Bundestag streitet über eine Strategie mit Schnelltests
Die verfügbaren Schnelltests sind nach Auffassung aller Fraktionen im Bundestag ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Allerdings wird über den Einsatz der Tests und die dahinter stehende Strategie heftig gestritten. In einer einstündigen Aussprache über einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Schneller, einfacher, freier − Mit Corona-Selbsttests zurück in die Normalität“ (19/26878) zum massenhaften Einsatz von Selbsttests hielt die Opposition der Bundesregierung am Donnerstag, 25. Februar 2021, vor, wiederholt zu spät reagiert und falsche Erwartungen geweckt zu haben. Der Bundestag überwies den FDP-Antrag zur weiteren Beratung an den federführendend Gesundheitsausschuss.
FDP: Zulassung von Selbsttests dauert zu lange
Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) kritisierte, die Zulassung von Selbsttests sei in Deutschland kompliziert und dauere viel zu lange. Er verwies auf das Beispiel Österreich. Dort seien bereits 250 Selbsttest-Anbieter auf dem Markt, in Deutschland seien nun drei solche Tests zugelassen, aber noch keiner verfügbar. Mit einem vereinfachten Verfahren und einer Selbstverpflichtung der Hersteller könnten Selbsttests ohne Einbußen der Qualität zügig auf den Markt gebracht werden. Diese Tests könnten anschließend ein reguläres Zulassungsverfahren durchlaufen.
Ullmann betonte, den Menschen müsse mit Schnelltests eine Perspektive aufgezeigt werden und ein Weg aus dem Lockdown. So könnten Grundrechte zurückgegeben werden. „Geschwindigkeit mit Qualitätsgarantie ist hier die Marschrichtung.“ Mit Hilfe der Selbsttests bestehe die Chance, in die Normalität zurückzukommen. In Anspielung auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der FDP-Politiker: „Statt einen Ankündigungsminister in langsamer Nebelfahrt wollen wir eine Politik der verantwortungsvollen Perspektive.“
Linke: Test-Möglichkeit darf nicht vom Geldbeutel abhängen
Auch Dr. Achim Kessler (Die Linke) warf der Bundesregierung ein zögerliches Krisenmanagement vor. Schnelltests und Selbsttests seien wichtig im Kampf gegen die Pandemie und müssten flächendeckend kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Spahn habe das Thema jedoch „monatelang verschlafen“. Milliarden Euro seien für Impfungen und Masken ausgegeben worden, bei Schnelltests sei jedoch nichts passiert. Er rügte: „Die fortgesetzte Weigerung, vorausschauend Maßnahmen vorzubereiten, wirft die Frage auf, ob Sie in der Pandemie regierungsfähig sind.“
Die Möglichkeit zu testen dürfe nicht vom Geldbeutel abhängen, fügte Kessler hinzu. Wer sich privat teste, beweise Rücksicht, Verantwortungsbewusstsein und Solidarität. Dass kostenlose Schnelltests angekündigt würden und dann mit Verspätung kämen, sei eine große Enttäuschung. Der Linken-Abgeordnete sprach von einem „Totalversagen“ der Regierung. Der FDP gehe es mit dem vereinfachten Zulassungsverfahren offenbar mehr um Wirtschaftsförderung als um den Schutz der Menschen. Dies sei „unverantwortlicher Unfug“.
AfD: Schnelltest kann den PCR-Test nicht ersetzen
Die AfD stellte den Sinn von Corona-Tests nicht infrage, erinnerte aber an die unterschiedliche Zuverlässigkeit der Tests. Detlev Spangenberg (AfD) sagte, Schnelltests seien im Ergebnis nicht sicher, sie könnten falsch-negativ oder falsch-positiv ausfallen. Somit könne ein Schnelltest den zuverlässigen PCR-Test nicht ersetzen. Wenn Schnelltests massenhaft eingesetzt werden sollten, stelle sich auch die Frage, wo die vielen Tests eigentlich herkommen sollen und wer das bezahle.
Je mehr Schnelltests zum Einsatz kämen, desto mehr positive Testergebnisse wären auch zu erwarten. Viele positive Ergebnisse könnten zur Verunsicherung der Bevölkerung und zu einem Dauer-Lockdown führen. Spangenberg sagte, Selbsttests könnten sinnvoll sein, aber sie müssten freiwillig und eigenverantwortlich angewendet werden. Der Lockdown sollte auch ohne Dauertestung beendet werden.
