Um zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung zum Thema Kaufrecht ging es in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch, 5. Mai 2021. Die Vorlagen — zur Umsetzung der EU-Richtlinien über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (19/27653) und zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags (19/27424, 19/28174) — wurden in der Sitzung unter der Leitung des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) überwiegend begrüßt. Mehrere Sachverständige plädierten in ihren schriftlichen Stellungnahmen allerdings für ein offensiveres Herangehen an die Materie.
Mit dem ersten Entwurf (19/27653) soll das deutsche Vertragsrecht entsprechend der Digitale-Inhalte-Richtlinie künftig auch Verbraucherverträge über digitale Produkte umfassen. Der zweite (19/27424, 19/28174) dient der Umsetzung der EU-Warenkauf-Richtlinie und soll für ein hohes Verbraucherschutzniveau sorgen.
„Umsetzung der EU-Richtlinien ein Meilenstein“
Für Prof. Dr. Markus Artz von der Universität Bielefeld stellt die Umsetzung der beiden Richtlinien einen Meilenstein der Fortentwicklung des deutschen Vertragsrechts dar. Die beiden Gesetzentwürfe hielten sich erfreulich eng an den Vorgaben und seien außerordentlich gut gelungen und geeignet, sowohl den Verbraucherschutz auf dem Feld des Vertragsrechts fortzuentwickeln als auch die Systematik des geltenden Schuldrechts an die aktuellen Bedürfnisse anzupassen.
Aus der Sicht von Prof. Dr. Ivo Bach von der Georg-August-Universität Göttingen hat die Warenkauf-Richtlinie vollharmonisierende Wirkung, daher dürften die Mitgliedstaaten weder zugunsten noch zulasten des Verbrauchers von deren Vorgaben abweichen. Dem werde der Regierungsentwurf nahezu vollständig gerecht. Es bestehe nur geringfügiger Änderungsbedarf. Entscheidungsspielraum habe der deutsche Gesetzgeber vor allem in denjenigen Bereichen, in denen die Richtlinie Öffnungsklauseln enthält. Das Potenzial dieser nationalen Gestaltungsmöglichkeiten bei den Fristen bleibe im Entwurf weitgehend ungenutzt. Hier hier seien kraftvollere, mutigere Regelungen empfehlenswert.
Nicht nur Verbraucherverträge betroffen
Auch Prof. Dr. Florian Faust von der Hamburger Bucerius Law School hält die Umsetzung der beiden Richtlinien im Wesentlichen für gelungen. Die Gesetzentwürfe orientierten sich sehr stark am Text der Richtlinien und teilten deshalb deren Ungenauigkeiten und Schwächen. Faust regte an, die Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie nicht auf Verbraucherverträge zu beschränken. Die Richtlinie gestatte ausdrücklich eine derartige Umsetzung. Dadurch würde ein Gleichlauf mit dem Kaufrecht erreicht.
Georg Grünhoff vom Handelsverband Deutschland sprach sich für eine zurückhaltende Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie aus. Sie sollte den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag entsprechend unbedingt „eins zu eins“ vorgenommen werden, forderte Grünhoff. Allein die auf europäischer Ebene bereits beschlossene Verlängerung der Beweislastumkehrfrist auf ein Jahr werde für den Einzelhandel nach überschlägiger Berechnung Zusatzkosten in Höhe von rund 130 Millionen Euro jährlich verursachen. Eine Eins-zu-eins-Umsetzung sei aber auch mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise dringend geboten.
Verbraucherschützer sind nicht zufrieden
Jutta Gurkmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärte, der Gesetzgeber habe die Regelungen der Digitale-Inhalte-Richtlinie gut in die deutsche Gesetzgebungssystematik übertragen. Bei der Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie seien für den vzbv vor allem die Verlängerung der Gewährleistungsdauer, die Verlängerung der Dauer der Beweislastumkehr sowie die Update-Pflicht zentrale Elemente. Hier seien die vorliegenden Regelungsvorschläge unbefriedigend. Die eingeräumten Spielräume würden nicht genutzt. Bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung dürfe es nicht bleiben.
Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth betonte in seiner Stellungnahme, für Kaufrecht wie Digitalvertragsrecht bedeuteten die Gesetzentwürfe epochale Eingriffe mit strukturellen Konsequenzen für das Schuldvertragsrecht. Vor diesem Hintergrund und sowohl wegen der erheblichen Eingriffe in das Kaufrecht als auch wegen der bislang deutlich unterschätzten Bedeutung der Neuregelung zu digitalen Produkten sei die Kürze der Befassung im Rechtsausschuss bedauerlich.
Keine Vertragsparität
Der Verbraucherforscher Prof. Dr. Tobias Brönneke von der Hochschule Pforzheim erklärte, die Regierungsvorlage verpasse es, im Hinblick auf langlebige Konsumgüter die Voraussetzungen für eine Vertragsparität herzustellen. Bei langlebigen Gütern, die für Privathaushalte häufig den Charakter einer echten Investition hätten, müsse der Käufer nach den derzeitigen Marktgepflogenheiten „die Katze im Sack kaufen“. Gerade bei komplexen technischen Produkten werde für die Käufer schließlich auch die Beweislast zu einer praktisch nicht übersteigbaren Hürde. Daher sei Abhilfe geboten und mit wenigen Regelungen auch möglich.
Emmanouil Kampitakis vom Chaos Computer Club begrüßte, dass die Rechte der Verbraucher und Verbraucherinnen bei digitalen Diensten und Dienstleistungen fester Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden sollen. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie gehe in die richtige Richtung, es gebe jedoch noch Verbesserungspotenzial. Nicht enthalten, aber wünschenswert, seien unter anderem Regelungen zur Vermeidung von technisch einwandfreiem Elektroschrott, zum Betreiben von Geräten unabhängig vom Hersteller, zur Angabe eines garantierten Updatezeitraums und zum Recht auf Reparatur.
Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie
Wie aus dem Entwurf zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie (19/27653) hervorgeht, enthält das deutsche Vertragsrecht bislang keine speziellen Vorschriften für Verbraucherverträge über digitale Produkte und muss daher an die EU-Richtlinie 2019 / 770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen angepasst werden. Die Umsetzung der Richtlinie erfordere insbesondere Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Eine Alternative zu der im Entwurf vorgesehenen Umsetzung der Richtlinie durch Änderung des BGB bestehe aufgrund der EU-rechtlichen Umsetzungspflicht nicht. Zu den Folgen heißt es unter anderem, Unternehmer könnten sich durch die Änderungen im Gewährleistungsrecht, die Verlängerung der Dauer der Beweislastumkehr und die verlängerten Verjährungsfristen einer erhöhten Anzahl an Gewährleistungsfällen gegenübersehen.
Umsetzung der EU-Warenkauf-Richtlinie
Zur Umsetzung der EU-Warenkauf-Richtlinie heißt es in dem entsprechenden Gesetzentwurf (19/27424, 19/28174), dass das geltende Kaufvertragsrecht des BGB zu großen Teilen auf einer EU-Richtlinie beruht, die durch die Richtlinie 2019 / 771 mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ersetzt werden soll. Zweck der Warenkauf-Richtlinie sei es, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des digitalen Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, indem gemeinsame Vorschriften, insbesondere über bestimmte Anforderungen an Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über Sachen mit digitalen Elementen, festgelegt werden.
Zur Umsetzung gehören laut Entwurf unter anderem eine Neudefinition des Begriffs der Sachmangelfreiheit, die Einführung einer Aktualisierungsverpflichtung für Sachen mit digitalen Elementen, die Einführung von Regelungen für den Kauf von Sachen mit dauerhafter Bereitstellung von digitalen Elementen und die Verlängerung der Beweislastumkehr im Hinblick auf Mängel auf ein Jahr. (mwo/05.05.2021)