Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

Nachhaltigkeit in Konsum, Produktdesign und Beklei­dung

Zeit: Mittwoch, 3. März 2021, 18 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus

Produkten wieder einen Wert zu geben, forderte Gunda Rachut, Vorstand der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), am Mittwoch, 3. März 2021, vor dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung unter Vorsitz von Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU). Viele Güter würden immer kurzlebiger, sagte sie während eines öffentlichen Fachgespräches zum Thema „Nationales Programm für nachhaltigen Konsum/Nachhaltiges Produktdesign/Nachhaltige Bekleidung“.

Teufelskreis der negativen Wertspirale

„Wie können wir Produkten wieder einen Wert geben, wenn sie diesen aus sich heraus nicht mehr haben“, fragte sie. Derzeit würden viele Produkte sehr günstig hergestellt. Vorteil dessen sei, dass sie allen Bevölkerungsschichten zur Verfügung stünden. Der Verbraucher schaue nach dem Preis eines Produktes, nicht nach dem Wert. Da für den Hersteller das verkaufte Gut keinen Wert mehr darstellt, sei auch er ausschließlich an einer günstigen Herstellung interessiert.

„Diese negative Wertspirale zieht sich durch den gesamten Wertstoffprozess“, sagte Rachut. Eine Wegwerfgesellschaft entstehe sowohl ökonomisch als auch „im Kopf der Verbraucher“. Diese Logik ziehe einen Teufelskreis nach sich: Immer mehr Produkte mit einer immer kürzeren Lebensdauern – und alle verpackt.

Ordnungsrechtliche Strategien stoßen an Grenzen

Auf EU-Ebene werde nun versucht, „mit einem Strauß ordnungsrechtlicher Maßnahmen“ diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sagte die Expertin. Recyclingfreundlich, modular und reparierbar sollen die Produkte sein. „Alles richtig, es führt aber zu Zielkonflikten“, bewertete Rachut dies. Ordnungsrechtliche Strategien würden das grundsätzliche Problem ohnehin nicht lösen.

Es gebe lediglich zwei Strategien um diese negative Wegwerfspirale  zu durchbrechen. Zum einen könnten „externe Kosten internalisiert werden“. Strategie Nummer zwei bestehe darin, „das Eigentum an Gütern beim Hersteller zu belassen“. Beispiel dafür sei die Ausschreibung der Beleuchtung eines Flughafens als Dienstleistung. Die Bieter seien dadurch gezwungen gewesen, sich über die verwendeten Lampen und auch deren Stromverbrauch Gedanken zu machen, weil für das Gewinninteresse auch der Stromverbrauch relevant war, sagte Rachut.

Schwierigkeiten disruptiver Technologien

Über die Schwierigkeiten für disruptive Technologien im Chemiebereich sprach Prof. Dr. Lars Borchardt vom Lehrstuhl für Anorganische Chemie an der Ruhr-Universität Bochum. Innovationen, die das Zeug dazu hätten, die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie zu ersetzen oder diese vollständig vom Markt zu verdrängen, hätten es wegen der Giganten am Markt, die mit ihren bestehenden großen Anlagen Gewinne machten, besonders schwer. Die Idee sei daher, auf kleinteilige Produktionen zu setzen, die flexibler und zugleich offener für Veränderungen seien.

Aus eigener Erfahrung wisse er aber auch, dass es disruptive Forschungsvorhaben ungleich schwerer haben, ihren Platz in der deutschen Forschungslandschaft zu finden, als inkrementelle Forschung, die sich an Bekanntem orientiere und auf Optimierung abziele. Beides sei wichtig, betonte Borchardt. „Wenn wir aber zu sehr auf inkrementelle Forschung setzen, werden wir mittel- und langfristig von anderen Ländern überholt“, gab er zu bedenken. „Wenn wir den Anschluss an die Weltspitze nicht nur halten wollen, sondern Weltspitze neu definieren wollen, sollten wir mehr disruptive Forschungen ermöglichen“, forderte der Chemiker. (hau/03.03.2021)

Liste der Sachverständigen

  • Prof. Dr. rer. nat. Lars Borchardt, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Anorganische Chemie I
  • Gund Rachut, Vorstand der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR)

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