Viel Nachbesserungsbedarf sehen Sachverständige bei der geplanten nationalen Umsetzung der Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP). Das zeigte eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu vier Gesetzentwürfen der Bundesregierung (19/29485, 19/29488, 19/29489, 19/29490) am Montag, 7. Juni 2021, unter Leitung von Alois Gerig (CDU/CSU). So lobten die Sachverständigen zwar die Weichenstellung hin zu einem System der Direktzahlungen, das an Umweltschutzauflagen gekoppelt sei, doch mahnten sie auch Nachbesserungen insbesondere bei der Ausgestaltung der Öko-Regelungen an.
„Kein Systemwechsel, nur Stückwerk“
Grundsätzliche Kritik kam vom Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Harald Grethe: Er betonte, die vorgelegten Entwürfe ermöglichten keinen echten Systemwechsel in der Landwirtschaft, sondern seien nur „Stückwerk“ – auch wenn einzelne Maßnahmen in die richtige Richtung gingen.
Konkret monierte der Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin die Umschichtung von maximal 15 Prozent der finanziellen Mittel von der ersten in die zweite Säule der GAP als viel zu gering. Auch das Budget für Öko-Regelungen sei mit 25 Prozent der Direktzahlungen zu klein dimensioniert. „35 Prozent sollten am Ende Planungshorizontes schon erreicht werden“, sagte der Sachverständige.
Praxistauglichere Ausgestaltung der Öko-Regeln gefordert
Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), widersprach seinem Vorredner: Dass ab 2023 alle Direktzahlungen an Auflagen für Umwelt- und Klimaschutz gekoppelt seien, stelle einen Systemwechsel dar. Und zwar einen, der für die Landwirte große finanzielle Herausforderungen und Wettbewerbsnachteile bedeute, betonte der Ruckwied und verwies auf die geplante Senkung der Direktzahlungen pro Hektar von 250 Euro auf 150 Euro.
Trotzdem werde sein Verband den „Weg der grünen GAP“ mitgehen. Die Öko-Regelungen müssten aber praxistauglicher ausgestaltet sein, einen finanziellen Anreiz für die Betriebe bieten und „Kannibalisierungseffekte“ bei bisherigen Umweltmaßnahmen der zweiten Säule der GAP vermeiden, so der DBV-Präsident.
Mehr Planungssicherheit für die Betriebe
Ähnlich argumentierten auch die Einzelsachverständigen Jürgen Maurer und Hubertus Paetow: Die GAP werde komplexer, undurchschaubarer und für Praktiker immer schwieriger umzusetzen, klagte Maurer. Die Vorgabe, mindestens drei Prozent der Ackerfläche nicht zu bewirtschafteten, geißelte das Vorstandsmitglied des Bauernverbandes Schwäbisch-Hall als „Stilllegungspflicht“.
Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, verlangte insgesamt mehr Planungssicherheit „bei den Zahlungen und bei geplanten Einschränkungen“. Beim Insektenschutz etwa seien zuletzt Einschränkungen „schnell, willkürlich und planlos“ beschlossen worden, so seine Kritik.
„Gesetzentwürfe schnell beschließen“
Konrad Schmid, Abteilungsleiter im Bayerischen Landwirtschaftsministerium, betonte die große Herausforderung, die Öko-Regelungen so zu gestalten, dass sie breit wirksam seien und Betrieben ein Einkommen ermöglichten.
Trotz vieler offener Fragen und „Ungereimtheiten“ etwa hinsichtlich der Schnittstellen zwischen der ersten und zweiten Säule, plädierte der Sachverständige dazu, die Gesetzentwürfe „schnell zu beschließen“ und Änderungen dann nachträglich vorzunehmen. So könne verhindert werden, dass Betriebe komplett ausstiegen und sich den Steuerungsmaßnahmen zu entzögen.
„Größeres Budget für Öko-Regelungen“
Phillip Brändle, Mitglied des Bundesvorstands der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), sprach sich ebenfalls für ein größeres, schrittweise ansteigendes Budget für die Öko-Regelungen aus. Nur so gelinge allen Betrieben der Übergang beim Umgang der GAP weg von einer pauschalen Flächenförderung, so Brändle.
