Zeit:
Mittwoch, 9. Dezember 2020,
13
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900
Der Kampf gegen die Geldwäsche war Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch, 9. Dezember 2020. Die acht Sachverständigen nahmen in der Sitzung unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) Stellung zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche (19/24180) und kamen in ihren Stellungnahmen zu unterschiedlichen Bewertungen. Während die Vertreter der Praxis die meisten der geplanten Maßnahmen unterstützten, sparten die eingeladenen Rechtswissenschaftler nicht mit Kritik an der Vorlage.
„Entwurf ist lebensfremd und kontraproduktiv“
So betonte Prof. Dr. Jens Bülte von der Universität Mannheim, dass die Bekämpfung von Geldwäsche ein zentrales Anliegen rechtsstaatlicher Kriminalpolitik und notwendig sei, um der organisierten Kriminalität die finanzielle Grundlage zu entziehen. Davon entferne sich die Strafgesetzgebung durch jede Änderung des Geldwäsche-Paragrafen 261 des Strafgesetzbuches (StGB) weiter, weil sich die Strafvorschrift auch gegen geringfügige und mittlere Kriminalität richte. Das führe zu einer Zersplitterung der Kräfte und einer weiteren Belastung einer bereits überlasteten Justiz.
Paragraf 261 solle nach dem Entwurf künftig für jeden Ladendiebstahl und andere Kleinkriminalität, sogar für Fahrlässigkeitstaten, gelten. Der Entwurf sei lebensfremd und kontraproduktiv und behindere eine effektive Strafverfolgung. Das Strafrecht dürfe nicht als Mittel zur Abschöpfung missbraucht werden.
Kritik an „flächendeckender Kriminalisierung“
Prof. Dr. Matthias Jahn von der Goethe-Universität Frankfurt am Main schloss sich Bülte an und erklärte, die im August 2020 noch erkennbaren Bemühungen des Referentenentwurfs, trotz des Paradigmenwechsels hin zum „all-crimes-approach“ eine per Saldo näherungsweise ausgewogene Neuregelung zu schaffen, gebe der Regierungsentwurf mit seiner Konzeption flächendeckender Kriminalisierung bei leichtfertiger Tatbegehung auf.
Dies sei nach europäischem Recht durch die Geldwäscherichtlinie 2018 / 1673 nicht veranlasst und kriminal- und justizpolitisch im Kampf gegen organisierte Kriminalität dysfunktional, weil die ohnehin belasteten Ressourcen der Strafverfolgung mit bagatellhaften Vortaten überstrapaziert werden. Der „All-Crimes-Ansatz“ werde zu viel „Beifang“ führen und das System verstopfen.
Mangelnde Ressourcen bei den Strafverfolgungsbehörden
Ähnlich wie die beiden Rechtsprofessoren argumentierte Dr. Matthias Dann von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Die Streichung des Vortatenkatalogs führe nicht zu einer effektiveren Geldwäschebekämpfung, und es gebe auch keine systematische Notwendigkeit einer Streichung.
Defizite bei der Geldwäschebekämpfung führe die BRAK nicht primär auf unzureichende Regelungen im Kernstrafrecht, sondern auf mangelnde Ressourcen aufseiten der Strafverfolgungsbehörden zurück. Der Entwurf trage nicht dazu bei, die Hintermänner von Geldwäsche-Taten zu überführen.
Streichung des Geldwäschevortatenkatalogs begrüßt
Dagegen begrüßte Marcus Köhler, Richter am Bundesgerichtshof in Leipzig, die Streichung des Geldwäschevortatenkatalogs ebenso wie die Erweiterung der selbstständigen Einziehung (Paragraf 76a StGB) auf die aus dem Einziehungsgegenstand gezogenen Nutzungen. Mit der Streichung sei der Weg für eine gesetzliche Verankerung eines schlüssigen Konzepts zur wirksamen Bekämpfung der Geldwäsche durch ein Zusammenspiel von strafrechtlicher Ahndung und strafrechtlicher Vermögensabschöpfung geebnet.
Er sollte nicht durch neue gesetzliche Einschränkungen verbaut werden, deren Folgen nicht gewollt seien und von denen im Ergebnis nur die organisierte Kriminalität profitieren würde. Denn ein schöneres Weihnachtsgeschenk könne sich diese nicht wünschen.
