Opposition sieht Schwachstellen der deutschen Menschenrechtspolitik
Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 17. Dezember 2020, mit dem 14. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik (19/25000) befasst. Mitberaten wurde ein Antrag der FDP, mit dem sich die Fraktion dafür einsetzt, „Menschenrechtsverteidiger in Deutschland zu schützen und vor ausländischer Verfolgung und Überwachung“ (19/25242) zu bewahren. Der Bericht wurde im Anschluss zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe überwiesen. Mit der FDP-Initiative wird sich der Innenausschuss federführend befassen.
Minister: Menschenrechtsschutz ist „Kern der Außenpolitik“
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) betonte, angesichts der zunehmenden Rückschläge weltweit für den Menschenrechtsschutz sei es um so wichtiger, dass die Bundesregierung diesen als Kern ihrer Außenpolitik begreife. „Froh“ sei er, so Maas, dass noch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft der Durchbruch für ein europäisches Menschenrechtssanktionsregime gelungen sei. Im Ministerkomitee des Europarates, in dem Deutschland jetzt den Vorsitz übernommen habe, werde sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass eine europäische Menschenrechtspolitik vorankomme, kündigte der Außenminister an.
Der nun vorliegende Bericht zeige aber auch, dass sich die Bundesregierung „alltäglichen“ Menschenrechtsverletzungen widme. Schwerpunkte seien die Bekämpfung vor Hass und Hetze im Netz, die Unterstützung von Minderheiten wie den Roma, Schutz von Menschenrechtsverteidigern und der Kampf gegen die Straflosigkeit.
AfD: Bericht schweigt zur Christenverfolgung
Jürgen Braun (AfD) ging die Bundesregierung scharf an: In ihrem Bericht zur Menschenrechtspolitik schweige sie zur Christenverfolgung und ignoriere den neuen „islamischen Antisemitismus“. Zudem lese er sich, als sei er von „Linksextremisten“ und „Klimahysterikern“ geschrieben worden, meinte der Abgeordnete.
Um Menschenrechte „gehe es schon gar nicht mehr“. Mit Millionen an Steuergeld unterstütze die Bundesregierung außerdem „nicht legitimierte“ zivilgesellschaftliche Gruppen wie NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und Stiftungen, so Brauns Kritik. Das sei undemokratisch.
CDU/CSU: China ist größte Bedrohung für Menschenrechte
Michael Brand (CDU/CSU) wiederum lobte den Bericht ausdrücklich: Von ihm gehe das Signal aus, dass die Demokratien der Welt „nicht auf dem Rückzug“ seien, betonte Brand. Es sei auch gerade ein Signal an diejenigen, die Menschenrechte im großen Stil verletzten, mahnte der CDU-Abgeordnete mit Blick auf China. Das Regime habe „mittelalterliche Vorstellungen“ und gleichzeitig „totalitäre globale Ansprüche“, so Brand: „Das macht es so gefährlich.“
China wolle die Abkehr von den Menschenrechten und bediene sich dazu „wirtschaftlicher und ideologischer Kriegsführung“. Sanktionen gegen demokratische Staaten sollten diese gefügig machen. Auch Unternehmen, Menschenrechtsorganisationen und selbst Abgeordnete des Bundestages versuche China unter Druck zu setzen. „Doch es wird China nicht gelingen, uns den Mund zu verbieten“, bekräftigte der Abgeordnete.
FDP: Deutschland zu einem „sicheren Hafen“ machen
Gyde Jensen (FDP) äußerte zwar Anerkennung für den Bericht der Regierung, machte aber deutlich, dass letztlich nicht Worte zählten, sondern konkretes Handeln: „Daran werden wir Sie messen“, sagte Jensen in Richtung der Regierungsbank. Der Bericht erwecke aufgrund seiner Struktur den Eindruck, es gebe eine „integrierte Menschenrechtsstrategie“ der Bundesregierung, doch tatsächlich zeige die mangelnde Zusammenarbeit von Ministerien ein anderes Bild, monierte die Liberale. „Es holpert, ordentlich!“
Ministerien wie das Außen- und das Innenministerium müssten künftig besser kooperieren, wenn es um den Schutz von Menschenrechten und Menschenrechtsaktivisten gehe, forderte Jensen zudem mit Verweis auf den Antrag ihrer Fraktion. Deutschland solle für sie ein „sicherer Hafen“ werden. Noch sei das leider nicht der Fall.
