Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan
Der Bundestag hat am Donnerstag, 4. März 2021, über die Fortsetzung der Bundeswehrbeteiligung an dem Nato-geführten Einsatz „Resolute Support“ in Afghanistan beraten. Der Debatte lag ein Antrag der Bundesregierung (19/26916) zugrunde. Mitberaten wurde zudem die Antwort der Bundesregierung (19/16274) auf eine Große Anfrage der AfD-Fraktion (19/10492) zu den Ergebnissen der deutschen Aufbau- und Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan 2002 bis 2018. Darüber hinaus hat die AfD in einem Antrag (19/27199) den zeitnahen Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan gefordert. In Anschluss der Debatte wurden der Antrag der Bundesregierung und der AfD-Antrag in den federführenden Auswärtigen Ausschuss überwiesen.
Antrag der Bundesregierung
Das aktuelle Mandat läuft Ende März 2021 aus und soll um zehn Monate bis zum 1. Januar 2022 verlängert werden. Wie bisher sollen bis zu 1.300 Soldaten im Rahmen der Nato-Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission „Resolute Support“ entsendet werden können. Ausbildung, Beratung und Unterstützung durch die deutschen Kräfte finden in Kabul, Bagram, Masar-e Scharif und Kunduz, darüber hinaus weiterhin in Einzelfällen und zeitlich begrenzt auch im übrigen Operationsgebiet in Afghanistan statt.
Auftrag der Mission ist es, die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu befähigen, ihrer Sicherheitsverantwortung nachzukommen. Dazu sollen sie vorrangig auf der ministeriellen und der nationalen institutionellen Ebene beraten und unterstützt werden. Die Bundeswehrsoldaten sollen laut dem Mandat „über die Sicherung des von der Nato eingesetzten Personals hinaus auch im zivilen Wiederaufbau eingesetztes Personal der internationalen Gemeinschaft im Notfall“ und in Abstimmung mit der afghanischen Seite unterstützen dürfen.
Die Kosten der Mandatsverlängerung beziffert die Bundesregierung für den Zeitraum vom 1. April 2021 bis zum 31. Januar 2022 voraussichtlich auf insgesamt rund 382 Millionen Euro.
Antrag der AfD
Die AfD fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag (19/27199) auf, den Abzug der deutschen Streitkräfte und der deutschen Entwicklungsorganisationen zu veranlassen sowie die deutschen Unterstützungskräfte aus Verwaltung, Justiz und Polizei zeitnah abzuziehen. Die fortgeschrittenen Gespräche zwischen den Taliban und den übrigen afghanischen Akteuren sowie den relevanten internationalen Organisationen solle sie weiterhin als Mediator begleiten.
Mit internationalen Organisationen und den Nachbarländern Afghanistans müsse ein Mechanismus zur Überprüfung etwaiger Abkommen zwischen den Taliban und den übrigen afghanischen Akteuren entwickelt werden, damit sichergestellt ist, dass die Taliban zukünftig einen von Afghanistan ausgehenden Terrorismus unterbinden. Der neuen US-Administration müsse versichert werden, dass Deutschland auch in Zukunft ein verlässlicher Partner im Nato-Bündnis bleiben werde, sofern sich die Nato als rein defensives Verteidigungsbündnis verstehe. Darüber hinaus solle eine Evaluation des Afghanistan-Einsatzes seit 2001 vorgenommen werden.
Antwort der Bundesregierung
Das Engagement von afghanischer Regierung, Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft hat aus Sicht der Bundesregierung in den vergangenen 17 Jahren wichtige und greifbare Ergebnisse hervorgebracht: „In Afghanistan gibt es seit 2002 keine relevanten Operationsbasen für weltweit agierende islamistische Terroristen mehr“, schreibt die Bundesregierung in der Antwort (19/16274) auf eine Große Anfrage der AfD-Fraktion (19/10492). Die Exekutive werde von einem demokratisch legitimierten Parlament kontrolliert. Die gesellschaftliche Stellung von Frauen habe sich wesentlich verbessert. Es gebe eine vielfältige Medienlandschaft und weitgehend freie politische Debatten. „Bildungsmöglichkeiten wurden durch neue Schulen, Universitäten und die Ausbildung von Lehrern verbessert. Die Gesundheitsversorgung und Lebenserwartung sind auf einem deutlich höheren Niveau als je zuvor in der afghanischen Geschichte.“ Lebenswichtige Transport- und Versorgungsinfrastruktur seien gebaut und wiederhergestellt worden. Dazu habe auch das deutsche Engagement wesentlich beigetragen.
Gleichwohl sind in allen Bereichen weitere Anstrengungen nötig, schreibt die Bundesregierung. „Der in Jahrzehnten bewaffneter Konflikte entstandene Rückstand bei der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung besteht fort. Korruption und Menschenrechtsverletzungen bleiben ernsthafte Probleme.“ Gerade die letzten Jahre hätten gezeigt, wie brüchig auch bereits erzielte Ergebnisse noch seien. „Auch ist der Zeitraum seit 2001 nicht als Geschichte eines ungebrochenen Fortschritts zu begreifen, sondern umfasst Rückschläge sowie Phasen der Stagnation, in denen internationale Unterstützung wenigstens eine weitere Verschlechterung verhindert hat.“
Große Anfrage der AfD
Die AfD hatte sich in ihrer Großen Anfrage nach „Ergebnissen der deutschen Aufbau- und Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan 2002 und 2018“ (19/10492) erkundigt. Die Abgeordneten verweisen darin auf das Petersberger Abkommen von 2001 und entsprechende Nachfolgeabkommen, mit denen Deutschland Verpflichtungen zum Wiederaufbau und zur Stabilisierung des Landes eingegangen ist. Die Bundesregierung soll Auskunft geben zu einer Reihe von Zielen, die in diesen Abkommen formuliert worden sind, darunter unter anderem zur Versorgung der Haushalte mit Strom und Leitungswasser, zum Zugang zu Schulbildung und medizinischer Grundversorgung, zur Schaffung einer modernen und effizienten Verwaltung und zum Aufbau der Afghanischen Nationalpolizei.
Gefragt wird ferner nach den Gesamtkosten des deutschen Afghanistanengagements unter Einbeziehung der indirekten Kosten und nach den „Gesamtkosten des Afghanistankonfliktes, bei Einbeziehung aller von internationalen Akteuren zur Verfügung gestellten Mittel, jeweils in den Jahren 2002 bis 2018“. Außerdem wollen die Abgeordneten erfahren, wie viele konfliktbedingten zivile Todesopfer in Afghanistan zwischen 1989 und 2018 zu beklagen sind und ob die Bundesregierung ihre derzeitigen Ziele in Afghanistan für „angemessen, realistisch und erreichbar“ hält, wenn sie zugleich eingestehen müsse, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Teile ihres Territoriums verloren habe. (ahe/sas/04.03.2021)