Geschichte

Zeremonie im Bundestag: Sulz­bacher Tora­rolle fertig­gestellt

Mit einer Zeremonie hat der Deutsche Bundestag am Mittwoch, 27. Januar 2021, die Vollendung einer jüdischen Torarolle gefeiert. Der feierliche Akt war Teil der Gedenkstunde, mit der der Bundestag jedes Jahr um diese Zeit an die Millionen Opfer der Nationalsozialisten erinnert. Im Mittelpunkt der Zeremonie im Andachtsraum des Reichstagsgebäudes in Berlin stand die Sulzbacher Torarolle. Das handgeschriebene Schriftstück von 1793 hat eine lange, bewegte Geschichte.

Die Sulzbacher Torarolle gilt als eine der ältesten noch erhaltenen Torarollen in Süddeutschland. Geschrieben 1793 für eine Synagoge im oberpfälzischen Sulzbach, überstand sie einen Stadtbrand, der im 19. Jahrhundert die Sulzbacher Synagoge zerstörte, und die Novemberpogrome 1938. Vor wenigen Jahren entdeckte Rabbiner Elias Dray das wertvolle Schriftstück in seiner Amberger Synagoge wieder und ließ die Torarolle in Israel restaurieren. Bei der aufwendigen Prozedur, die der Bund mitfinanzierte, musste ein Toraschreiber jeden einzelnen Buchstaben nachziehen. Einzig die letzten Buchstaben ließen sie aus, denn fertiggestellt werden sollte das Schriftstück im Bundestag.

Feierlicher Akt im Andachtsraum

Beteiligt an der Fertigstellung der Sulzbacher Torarolle waren die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Dr. h. c. Charlotte Knobloch, der Amberger Rabbiner Elias Dray und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster.

Außerdem die obersten Vertreter der fünf Verfassungsorgane: Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundesratspräsident Dr. Reiner Haseloff und Bundesverfassungsgerichtspräsident Prof. Dr. Stephan Harbarth. Das sei auch ein symbolischer Ausdruck dafür, „dass die Verpflichtung, jüdisches Leben zu schützen, eine Grundbedingung unseres Staates ist“, sagte Bundestagspräsident Schäuble.

Reden und Musik im Plenarsaal

Schäuble hatte die Gedenkstunde mit einer Begrüßungsansprache im Plenarsaal eröffnet. Vor der Zeremonie im Andachtsraum sprachen die Gedenkrednerinnen Charlotte Knobloch und die Publizistin Marina Weisband. Musik kam vom Violinisten Professor Kolja Lessing, der Stücke von Joseph Joachim und Ursula Mamlok spielte, sowie von der israelischen Sängerin Yael Nachshon Levin, die ihr Lied „Far away“ eigens für die Gedenkveranstaltung komponiert hatte und von Kontrabassist Haggai Cohen Milo und Gitarrist Toner Moked begleitet wurde.

Im Paul-Löbe-Haus des Bundestages ist seit dem 27. Januar außerdem eine Ausstellung des Leo Baeck-Institute mit dem Titel „Shared History: 1.700 Jahre jüdisches Leben im deutschsprachigen Raum“ zu sehen. Sie wird allerdings erst nach Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen für Besucherinnen und Besucher im Bundestag öffentlich zugänglich sein. (irs/28.01.2021)