Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ohne vorherige abschließende Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 25. Februar 2021, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:
Eritrea: Der Bundestag hat gegen die Stimmen der Antragsteller einen Antrag der AfD-Fraktion (19/15071) abgelehnt, der Grundlagen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Eritrea schaffen und den wirtschaftlichen Aufbau der ostafrikanischen Republik forcieren und gestalten wollte. Die Antragsteller wiesen darauf hin, dass Eritrea und Äthiopien im Juli 2018 nach zwei Dekaden ihre Feindseligkeiten formal beendet hätten. Damit besteht ihrer Ansicht nach die „Hoffnung auf langfristige politische und vor allem ökonomische Entwicklungen nicht nur in beiden Ländern, sondern auch in der Region“. Dies sei der richtige Zeitpunkt für deutsche Investitionen in Eritrea und die Aufnahme einer für beide Länder profitablen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die Bundesregierung sollte außerdem die in Deutschland lebenden Eritreer unterstützen, in ihr Heimatland zurückzukehren, damit sie dort zum wirtschaftlichen Aufbau beitragen können. Zum Antrag lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor (19/19056).
Afrika: Die Abgeordneten lehnten gegen die Stimmen der Antragsteller einen weiteren Antrag der AfD-Fraktion (19/20073) für ein 3-Säulen-Modell zur Industrialisierung sowie Energieversorgung und zum Ausbau der Infrastruktur in Afrika ab. Konkret sollte sich die Bundesregierung für das Format eines wirtschaftlich orientierten Austauschs zwischen mit den afrikanischen Staaten sowie der Afrikanischen Union einsetzen und bereits getätigte Neuzusagen im Rahmen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit und in Afrika einfrieren, soweit diese noch nicht rechtsverbindlich geworden seien. Die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Chancen sollte die Bundesregierung nutzen, um auch für die deutsche Wirtschaft den afrikanischen Kontinent als Absatzmarkt für Technologietransfer zu erschließen. Zur Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit vor (19/22901).
Nigeria: Der Bundestag lehnte ferner gegen die Stimmen der Antragsteller einen Antrag der AfD-Fraktion zur Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Nigeria (19/20080) ab. Nigeria gehöre als drittgrößtes afrikanisches Lieferland für deutsche Importe und zweitgrößtes subsahara-afrikanisches Abnehmerland für deutsche Exporte zu den größten Handels- und Wirtschaftspartnern Deutschlands in Afrika, hieß es in einem Antrag. Gleichzeitig wachse die Bevölkerung rasant an. Während der Verhandlungen zu einer privilegierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Nigeria sollte sich die Bundesregierung daher eindeutig zum Thema „Bevölkerungsentwicklung“ sowie deren negative Auswirkungen positionieren. Außerdem sollte sie das Phänomen der illegalen Migration in die EU thematisieren und eine verbindliche Zusicherung der nigerianischen Regierung zur Bekämpfung dieser Migration als Voraussetzung für eine privilegierte wirtschaftliche Zusammenarbeit festlegen. Zur Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor (19/23307).
Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht: Der Bundestag stimmte mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der vier Oppositionsfraktionen einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Aktenzeichen 2 BvF 1 / 21 ab (19/26926) zu. Der Rechtsausschuss hatte empfohlen, zu dem genannten Streitverfahren eine Stellungnahme abzugeben und den Bundestagspräsidenten zu bitten, eine Prozessvertretung zu bestellen. Mit ihrem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle im Hinblick auf Artikel 1 Nummer 3 bis 25 des 25. Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (19/22504, 19/23187) zur Reduzierung der Bundestagsgröße begehren die Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vom Bundesverfassungsgericht die Feststellung, dass die Modifikation des Sitzzuteilungsverfahrens, vor allem das Nichtberücksichtigen von bis zu drei Direktmandaten, mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig ist.
Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag stimmte neun Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen zu, die beim Bundestag eingegangen waren und vom Petitionsausschuss beraten worden sind. Es handelt sich um die Sammelübersichten 797 bis 805 (19/26591, 19/26592, 19/26592, 19/26593, 19/26594, 19/26595, 19/26596, 19/26597, 19/26598, 19/26599).
Petent: SED-Symbole aus öffentlichem Leben entfernen
Darunter befindet sich auch eine Petition mit der Forderung, die Leugnung begangenen Unrechts durch die SED zu verbieten und Symbole der SED-Diktatur aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Aus Sicht des Petenten ist die Aufarbeitung der SED‑Diktatur nur dann glaubwürdig, wenn auch sämtliche Spuren der Diktatur beseitigt werden. Daher dürfe das SED-Unrecht nicht öffentlich geleugnet werden. Symbole wie etwa Lenin-Denkmäler müssten beseitigt oder versetzt werden. Auch müssten Straßen, die nach SED-Funktionären benannt sind, umbenannt werden, heißt es in der Petition. Vorgeschlagen wird ein mit der Auseinandersetzung mit nationalsozialistischen Funktionären vergleichbares Vorgehen. Die Konfrontation mit kommunistischem Gedankengut, so schreibt der Petent, der sich bis 1984 in DDR-Haft befunden habe, bedeute eine ständige Erinnerung an das Erlebte und damit eine Retraumatisierung.
Die durch den Petitionsausschuss in seiner Sitzung am 10. Februar 2021 verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz „als Material“ zu überweisen, „soweit geprüft werden soll, inwieweit SED-Symbole als verfassungswidrig eingestuft werden können“, und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zufolge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition unter Beachtung der erwähnten Einschränkung „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.
Bund für die Umbenennung von Straßen nicht zuständig
Wie der Petitionsausschuss in der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung schreibt, enthält das Strafgesetzbuch (StGB) bereits Straftatbestände, mit denen grundsätzlich der spezifische Unrechtsgehalt und damit auch strafwürdige Formen der Verleumdung und Verharmlosung entsprechender Handlungen erfasst werden können. Wird mit der Leugnung entsprechender Taten zugleich Hetze gegen Teile der Bevölkerung betrieben, komme regelmäßig der Straftatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 Absatz 1 des StGB in Betracht.
Inwiefern die Strafvorschriften im Einzelfall bei Sachverhalten mit Bezug zur ehemaligen DDR zur Anwendung kommen, obliege der Beurteilung durch die Gerichte, heißt es in der Vorlage, in der die Abgeordneten auch darauf verweisen, dass der Bund für die Umbenennung von Straßen nicht zuständig sei.
Gebrauch von DDR-Symbolen eine „unangemessene Verharmlosung“
Des Weiteren macht der Petitionsausschuss deutlich, dass die Tatbestände der Paragrafen 86 und 86a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) nicht Symbole mit geschichtlichem Hintergrund aus dem Alltagsgeschehen verbannen, „sondern vielmehr den demokratischen Rechtsstaat vor dem Wiederaufleben und dem Fortsetzen von Bestrebungen einer verbotenen oder verfassungswidrigen Organisation schützen sollen“.
Allerdings ist es nach Auffassung des Ausschusses verständlich, dass der Gebrauch von Symbolen der DDR und ihrer Organisationen seitens der Opfer politischer Verfolgung als unangemessene Verharmlosung empfunden wird. „Insoweit hält der Petitionsausschuss die Eingabe für geeignet, um in die politischen Diskussions- und Entscheidungsprozesse mit einbezogen zu werden“, heißt es in der Vorlage. (hau/eis/25.02.2021)