Grüne: Kakofonie statt Strategie bei der Regierung
Nach Ansicht der Grünen-Fraktion mangelt es an einem Konzept. Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es sei kein Geheimnis, dass Testen zu den wirksamsten Instrumenten gegen die Pandemie gehöre, die Ausgestaltung der nationalen Teststrategie sei allerdings das Geheimnis der Regierung. „Statt Strategie nehme ich vor allem Kakofonie wahr.“ Es sei verwirrend und verantwortungslos, kostenlose Schnelltests anzukündigen und dann den Termin einfach zu verschieben. „Wir waren zu langsam und zu spät, wir rennen der Ausbreitung des Virus hinterher.“
Dahmen warf der Bundesregierung einen mangelnden Willen vor, den Selbsttest als „game changer“ einzusetzen. Möglichst viele Menschen müssten Schnelltests selbst anwenden können, damit würde ihnen ihre Handlungsfähigkeit zurückgegeben. Die Selbsttests seien zuverlässig, kostengünstig und bänden kein Fachpersonal. Die Bürger bräuchten jetzt ein „Sicherheitsgeländer gegen das Virus“.
CDU/CSU: Nicht ins Blaue hinein testen
Vor möglichen negativen Auswirkungen massenweise eingesetzter Schnelltests warnte hingegen Stephan Pilsinger (CDU/CSU). „Wir müssen gezielt testen und nicht ins Blaue hinein.“ Die Schnelltests seien ein wirkungsvolles Mittel, aber kein Allheilmittel. Tests seien zudem nur eine Momentaufnahme. Schnelltests könnten etwa in Kitas und Schulen zum Einsatz kommen. Mit solchen Tests könnten Menschen erkannt werden, die hochansteckend seien. Dieser Vorteil sollte genutzt werden.
Gleichwohl müssten die Corona-Auflagen eingehalten werden, forderte Pilsinger. Mit Tests könnten die Fallzahlen nicht reduziert werden, das gehe nur über Impfungen. Er erinnerte an die besonders ansteckenden Virus-Mutationen. Der Anteil der Briten-Mutante liege inzwischen bei über 30 Prozent und bewirke offenbar auch schwerere Krankheitsverläufe. Selbst bei ausreichend vielen Schnelltests sein eine komplette Lockerung nicht möglich.
SPD: So viele Optionen haben wir nicht mehr
Hilde Mattheis (SPD) mahnte, es gebe eine hohe Erwartungshaltung in der Bevölkerung für eine Perspektive aus dem Lockdown und zurück zur Normalität. Auch sie forderte eine präzise Teststrategie inklusive Aufklärung und Handlungsanweisungen. Bürger müssten wissen, was bei einem positiven Schnelltest getan werden müsse und wo der PCR-Test gemacht werden könne. Vorgaben bräuchten auch Schulen, Discounter und Apotheker. Zu klären seien Fragen der Abrechnung und der Logistik.
Mattheis warnte davor, die hohen Erwartungen zu enttäuschen und Vertrauen einzubüßen. Wichtig sei eine vorausschauende Planung und Organisation. Sie fügte hinzu: „So viele Optionen haben wir nicht mehr.“ Einen Fehlschlag könne sich die Politik nicht erlauben.
Antrag der FDP
Die FDP fordert von der Bundesregierung in ihrem Antrag (19/26878) unter anderem, das Inverkehrbringen von minimal invasiven Antigen-Schnelltests zur Selbstanwendung zu ermöglichen. Die Hersteller müssten über eine einfache und unbürokratische Selbstverpflichtung bestätigen, dass bei Eigenanwendung ein entsprechendes Sicherheits- und Leistungsniveau erreicht wird und dass die Funktionstauglichkeit und die Einsatztauglichkeit für den geplanten Zweck gewährleistet ist.
Die so in den Verkehr gebrachten Tests müssten anschließend ein Post-hoc Zulassungsverfahren mitsamt einer Konformitätsbewertung durch die benannten Stellen durchlaufen. Durch Verhandlungen mit Herstellern von Antigen-Schnelltests zur Selbstanwendung müssten Kontingente für den deutschen Markt gesichert werden, verlangt die Fraktion. Ziel müsse es sein, dass jede Person täglich einen Antigen-Schnelltest zur Selbstanwendung durchführen kann. Antigen-Schnelltests zur Selbstanwendung sollten von der Umsatzsteuer befreit werden.
Die Corona-Warn-App will die Fraktion um ein digitales Meldeverfahren für Antigen-Schnelltests zur Selbstanwendung weiterentwickeln und dies mit Mitteln aus dem Haushalt des Gesundheitsministeriums finanzieren. Darüber hinaus solle ein unbürokratisches Verfahren entwickelt werden, wie Testergebnisse via Corona-Warn-App an die Gesundheitsämter gemeldet werden können. (pk/25.02.2021)