklärten die Abgeordneten weiter. Die Darlehen sollten zinslos erteilt werden. Für die Hilfen gelte, dass Vermieter durch die Pandemie bedingte Mietausfälle glaubhaft darlegen.
Abgelehnter Antrag der Linken
Eine Entlastung der von der Corona-Krise betroffenen Gewerbetreibenden bei der Miete sah auch der abgelehnte Antrag der Fraktion Die Linke vor (19/23112). Danach sollte der Bundestag die Bundesregierung auffordern, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der unter anderem ein Kündigungsmoratorium bei Covid-19-bedingtem Zahlungsverzug für die gesamte Dauer der Pandemie sowie einen gesetzlichen Anspruch auf Absenkung der Nettokaltmiete um 30 Prozent für Gewerbemieter, die pandemiebedingt von erheblichen Umsatzverlusten betroffen und denen Mietzahlungen in voller Höhe nicht zumutbar sind, enthält.
Nach Darstellung der Linken gilt das gesetzliche Kündigungsmoratorium für pandemiebedingt nicht gezahlte Mieten nicht mehr, obwohl auch in den kommenden Monaten gerade im Gewerbebereich massive Zahlungsschwierigkeiten drohten. Damit kein Betrieb wegen pandemiebedingter Einschränkungen seine Geschäftsräume verliert, sei ein besonderer Kündigungsschutz für die gesamte Dauer der Covid-19-Krise nötig.
Abgelehnter Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion machte sich angesichts der Corona-Pandemie für den stationären Einzelhandel stark. In ihrem abgelehnten Antrag (19/19118) forderten die Abgeordneten unter anderem, dass der stationäre und der Onlinehandel künftig kartellrechtlich gleichbehandelt werden. Auch die Öffnungszeiten wollte die FDP flexibilisieren und unter anderem das Sonntagsverbot für den Einzelhandel gemäß den verfassungsmäßigen Vorgaben lockern.
Um Innenstädte attraktiver zu machen, schlug die FDP sowohl die Rücknahme von Fahrverboten als auch einen besseren öffentlichen Nahverkehr und die Weiterentwicklung von intelligenten Verkehrsleitsystemen vor. Ein eigenes Verkehrszeichen für Ladezonen sollte helfen, Konflikte zwischen fließendem und Lieferverkehr zu vermeiden. (pez/mwo/hau/06.11.2020)