Bildung

Begabtenförderung durch Studienwerke folgt verschiedenen Zielen

Zeit: Mittwoch, 21. April 2021, 9 bis 11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus

Die Ziele der Begabtenförderung durch die Studienwerke in Deutschland sind verschieden. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienwerke kommen aus sehr unterschiedlichen Hintergründen, ihre politische, weltanschauliche und religiöse Ausrichtung divergiert. Gemeinsam ist den Geförderten jedoch eine hohe Leistungsbereitschaft, oftmals auch ein Nachweis derselben, gesellschaftliches Engagement und demokratisches Denken.

Mehr als 30.000 Studierende würden derzeit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert, machte Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, am Mittwoch, 21. April 2021, in einer öffentlichen Ausschusssitzung deutlich. Die Haushaltsmittel des BMBF seien zudem von 2005 von 80 Millionen auf jetzt 307 Millionen Euro gesteigert worden. Dem Ausschuss stellten sich 14 Studienwerke mit ihren Schwerpunkten und ihrer ideellen Ausrichtung vor, darunter auch sechs parteinahe Stiftungen und vier religionsnahe Stiftungen.

Konrad-Adenauer-Stiftung

Mit der Entscheidung der Bundesregierung im Jahr 2005, künftig ein Prozent aller Studierenden mit einem Stipendium der Begabtenförderwerke auszustatten, hat, wie auch die anderen Stiftungen, die der CDU nahestehende Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ihre Stipendiatenzahlen erheblich gesteigert. In den Jahren zwischen 2005 und 2012 habe sich die Zahl der Studierenden von rund 1.200 auf rund 2.700 Stipendiatinnen und Stipendiaten mehr als verdoppelt und liege derzeit mit Promotions- und Ausländerförderung bei rund 3.400, betonte Susanne Schmidt, Leiterin der KAS-Hauptabteilung Begabtenförderung und Kultur.

Ziel sei es, die Stipendiaten im Sinne der christlich-demokratischen Werte zu prägen und sie in ihrer politischen Argumentationsfähigkeit sowie in ihrer Verantwortungsbereitschaft und ihrem konkreten gesellschaftlichen Engagement zu stärken, unterstrich Schmidt.

Friedrich-Ebert-Stiftung

Die Studienförderung ist der Gründungszweck der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der SPD nahesteht und aktuell rund 2.200 junge Menschen fördert, betonte Pia Bungarten, Abteilungsleiterin der Studienförderung. Die Stiftung orientiere sich an dem Leitmotiv „Demokratie braucht Demokrat_innen“.

Die Stiftung fördere besonders begabte junge Leute, die durch ihre Leistungen, ihr Engagement und ihre Persönlichkeit überzeugen, aber auch weil sie sich der Demokratie und dem Gemeinwohl verpflichtet sehen würden. Von den derzeit Geförderten seien 50 Prozent Erstakademiker, 25 Prozent kämen aus Einwandererfamilien und 17 Prozent würden an Fachhochschulen studieren.

Heinrich-Böll-Stiftung

Ulla Siebert von der Leitung des Studienwerks der Heinrich-Böll-Stiftung, betonte dass die Stiftung im Jahr rund 1.350 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus dem In- und Ausland fördere. Die Böll-Stiftung verstehe Nachwuchsförderung als Beitrag zur Förderung der demokratischen Kultur.

Die Stiftung erwarte von den Stipendiatinnen und Stipendiaten hervorragende Studienleistungen, gesellschaftliches Engagement, politisches Interesse und eine aktive Auseinandersetzung mit den Zielen und Werten der Heinrich-Böll-Stiftung, die der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahesteht. Die Stiftung würde Leistungsgedanken mit Chancengerechtigkeit verbinden, indem sie in der Begabtenförderung unterrepräsentierte Gruppen besonders anspreche und fördere.

Rosa-Luxemburg-Stiftung

Anja Angerjäv, Direktorin des Studienwerks der Rosa-Luxemburg-Stiftung, unterstrich die gesellschaftspolitische Ausrichtung des Studienwerks, das derzeit rund 1.000 Stipendiaten fördert. Die Stiftung, die der Partei Die Linke nahesteht, will durch politische Bildung zu Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität sowie zum Ausgleich sozialer, geschlechts- oder ethnisch bedingter Benachteiligung zu mehr Chancengleichheit von jungen Menschen beitragen.

Diese Werte würden neben der Leistung die Grundlage der Studien- und Promotionsförderung bilden. Es würden vor allem Erstakademikerinnen und Erstakademiker und Menschen mit Migrationsgeschichte ausgewählt, mindestens 50 Prozent der Stipendien würden an Frauen vergeben.