Die Öko-Regelungen sollten mit Anreizen und anhand eines Punktesystems ausgestaltet werden. Damit lohnten sich die Regelungen ökologisch – und ökonomisch für die Bauern.
„Punktesystem einführen“
Dr. Jürgen Metzner, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DLV), vermisste bei den Öko-Regelungen ein schlüssiges Gesamtkonzept.
Ein punktebasiertes Bewertungssystem, wie es Landschaftspflegeverbände im Rahmen eines Gesamtpakets mit dem Titel „Gemeinwohlprämie“ vorgelegt hätten, könne diese Lücke mitschließen, zeigte sich der Experte überzeugt und appellierte an den Bundestag, dieses gesetzlich zu verankern.
Förderangebote für Frauen angemahnt
Auf die Schaffung von Förderangeboten speziell für Frauen in der Landwirtschaft drang wiederum Juliane Vees als Vertreterin des Deutschen Landfrauenverbandes. Der Umbau der GAP böte hierfür neue Chancen. Frauen in ländlichen Regionen seien immer noch strukturell stärker benachteiligt als Frauen in städtischen Regionen. Dies sei einer der Gründe für ihre überproportional starke Abwanderung.
Um das zu ändern, den Anteil von Betriebsleiterinnen und weiblichen Hofnachfolgen in der Landwirtschaft zu erhöhen, brauche es eine speziell zugeschnittene Förderung etwa bei der Existenzgründung und Angebote für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
„Öko-Regelungen führen zu weniger Landwirtschaft“
Komplett ablehnend stand schließlich Reinhard Jung für die Freien Bauern Deutschland den Gesetzentwürfen der Bundesregierung gegenüber: Zur Klärung der großen Fragen „Bauernhöfe oder Agrarkonzerne“ oder zum Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz trügen diese nichts bei. Die Bundesregierung nutze ihre Spielräume nicht, über eine agrarstrukturelle Ausrichtung der Direktzahlungen dem zunehmenden „Ausverkauf“ der landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland an Investoren einen Riegel vorzuschieben.
Die „grüne Architektur“ der GAP biete zudem lauter Anreize zur Flächenstilllegung und werde zu „zwei bis drei Prozent weniger landwirtschaftliche Erzeugung in Deutschland führen“, warnte der Sachverständige. Das habe nichts mit Umweltschutz und Biodiversität zu tun.
Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes (19/29485, 19/30243) zielt darauf ab, Direktzahlungsmittel der EU in die sogenannte zweite Säule der GAP für die Entwicklung des ländlichen Raums zu verschieben. Bis zu acht Prozent der Mittel für das Antragsjahr 2022 sollen für den Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) bereitgestellt werden. Damit soll das Ziel verfolgt werden, die bereits bisher aus Umschichtungsmitteln finanzierten Maßnahmen durchfinanzieren und zusätzlich Neuverpflichtungen eingehen zu können.
Auch soll das Gesetz helfen, die ehrgeizigen Klimaziele des neuen Mehrjährigen Finanzrahmens der EU (MFR) zu verwirklichen. Dies betreffe insbesondere flächenbezogene Maßnahmen der Agrarumweltförderung und der Förderung des Öko-Landbaus. Das Gesetz soll laut Regierung dazu beitragen, die Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft im Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz steht, zu bewältigen.
Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Im Jahr 2018 hatte die Europäische Kommission Vorschläge für eine reformierte GAP für den Förderzeitraum ab 2023 vorgelegt. Der zweite Gesetzentwurf der Bundesregierung dient dazu, das im Rahmen der GAP einzuführende Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystems einzurichten (GAP-Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem-Gesetz, 19/29488, 19/30241). Kernelemente dieser Reform sind laut Regierung unter anderem ein neues Durchführungsmodell und eine Vereinfachung des Systems sowohl für die Betriebsinhaber als auch für die Verwaltungen. Das neue Durchführungsmodell wiederum sei durch weniger Vorschriften auf EU-Ebene geprägt und ermögliche damit mehr Gestaltungsspielräume bei der Durchführung auf nationaler Ebene.
Eine wesentliche Regelung des Gesetzentwurfs, die vom aktuellen System abweiche, sei die Verpflichtung der Antragsteller, den Antrag auf Agrarförderung grundsätzlich in elektronischer Form zu stellen. Das Stellen von Anträgen in Papierform werde zukünftig nur noch in von der zuständigen Behörde zu beurteilenden Ausnahmefällen möglich sein. Eng hiermit verknüpft seien Regelungen im allgemeinen Teil zum Kommunikationsverfahren, das ebenfalls elektronisch ablaufen soll.