Linke: Deutsche Waffen „Mordwerkzeug“ von Menschenrechtsverletzern
Noch deutlicher in ihrer Kritik wurde Zaklin Nastic (Die Linke): Sie warf der Bundesregierung mit Blick auf ihre Rüstungspolitik Inkonsequenz und Unglaubwürdigkeit vor. „Wenn sich Frieden, Sicherheit und die Wahrung der Menschenrechte gegenseitig bedingen, wie Sie im vorliegenden Bericht schreiben, dann dürfen Sie doch nicht weiter Mordwerkzeug an Menschenrechtsverletzer liefern“, rief Nastic dem Außenminister zu.
Ob in Ägypten, Syrien oder in den Drogenkriegen in Mexiko – überall werde mit deutschen Waffen gekämpft und gemordet. Diese Politik laufe dem Menschenrechtsschutz zuwider, monierte Nastic. Auch die hohe Armutsquote und ungerechte Arbeitsbedingungen in Deutschland konterkarierten die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung.
Grüne vermissen klare Worte zur Lage von Flüchtlingen
Margarethe Bause (Bündnis 90/Die Grünen) hielt der Bundesregierung zudem vor, zu Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der europäischen Migrationspolitik zu schweigen: Flüchtlingslager gebe es für die Regierung offenbar nur in Myanmar oder im Irak, aber mit dem „Elend in griechischen Flüchtlingslagern“ wolle sie sich nicht beschäftigen, kritisierte die Abgeordnete. „So geht das nicht!“
Auf den mehr als 300 Seiten des Berichts gehe es nirgends um das Thema Seenotrettung oder illegale Push-backs der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Ähnlich wortkarg sei die Bundesregierung auch bei Themen wie dem Lieferkettengesetz oder dem Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt. „Sie mogeln sich an allen Themen vorbei, in denen die Koalition versagt oder heillos zerstritten ist“, so Bauses wenig positives Resümee.
Bericht zur Menschenrechtspolitik
In dem Bericht informiert die Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik im Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. September 2020 (19/25000). Ein Schwerpunktthema dabei: Deutschlands Einsatz für die Menschenrechte im UN-Sicherheitsrat. Zudem nimmt der Bericht künftige Prioritäten des Menschenrechtsengagements in den Blick. „Die Menschenrechte stehen weltweit unter Druck: Meinungs- und Pressefreiheit werden eingeschränkt, zivilgesellschaftliche Räume schrumpfen, Errungenschaften der Gleichberechtigung werden zurückgedreht“, schreibt die Bundesregierung. Die Covid-19-Pandemie habe viele dieser Entwicklungen noch verschärft.
Deutschland trete mit seiner Menschenrechtspolitik diesem Trend entgegen und setze sich für die Universalität der Menschenrechte, für Rechtsstaatlichkeit und die Herrschaft des Rechts ein, so die Bundesregierung. Im Kapitel „Aktionsplan Menschenrechte 2021/2022“ umreißt der Bericht so auch zukünftige Prioritäten des Menschenrechtsengagements – etwa die Stärkung des Menschenrechtsschutzes in Zeiten digitalen Wandels. Das Kapitel „Menschenrechte in Deutschland und im Rahmen der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik der Europäischen Union“ gibt Auskunft über den Umsetzungsstand von Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats etwa zum Schutz vor Folter. Im Kapitel „Menschenrechte in der Außen- und Entwicklungspolitik“ bietet sie erstmalig auch eine Darstellung von Menschenrechtsprojekten, die von der Bundesregierung gefördert wurden. Die Menschenrechtslage in ausgewählten Ländern stellt die Bundesregierung schließlich im Kapitel „Menschenrechte weltweit“ dar.
Darüber hinaus kommt die Bundesregierung in ihrem Bericht einer Forderung des Bundestags nach und informiert über ihr Engagement im Bereich von „Brennpunktthemen“, darunter der Kampf gegen sexuelle Gewalt in Konflikten, Straflosigkeit und der Schutz von zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräumen. Zu den Ergebnissen des Monitorings des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrechte“ gibt der Bericht ebenso Auskunft wie über das Engagement der Bundesregierung zur Abschaffung der Todesstrafe weltweit.
Antrag der FDP
Die FDP will „Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger in Deutschland schützen und vor ausländischer Verfolgung und Überwachung bewahren“. Dazu fordert sie die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, eine behördenübergreifende Strategie zum Schutz ebenjener zu entwickeln. So solle etwa gewährleistet sein, dass Menschenrechtsverteidiger dem Zugriff ausländischer Geheimdienste und Sicherheitsbehörden entzogen würden.
Außerdem fordern die Liberalen unter anderem ein intensiveres Monitoring der Situation von Menschenrechtsverteidigern sowie ein stärkeres Augenmerk auf deren Schutz im digitalen Raum. (sas/ste/17.12.2020)