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die der FDP nahesteht, habe im Jahr 2020 1.214 Stipendiatinnen und Stipendiaten gefördert, die sich sowohl durch akademisches Talent wie auch durch ihr überdurchschnittliches Engagement für die Gesellschaft auszeichnen würden, betonte Katja Hartmann, Leiterin der Begabtenförderung.

Mit der Förderung wolle die Naumann-Stiftung die individuelle Entwicklung und Ausbildung jedes und jeder Einzelnen unterstützen und zentrale Schlüsselkompetenzen wie demokratisches Denken und Handeln im Sinne von Selbstbestimmung, Verantwortungsbewusstsein, Kritikfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Solidarität und Rationalität vermitteln.

Hanns-Seidel-Stiftung

Die Hanns-Seidel-Stiftung, die der CSU nahesteht, fördert aktuell circa 1.300 Studierende und Promovierende. Angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung in Deutschland und Europa sieht die Hanns-Seidel-Stiftung eine zentrale Aufgabe darin, mit ihren Stipendiatinnen und Stipendiaten und Ehemaligen sowie ihren internationalen Netzwerken dieser Entwicklung entgegenzuwirken, betonte Jutta Möhringer vom Institut der Begabtenförderung der Stiftung.

Im Rahmen der ideellen Förderung würden die Stipendiatinnen und Stipendiaten Gelegenheit erhalten, sich mit den Werten der Demokratie auseinanderzusetzen. Die eigene Meinung klar zu äußern, ohne direkte Zustimmung zu erwarten und die eventuell abweichende Meinung des Gegenübers auszuhalten, seien zentrale Kompetenzen des Zusammenlebens, die eingeübt werden könnten und müssten.

Studienstiftung des deutschen Volkes

Die Förderung der Studienstiftung des deutschen Volkes zielt auf Studierende und Promovierende, die eine herausragende künstlerische oder wissenschaftliche Begabung in den Dienst der Allgemeinheit stellen, betonte Annette Julius, Generalsekretärin der Studienstiftung.

Es würden Menschen aller politischen und weltanschaulichen Haltung gefördert, die sich innerhalb der demokratischen Werteordnung bewegen würden. Die Veranstaltungen der Stiftung würden besonders Chancen zur Auseinandersetzung mit Differenz und demokratisches Lernen bieten.

Stiftung der Deutschen Wirtschaft

Unter dem Motto „Wir stiften Chancen!“ folgt die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) in ihrer Förderung der Vision einer Gesellschaft, in der alle jungen Menschen ihr Potenzial ausschöpfen können, betonte Michael Baer von der Bereichsleitung des Studienförderwerks. Die Förderangebote umspannten die gesamte Bildungskette von der frühkindlichen Bildung bis hin zum Berufseinstieg. Kernbestandteile aller Programme seien Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung und Angebote für erfolgreiche Bildungsübergänge, betonte Baer.

Mit dem Studienförderwerk Klaus Murmann unterstütze die sdw besonders leistungsfähige und -bereite Studierende und Promovierende. Sie sollen lernen, in gesellschaftlicher Verantwortung unternehmerisch zu denken und zu handeln und damit einen gesellschaftlichen, kulturellen oder wirtschaftlichen Wert für andere und für sich selbst zu schaffen.

Stiftung Begabtenförderwerk berufliche Bildung

Die Stiftung Begabtenförderwerk berufliche Bildung betrachtet berufliche und akademische Bildung grundsätzlich als gleichwertig und steht für größtmögliche Durchlässigkeit der verschiedenen Bildungsgänge, betonte Geschäftsführer Wolf Dieter Bauer. Die Stiftung engagiere sich mit ihrem Studienförderwerk für leistungsstarke Studierende und Promovierende auf ihrem Weg zu künftigen Verantwortungsträgern, wolle aber auch mit passgenauen Programmen Auszubildende beziehungsweise Schülerinnen und Schüler auf dem Weg in eine berufliche Ausbildung unterstützen.

Bauer betonte, Förderung und Betreuung müssten optimal auf die Bedürfnisse, Profile, Interessen und Teilnahmemöglichkeiten der jeweiligen Zielgruppen zugeschnitten sein. Begabte in der beruflichen und akademischen Bildung hätten unterschiedliche Rahmenbedingungen und Förderbedürfnisse.

Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung

Ralf Richter, Leiter der Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung, betonte, dass die Stiftung als gewerkschaftliches Begabtenförderungswerk talentierte junge Menschen entlang der Bildungsbiografie vom Abitur bis zur Habilitation Stipendien vergebe. Jährlich seien dies rund 2.400 Stipendien für Studierende und 450 für Promovierende. Die Finanzierung erfolge aus öffentlichen Mitteln. Aus Eigenmitteln unterstütze die Stiftung den Erwerb des (Fach-)Abiturs über den zweiten Bildungsweg jedes Jahr mit mehr als 50 Stipendien.

Hinzu komme die Einrichtung von Promotionsverbünden in Form von Promotionskollegs und Nachwuchsforschungsgruppen. Ferner unterstütze die Stiftung mit dem Maria-Weber-Grant Post-Docs insbesondere Frauen auf ihrem Weg zur Professur. Die Zugänge zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe dürften nicht von der sozialen Herkunft abhängig sein, betonte Richter. Die Stiftung habe das Ziel, Chancengleichheit beim Zugang zu Hochschulbildung zu schaffen.

Evangelisches Studienwerk

Friederike Faß vom Evangelischen Studienwerk unterstrich, dass das Studienwerk Villigst Menschen aller Konfessionen und Religionen, aller Hautfarben und auch Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen fördere. Das evangelische Profil zeige sich unter anderem in der Dialogbereitschaft, auch über verschiedene Glaubensausrichtungen hinweg wie auch in der Einbeziehung der stetig wachsenden Gruppe der religiös Ungebundenen. B

Begabung zeige sich nicht unbedingt in Bestnoten. Darum müssten Noten immer in Relation zu Lebensleistung, Erfahrungshintergrund, Persönlichkeit und Engagement gesehen werden. Dem Studienwerk sei echte Mitbestimmung wichtig. Die Stipendiaten würden mit Sitz und Stimme im Studienwerk entscheidend vertreten sein und würden immer wieder Denkprozesse anregen, wie etwa im vergangen Jahr die Positionierung gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Cusanuswerk

Menschen fördern, die selbst zu Förderern für andere werden, diesem Gedanken fühlt sich das Cusanuswerk verpflichtet. Das stellte Thomas Scheidtweiler, Generalsekretär des Werks, heraus, das der katholischen Kirche nah steht. Seit 1956 habe das Cusanuswerk mehr als 10.000 junge Menschen an allen Hochschularten gefördert, die selbst zu Förderern für andere wurden.

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten würden befähigt, ihre Talente und ihr Gestaltungsvermögen in christlicher Verantwortung dort einzubringen, wo die Zukunft des Gemeinwesens entschieden werde: in Staat, Gesellschaft und Familie, Wissenschaft und Kirche, Wirtschaft, Kultur und Medien. Die Wirkungen der Begabtenförderung stärke die Rolle unterschiedlicher gesellschaftlich relevanter Gruppen im demokratisch differenzierten Gemeinwesen.

Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk

In diesem Jahr werden „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ gefeiert. Dieses Jubiläum sei auch ein Anlass, die Erfolge der jüdischen Gemeinschaft wie auch die Begabtenförderung durch das Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk (ELES) in den Blick zu nehmen, betonte Jo Frank, Geschäftsführer des ELES. Seit der Gründung 2008 habe das Studienwerk rund 1.000 Jüdinnen und Juden aus 27 Herkunftsländern gefördert.

Frank unterstrich, dass das Werk die Begabtenförderung von Anfang an als Chance und Aufgabe verstanden habe, nicht nur die eigene, die jüdische Gemeinschaft, sondern auch die gemeinsame Gesellschaft zu gestalten. Er warnte zudem vor wachsendem Antisemitismus und Hass.

Avicenna-Studienwerk

Das Avicenna-Studienwerk ist das jüngste der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Begabtenförderungswerke. Es will an der Heranbildung verantwortungsbewusster und qualifizierter muslimischer Persönlichkeiten mitwirken und diese auf Führungspositionen in Wissenschaft, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur vorbereiten, unterstrich Hakan Tosumer, Geschäftsführer des Avicenna-Studienwerks.

Das Werk fördere leistungsstarke und sozial engagierte muslimische Studierende und Promovierende aller Fächer. Aktuell sind das laut Tosumer 500. Davon seien 90 Prozent Studierende und zehn Prozent Promovierende, 98 Prozent hätten eine Migrationsgeschichte und davon zehn Prozent eine Fluchterfahrung. Insgesamt seien 56 Prozent weiblich und zwei Drittel Erstakademikerinnen und Erstakademiker. (rol/21.04.2021)