„Entwurf ist kompliziert, Geldwäsche auch“
So sah das auch der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Joachim Lüblinghoff. Der Gesetzentwurf sei sehr kompliziert, das sei die Geldwäsche aber auch. Der neue „All-Crimes-Ansatz“ erweitere nicht nur den Anwendungsbereich der Geldwäsche. Er sei vor allem geeignet, praktische Schwierigkeiten in der Beweisführung zu beseitigen, weil der Nachweis, dass ein Tatobjekt aus einem selektiven Kreis bestimmter geldwäschetauglicher Vortaten stammt, entfällt.
Der „All-Crimes-Ansatz“ finde auch Anklang in anderen europäischen Ländern und diene der Harmonisierung. Zu bedenken gab Lüblinghoff, dass die Ausweitung der Strafverfolgung im Bereich der Geldwäsche eine erheblich stärkere Belastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte erwarten lasse.
„Geldwäschestrafbarkeit wird häufiger greifen“
Oberstaatsanwalt Dr. Klaus Ruhland, Leiter der zentralen Koordinierungsstelle Vermögensabschöpfung in Bayern, betonte, dass durch die Aufgabe des Vortatenkatalogs die Beweisführung in Geldwäscheverfahren erleichtert werde. Dies werde dazu führen, dass eine Geldwäschestrafbarkeit häufiger als bisher greifen und die strafrechtliche Verfolgung der Geldwäsche stärker in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gelangen werde.
Auch sei die Beibehaltung der Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken aus Sicht der Praxis unbedingt erforderlich. Effektive Verbesserungen bei der Bekämpfung der Geldwäsche ließen sich aber nur durch effektive Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung erreichen.
„100 Milliarden Euro jährlicher Schaden“
Auch der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler, begrüßte den Verzicht auf einen Vortatenkatalog. Ermittlungen in Sachverhalten, wo die Herkunft von Vermögen durch komplexe, internationale Strukturen aus Strohpersonen und Briefkastenfirmen verschleiert werde, würden jedoch durch einen „All-Crimes-Ansatz“ nicht erleichtert, da das entscheidende Hindernis hierbei nicht die Begrenzung der Strafbarkeit auf bestimmte Vortaten sei, sondern die Erforderlichkeit, überhaupt irgendeine kriminelle Quelle des betreffenden Vermögens nachzuweisen. Vermögen unklarer Herkunft dürften nicht bei den Tätern verbleiben. Es gehe bei der Geldwäsche Fiedler zufolge um kriminell erwirtschaftetes Geld in einer geschätzte Größenordnung von 100 Milliarden Euro pro Jahr. Davon kriege man derzeit nur unterhalb eines Prozents in die Finger.
Die Abgeordneten wollten von den Sachverständigen vor allem wissen, inwieweit der neue „All-Crimes-Ansatz“ zu Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung führen könnte, wie die Vermögensabschöpfung am besten umgesetzt werden könne und was nach EU-Recht nötig und geboten sei. Weitere Fragen betrafen die selbstständige Einziehung nach Paragraf 76a StGB und die Streichung des Leichtfertigkeitsmerkmals.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Hintergrund ist dem Gesetzentwurf (19/24180) zufolge, dass Geldwäsche nach wie vor ein bedeutendes Problem auf nationaler, europäischer und globaler Ebene ist. Sie schade der Integrität, Stabilität und dem Ansehen der Finanzbranche und gefährde den europäischen Binnenmarkt sowie die innere Sicherheit Deutschlands und der EU. Mit dem Gesetz soll gleichzeitig eine EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden.
Wie es in dem Entwurf heißt, trage die effektive Verfolgung und Ahndung von Geldwäsche wesentlich zu einer erfolgreichen Bekämpfung von organisierter Kriminalität bei. Das deutsche Recht entspreche zwar bereits weitgehend den geldwäscherechtlichen Vorgaben verschiedener internationaler Rechtsinstrumente. Allerdings solle die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche weiter verbessert und dazu auch über die internationalen Mindestvorgaben hinausgegangen werden.
Die Umsetzung der Richtlinie werde daher verbunden mit einer Neufassung des Straftatbestandes, der zukünftig alle Straftaten als Geldwäschevortaten einbeziehen solle. Eine Geldwäschestrafbarkeit werde damit deutlich häufiger als bisher greifen. (mwo/09.12.2020)