Zukunft der sogenannten Minijobs kontrovers erörtert
Die Fraktion Die Linke will Minijobs ab dem ersten Euro sozialversicherungspflichtig machen. „Diese Beschäftigungsform ist frei von sozialem Schutz, deshalb muss dem Einhalt geboten werden“, begründete Susanne Ferschl den eingebrachten Antrag (19/24003) in der Debatte am Freitag, 20. November 2020. Minijobber würden oft als billige Arbeitskräfte missbraucht, erhielten keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Löhne lägen häufig unter denen von regulär Beschäftigten. Minijobs seien keine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt, betonte Ferschl und widersprach damit der FDP, deren Antrag „Minijobs dynamisieren“ (19/24370) ebenfalls erstmals beraten wurde. Beide Anträge soll nun im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales weiterberaten werden.
„Minijobs sind ein Erfolgsmodell“
Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober, verwies auf die Rand- und Stoßzeiten in Landwirtschaft, Hotellerie, Gastronomie und Kultur, wo Minijobber gebraucht würden. „Minijobs sind ein Erfolgsmodell“, betonte Kober.
Der CDU-Abgeordnete Torbjörn Kartes warf der Fraktion Die Linke eine „faktische Abschaffung des Minijobs“ vor. Gleichzeitig widersprach er der Forderung nach einer sofortigen Anhebung des Mindestlohns. Damit würden gerade in der aktuellen Krise alle Bemühungen konterkariert, dass möglichst wenige Menschen ihren Job verlieren, sagte er.
„Arbeitsspitzen mit Minijobs abdecken“
Der CSU-Sozialexperte Max Straubinger betonte, das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis müsse immer im Vordergrund stehen. Aber um Arbeitsspitzen in bestimmten Bereichen abzudecken, würden Minijobs gebraucht.
Minijobber gehörten zu den großen Verlierern der aktuellen Krise, sagte die SPD-Abgeordnete Gabriele Hiller-Ohm. Wenn, wie von der FDP gefordert, die Lohnobergrenze auf 660 Euro hochgeschraubt werde, würden rund 500.000 reguläre Jobs zu Minijobs degradiert werden. Sie betonte: „Auch Minijob und Altersarmut sind zwei Seiten genau derselben Medaille.“ Zudem sei es auch volkswirtschaftlich falsch, Minijobs auszuweiten. „Sie verschärfen den Fachkräftemangel“, sagte Hiller-Ohm.
„Arbeit muss zum Leben passen und sozial absichern“
Bündnis 90/Die Grünen sprachen sich ebenfalls für die volle Sozialversicherungspflicht bei Minijobs und eine sofortige Erhöhung des Mindestlohnes auf zwölf Euro aus. Allerdings brauche es ein gutes Konzept, und das habe die Fraktion Die Linke nicht vorgelegt, sagte Beate Müller-Gemmeke. Die Obergrenze von 22 Wochenarbeitsstunden lehnte sie jedoch ab. „Arbeit muss zum Leben passen und sozial absichern“, sagte Müller-Gemmeke.
Die AfD-Fraktion verwies ebenfalls darauf, dass Minijobber die ersten seien, die in der Krise ihren Job verloren haben. Menschen, die in Minijobs arbeiteten, seien aber auf das Geld angewiesen, sagte ihr Sozialexperte Jürgen Pohl. Auch Minijobber müssten einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, forderte er. Diese Benachteiligung müsse überwunden werden.
Antrag der Linken
Die Linke verlangt in ihrem Antrag (19/24003), jede abhängige Beschäftigung solle ab dem ersten Euro der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegen. Ziel sei es, so geringfügige Beschäftigung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu überführen. Zudem solle eine Mindeststundenanzahl in Höhe von 22 Stunden pro Woche gelten, von der nur auf Wunsch der Beschäftigten nach unten abgewichen werden darf, schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag. Darüber hinaus sprechen sie sich dafür aus, den gesetzlichen Mindestlohn umgehend auf mindestens zwölf Euro zu erhöhen. Außerdem solle die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, die den Niedriglohnsektor eindämmen, die Tarifbindung erhöhen sowie die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifabschlüssen erleichtern, so die Forderung der Fraktion.
Als Begründung verweist die Linksfraktion darauf, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse „nicht krisensicher“ seien. Laut Bundesagentur für Arbeit zeigten sich bei der geringfügig entlohnten Beschäftigung (Minijobs) „deutliche Auswirkungen der Corona-Krise“. Betroffen seien vor allem ältere Menschen, die ihre Rente aufbessern, Beschäftigte im Niedriglohnbereich, die auf einen Zweitjob angewiesen sind, oder Studierende, die so ihr Studium finanzierten, schreiben die Abgeordneten. Erschwerend komme hinzu, dass Minijobbende weder Anspruch auf Arbeitslosengeld I noch auf Kurzarbeitergeld haben. „Das Versprechen ‚brutto für netto‘ erweist sich für die Mehrheit von ihnen nun als Bumerang, und viele fallen direkt ins Hartz-IV-System oder geraten in existenzielle Nöte.“
Antrag der FDP
Die Liberalen fordern in ihrem Antrag (19/24370) die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Verdienstgrenze bei geringfügiger Beschäftigung auf das 60-fache des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns festlegt und damit dynamisiert. In den letzten Jahren seien Minijobber von der Politik benachteiligt und von der Lohnentwicklung und Steigerung des Mindestlohns entkoppelt worden, schreiben die Abgeordneten zur Begründung.
Seit 2013 sei die monatliche Verdienstgrenze unverändert bei 450 Euro festgeschrieben und so sei inflationsbereinigt bei Minijobbern am Ende des Monats immer weniger Geld vorhanden. „Der steigende Mindestlohn führt bei allen Arbeitnehmern zu höheren Monatseinkommen, nur nicht bei den Minijobbern. Steigt der Mindestlohn, müssen diese die Stundenzahl reduzieren“, heißt es in dem Antrag. (sk/20.11.2020)