Heftiger Streit über Auslastung in Intensivstationen
Die AfD-Fraktion hat einen kritischen Bericht von Wissenschaftlern über die Verwendung von Hilfsgeldern für Krankenhäuser zu einer Generalabrechnung mit der Krisenpolitik der Bundesregierung genutzt. Redner der AfD-Fraktion warfen der Bundesregierung am Donnerstag, 20. Mai 2021, in einer Aktuellen Stunde zur Lage in den Intensivstationen vor, mit falschen und wissenschaftlich nicht haltbaren Einschränkungen auf die Corona-Pandmie reagiert zu haben. Die anderen Fraktionen hielten der AfD vor, die Pandemie mit scheinwissenschaftlichen Argumenten verharmlosen zu wollen. Mehrere Redner bezogen sich auf Thesen einer Autorengruppe um den Mediziner und Gesundheitsökonomen Matthias Schrappe, der Zweifel geäußert hatte an Statistiken zur Intensivmedizin und Kritik an der Verwendung von Fördermitteln für Kliniken. Der Forscher legte unter anderem den Verdacht nahe, dass einige der zusätzlichen Intensivbetten offenbar nie geschaffen worden seien.
AfD fordert Aufarbeitung der Erkenntnisse
Sebastian Münzenmaier (AfD) sagte, die Angst von knappen Kapazitäten im Gesundheitswesen sei offenkundig übertrieben gewesen. Die Bundesregierung habe massive Grundrechts- und Freiheitseinschränkungen über Monate hinweg mit der Gefahr überlasteter Intensivstationen gerechtfertigt. Er betonte, es gehe nicht darum, die Belastung der Pfleger und Ärzte auf den Intensivstationen zu relativieren. Es gehe um Aufklärung einer unklaren Faktenlage. Gefordert sei eine transparente Aufarbeitung der Erkenntnisse, die auf schwerwiegende Politikfehler in einer der größten Krisen der Republik hinwiesen.
Es stehe der Verdacht im Raum, dass einige Kliniken aus finanziellen Interessen den Aufbau von Intensivbetten gemeldet und dafür jeweils 50.000 Euro kassiert hätten. Im vergangenen Jahr seien insgesamt mehr als neun Milliarden Euro an Kliniken geflossen, größtenteils nach dem Gießkannenprinzip, sagte Münzenmaier und forderte: „Diese Zahlungen müssen transparent, sachlich und ohne Schaum vor dem Mund aufgearbeitet werden.“ Es wäre besser gewesen, das Geld in Programme zur Rückgewinnung von Pflegekräften zu investieren. Er bekräftigte die Forderung seiner Fraktion nach einem Corona-Untersuchungsausschuss.
CDU/CSU: „Armselige“ Kampagne gegen die Krisenpolitik
Redner der anderen Fraktionen sprachen von unhaltbaren Behauptungen und einer unseriösen Politik der AfD. Mehrere Redner erinnerten an die große Zahl schwer kranker Patienten, die auf Intensivstationen versorgt worden sei. Lothar Riebsamen (CDU/CSU) würdigte zugleich die in Rekordzeit entwickelten Impfstoffe. Er warf der AfD „armselige“ Kampagne gegen die Krisenpolitik vor, während Menschen weiterhin auf Intensivstationen um ihr Leben kämpfen.
Er räumte ein, dass es in der Intensivstatistik zu Fehlern gekommen sein könnte. Solche Fragen seien nicht neu, sondern gehörten zum Alltag in Krankenhäusern. Jetzt komme es darauf an, die Infektionszahlen weiter zu drücken, damit das Gesundheitssystem durchhalte.
FDP: Gesundheitssystem digitalisieren
Auch Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) sprach von einer durchsichtigen Strategie der AfD, die den Verschwörungstheoretikern eine Bühne bieten wolle. Es gebe zwar Widersprüche bei den Zahlen, Studien zeigten zugleich aber die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen. Die AfD bezweifle alle Auflagen und präsentiere selbst keine Lösungsvorschläge.
Der FDP-Politiker forderte eine gezielte Stärkung des Gesundheitssystems durch eine bessere Digitalisierung. So könnten auch zuverlässige Zahlen erhoben werden. In dem Bereich sei einiges versäumt worden und müsse nun nachgearbeitet werden. Die Bundesregierung müsse außerdem einen Pandemiebericht nachliefern.
SPD: AfD will Intensivversorgung skandalisieren
Sabine Dittmar (SPD) forderte ebenfalls eine sorgfältige Analyse des Krise. In der Corona-Pandemie hätten sich Stärken und Schwächen des Gesundheitssystems gezeigt. Das müsse aufgearbeitet werden, um künftig besser gewappnet zu sein. Der AfD warf sie vor, die Intensivversorgung skandalisieren zu wollen, während Mediziner und Pflegekräfte versucht hätten, das Schlimmste zu verhindern.
So sei es richtig und klug gewesen, Intensivbetten aufzubauen und ein Intensivregister einzuführen, das erstmals einen tagesaktuellen Überblick über die Intensivbetten ermögliche. Es sei „dummes Zeug“ zu behaupten, dass die Lage auf den Intensivstationen nicht so dramatisch gewesen sei. Ärzte und Pfleger hätten über viele Monate bis zur Erschöpfung gearbeitet.
Grüne sprechen von einer „politischen Stimmungsmache“
Von einer „politischen Stimmungsmache“ gegen die Intensivmedizin sprach der Gesundheitsexperte Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen). Er wisse als Arzt aus eigener Anschauung, was die Mitarbeiter auf den Intensivstationen durchmachten.
Sie verdienten Unterstützung und Respekt. Er würdigte auch die Arbeit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi).
Linke kritisiert die Fallpauschalen
Harald Weinberg (Die Linke) sagte, die Überlastung der Intensivstationen infrage zu stellen, sei ein Schlag ins Gesicht der Ärzte und Pfleger. Die Frage sei, was die wissenschaftlichen Autoren mit ihrem Thesenpapier eigentlich hätten aussagen wollen. Es sei schon vor der Pandemie hart gewesen, auf Intensivstationen zu arbeiten. Es gebe kein „Divi-Gate“, sondern ein „Fallpauschalen-Gate“, sagte Weinberg in Anspielung auf die pauschale Abrechnung in Krankenhäusern.
Fallpauschalen seien schuld an Fehlentwicklungen, denn sie führten zu einem enormen Kostendruck, Geldverschwendung und Fehlsteuerung. Weinberg forderte: „Wir brauchen einen Systemwechsel in den Krankenhäusern.“ (pk/20.05.2021)