Da Antragstellung und Kommunikation elektronisch erfolgen sollen, kann das Fristende für die Antragstellung unter bestimmten Voraussetzungen auf einen Sonn- oder Feiertag fallen, heißt es im Gesetzentwurf. Als wesentlicher neuer Bestandteil des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems soll spätestens ab 2024 ein Flächenmonitoringsystem eingeführt werden. Auf dieses System könne auch im Rahmen der Kontrollen zurückgegriffen werden. Die Bundesländer sollen jedoch selbst entscheiden können, welches Verfahren sie zur Kontrolle tatsächlich anwenden.
Dritter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit ihrem dritten Gesetzentwurf zur Durchführung der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik geltenden Konditionalität (GAP-Konditionalitäten-Gesetz, 19/29489, 19/30240) will die Bundesregierung das Agrarzahlungen-Verpflichtungengesetz ablösen. Die bisher geltenden „Cross-Compliance“-Vorschriften, bestehend aus den „Grundanforderungen an die Betriebsführung“ (GAB) und den „Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ (GLÖZ), sollen zukünftig unter dem Begriff „Konditionalität“ in modifizierter und zum Teil erweiterter Form fortgeführt werden.
In die Konditionalität sollen auch die bisherigen „Greening“-Maßnahmen wie der Dauergrünlanderhalt, Anbaudiversifizierung und Bereitstellen ökologischer Vorrangflächen in modifizierter Form überführt werden. Dadurch ist eine Änderung des nationalen Durchführungsrechts erforderlich. Die „Cross-Compliance“- Vorschriften seien bisher im Agrarzahlungen-Verpflichtungengesetz und überwiegend in der Agrarzahlungen-Verpflichtungenverordnung geregelt worden, Vorschriften zum „Greening“ hingegen im Direktzahlungen-Durchführungsgesetz und in der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung.
Vierter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Regelungen für die Direktzahlungen für die landwirtschaftlichen Betriebe müssen im Rahmen der GAP-Reform für die Jahre ab 2023 neu gefasst werden. Das soll durch den Gesetzentwurf zur Durchführung der im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik finanzierten Direktzahlungen (GAP-Direktzahlungen-Gesetz, 19/29490, 19/30242) geschehen. Dadurch wird die Aufteilung der finanziellen Zuweisung der EU in Höhe von rund 4,9 Milliarden Euro jährlich auf die vorzusehenden Direktzahlungen geregelt. Darüber hinaus wird die Übertragung von Mitteln für Direktzahlungen in den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) bestimmt, die Festlegung im Recht der EU künftig vorgesehener geplanter Einheitsbeträge für die jeweiligen Direktzahlungen sowie die Auswahl von Regelungen für Klima und Umwelt (Öko-Regelungen).
Ziel sei die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft in wirtschaftlicher, sozialer, umwelt- und klimaschutzpolitischer Hinsicht, heißt es weiter. So sollen für die Jahre 2023 bis 2026 von zehn Prozent jährlich ansteigend bis 15 Prozent der jährlichen nationalen Zuweisung für Direktzahlungen als zusätzliche Förderung für die ländliche Entwicklung bereitgestellt werden. Vorgesehen ist auch eine ergänzende Umverteilungseinkommensstützung zugunsten kleinerer und mittlerer Betriebe. Hierfür seien zwölf Prozent der verfügbaren finanziellen Zuweisung vorgesehen. Dadurch sollen kleinere und mittlere Betriebe eine verbesserte Förderung erhalten.
Der Gesetzentwurf enthält zudem eine gekoppelte Einkommensstützung für Mutterschafe und -ziegen sowie für Mutterkühe. Hierfür seien insgesamt zwei Prozent der verfügbaren finanziellen Zuweisung vorgesehen. Für die Förderung von Junglandwirten stehe von EU-Seite zudem ein erhöhtes Budget von rund 98 Millionen Euro jährlich zur Verfügung, sodass auch künftig eine gesonderte Förderung für Junglandwirte ermöglicht wird. (sas/eis/07.06.2021)