AfD stößt mit Einschätzung zur Meinungsfreiheit auf Widerspruch
Der Bundestag hat zum Abschluss der Sitzungswoche am Freitag, 7. Mai 2021, in einer von der AfD-Fraktion verlangten Aktuellen Stunde über das Thema „Meinungsfreiheit schützen, Zensur verhindern – Debattenkultur bewahren“ diskutiert. Dabei griffen Sprecher aller anderen Fraktionen die AfD-Fraktion scharf an.
AfD kritisiert „Meinungstotalitarismus“
Für die AfD-Fraktion erklärte Joana Cotar, die Meinungsfreiheit werde mit Füßen getreten. Einer Umfrage zufolge seien 78 Prozent der Befragten der Ansicht, man könne seine Meinung in Deutschland nicht frei äußern. Das hätten auch die Schauspieler erfahren, die sich an der Aktion #allesdichtmachen beteiligt hätten.
Kabarettisten könnten nicht auftreten, wenn es dem „linken Mob“ nicht gefalle, und die Mainstream-Medien stürzten sich „auf jeden, der es wagt, aus der Konformität auszuscheren“, sagte Cotar. Sie sprach von „Meinungstotalitarismus“ und erklärte: „Ja, man darf alles sagen, aber eben nicht ungestraft.“ An den Bundestag appellierte sie, „wieder offene Debattenräume“ zu schaffen.
CDU/CSU: AfD trägt zur Verrohung des Diskurses bei
Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, und sie gebe Frau Cotar auch das Recht, „Unvernünftiges zu behaupten“, sagte Philipp Amthor von der CDU/CSU-Fraktion. Cotar zeichne das Bild eines Landes, in dem es keine Meinungsfreiheit gebe.
Diese Rolle nehme der AfD aber niemand ab. Denn es sei die AfD, die Störer ins Parlament lasse und „zu einer Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses“ beitrage. Wie alle Grundrechte habe auch die Meinungsfreiheit Grenzen, nämlich dort, wo sie in die Grundrechte der anderen eingreife.
FDP verweist auf Ungarn
Viktor Orbán sei doch ihr großer Held, sagte Konstantin Kuhle von der FDP-Fraktion mit Blick auf die AfD-Fraktion. In Orbáns Regierungszeit sei Ungarn im weltweiten Ranking der Pressefreiheit von Platz 10 auf Platz 92 abgestürzt. Außerdem wies Kuhle darauf hin, dass Journalisten bei Querdenker-Demonstrationen Gewaltandrohungen ausgesetzt seien. Wer sich die Versammlungsfreiheit zunutze mache, um Angriffe auf andere Bürger auf den Weg zu bringen, habe mit dem Widerstand aller Demokraten zu rechnen.
Verwundert zeigte sich Kuhle allerdings über die Vehemenz, mit der auf die Aktion #allesdichtmachen reagiert worden sei. Es sei nicht die Aufgabe von Kultur, bequem zu sein. Kuhle plädierte für einen entspannteren Umgang mit solchen Aktionen und mehr Lust an der Diskussion.
SPD: Man muss auch Widerspruch ertragen
Es gehöre eine gehörige Portion Chuzpe dazu, dass ausgerechnet die AfD Belehrungen zur Meinungs- und Pressefreiheit abgebe, sagte Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD). Deutschland habe sich im Ranking der Pressefreiheit tatsächlich verschlechtert, und zwar wegen Angriffen aus AfD-nahen Kreisen auf Journalisten.
Zur Meinungsfreiheit gehöre, dass man Widerspruch gegen seine Meinung ertragen müsse. Freiheit habe dort Grenzen, wo individuelle Rechte eingeschränkt würden, betonte Brunner. Das Individualrecht auf körperliche Unversehrtheit sei mindestens so schützenswert wie die Meinungsfreiheit.
Linke: AfD schürt Misstrauen in die Demokratie
„Die AfD will auch Freiheit zum Schüren von Hass und Gewalt“, erklärte Anke Domscheit-Berg (Die Linke). Ihre Einschätzung verdeutlichte sie anhand von Zitaten aus dem Internet, mit denen zu Gewalt gegen einen Unionsabgeordneten aufgerufen wird.
Es sei eine Beleidigung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, wenn die AfD vorgebe, das Grundgesetz zu verteidigen. Denn die AfD schüre Misstrauen in die Demokratie, greife die Freiheit der Forschung an, indem sie die Geschlechterforschung als „Gendergaga“ diskreditiere, und attackiere die Pressefreiheit.
Grüne: Herausforderungen für Meinungsfreiheit
Sie wisse nicht, zum wievielten Mal die AfD erkläre, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr, sagte Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen). Das sei „Blödsinn“. Die AfD verbreite im Bundestag Diffamierungen, Hass und Hetze und begehe immer wieder gezielte Tabubrüche, mit denen sie die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreite. Freiheit dürfe aber nicht das Fundament untergraben, auf dem sie stehe, nämlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Rößner wies zudem auf die Herausforderungen für die Meinungsfreiheit im digitalen Zeitalter hin: Es dürfe nicht sein, dass Profite von Internetkonzernen über dem Schutz von Grundwerten stünden. (chb/07.05.2021)