Parlament

Wahlprüfungs­beschwerde zur Parität bei der Kan­di­da­ten-Aufstellung erfolg­los

Das Bundesverfassungsgericht mit einem Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Wahlprüfungsbeschwerde gegen einen vom Bundestag zurückgewiesenen Einspruch gegen die Bundestagswahl 2017 als unzulässig verworfen. (© picture alliance/dpa | Uli Deck)

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts  hat am Dienstag, 2. Februar 2021, eine Wahlprüfungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Deutschen Bundestages, mit dem ein Einspruch gegen die Bundestagswahl vom 24. September 2017 zurückgewiesen wurde, als unzulässig verworfen. Die Beschwerdeführerinnen hatten angesichts des geringen Anteils weiblicher Mitglieder im Deutschen Bundestag das Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung der Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen durch die politischen Parteien gerügt. In der Wahlprüfungsbeschwerde wird nach Meinung des Gerichts jedoch nicht hinreichend begründet, dass der Bundesgesetzgeber zu einer solchen paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts der politischen Parteien verpflichtet ist.

Beschwerdeführerinnen rügen „erheblichen Wahlfehler“

Bei der Bundestagswahl waren nach Darstellung der Karlsruher Richter rund 51,5 Prozent der Wahlberechtigten Frauen. Der weibliche Anteil an den Direktkandidaturen in den Wahlkreisen habe dagegen nur bei 25 Prozent gelegen, der Anteil an den jeweils ersten fünf Listenplätzen der Parteien 34,7 Prozent. Nach dem Wahlergebnis waren dann 218 der insgesamt 709 Bundestagsabgeordneten Frauen. Der Frauenanteil sank damit im Vergleich zur letzten Wahlperiode von 36,3 Prozent auf 30,7 Prozent.

Die Beschwerdeführerinnen hatten ihren Einspruch damit begründet, dass die nichtparitätische Nominierung von Kandidatinnen und Kandidaten zur Bundestagswahl einen erheblichen, auf die Mandatsverteilung und die Gültigkeit der Wahl durchschlagenden Wahlfehler darstelle. Sie führe zu einem Verstoß gegen das Gleichberechtigungsrundrecht und -gebot aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes, das Grundrecht auf passive Wahlgleichheit aus Artikel 38 Absatz 1 Satz des Grundgesetzes sowie das Demokratieprinzip aus Artikel 20 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes.

„Wahlorganisationsrecht wirkt sich zulasten von Frauen aus“

In der Wahlprüfungsbeschwerde hieß es, das geltende Wahlorganisationsrecht wirke sich zulasten von Frauen aus. Wegen ihrer hierdurch bedingten Unterrepräsentanz fehle es den Staatsbürgerinnen an gleichberechtigter demokratischer Teilhabe und effektiver Einflussnahme auf die Entscheidungen des Deutschen Bundestages.

Der Bundestag hatte den Wahleinspruch mit Beschluss vom 9. Mai 2019 (19/9450, Anlage 18) mit dem Hinweis zurückgewiesen, er sei unbegründet. Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung sähen keine paritätische Ausgestaltung der Wahlvorschläge vor. Zudem bestünden keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der geltenden Rechtslage. Gegen diesen Bundestagsbeschluss hatten die Beschwerdeführerinnen Wahlprüfungsbeschwerde gemäß Artikel 41 Absatz 2 des Grundgesetzes erhoben.

Gründe für die Unzulässigkeit der Beschwerde

Die Feststellung, dass die Wahlprüfungsbeschwerde unzulässig ist, begründet der Zweite Senat unter anderem damit, dass der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz  Gesetze erlassen kann, aber nicht muss. Selbst wenn eine Handlungspflicht bestünde, hätte der Gesetzgeber im Wahlrecht einen weiten Gestaltungsspielraum. Dass der Gestaltungsspielraum im Wahlrecht auf eine bestimmte Maßnahme oder Regelung verdichtet sei, müsse daher besonders begründet werden.

Auch hätten die Beschwerdeführerinnen nicht hinreichend dargelegt, dass der Gesetzgeber aufgrund der passiven Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes gehalten ist, bei der Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts Paritätsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei nicht substantiiert genug vorgetragen worden, weshalb das Demokratieprinzip eine paritätische Geschlechterverteilung im Bundestag und eine entsprechende gesetzliche Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts gebietet.

Schließlich zeigten die Beschwerdeführerinnen auch nicht ausreichend auf, dass der Gesetzgeber aufgrund des Gleichstellungsgebots des Artikels 3 Absatz 2 Satz  und 2 des Grundgesetzes zum Erlass von Paritätsgeboten im Wahlvorschlagsrecht verpflichtete ist. Sie hätten nicht deutlich genug dargelegt, dass der gesetzgeberische Handlungsspielraum zur Durchsetzung des Gleichstellungsauftrags aus Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes von Verfassungs wegen auf eine Pflicht zum Erlass eines paritätischen Wahlvorschlagsrechts verengt sei. (vom/02.02.2021)

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