Zeit:
Mittwoch, 16. Dezember 2020,
16.15
bis 17.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E300
Gesundheitsexperten sehen die geplante Modernisierung der medizinisch-technischen Berufe grundsätzlich positiv, plädieren aber für einige Ergänzungen und Änderungen. Kritisch gesehen wird die geplante Neuregelung für Einsätze der Notfallsanitäter. Experten bemängeln, dass die geplante Regelung die Rechtsunsicherheit für Sanitäter noch vergrößern wird. Die Sachverständigen äußerten sich anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages unter Leitung von Erwin Rüddel (CDU/CSU) am Mittwoch, 16. Dezember 2020, zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/24447) in schriftlichen Stellungnahmen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Gesetz sollen die Berufe in der medizinischen Technologie aufgewertet werden. Die MTA-Reform betrifft die Laboratoriumsdiagnostik, Radiologie, Funktionsdiagnostik sowie die medizinische Technologie für Veterinärmedizin. Die Berufsbezeichnung Medizinisch-Technische Assistenz (MTA) wird ersetzt durch die Bezeichnung medizinischer Technologe/in. Die Tätigkeiten sollen im bisherigen Umfang erhalten bleiben.
Das Ausbildungsziel soll jedoch modernisiert, konkretisiert und neu strukturiert werden. Die praktische Ausbildung wird erweitert. Künftig soll eine angemessene Ausbildungsvergütung gezahlt werden. Ein Schulgeld darf nicht mehr erhoben werden.
„Finanzierungsverantwortung wird auf die GKV verschoben“
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) begrüßte zwar die Abschaffung des Schulgeldes im Sinne der Gleichberechtigung von Auszubildenden in Gesundheitsfachberufen, lehnte die geplante Finanzierung zulasten der GKV aber ab.
Die GKV müsse von Gesamtkosten im mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbetrag ausgehen. Wieder würden mit der Finanzierung des Schulgeldes und der Ausbildungskosten durch die GKV staatliche Aufgaben quersubventioniert. Die Finanzierungsverantwortung werde von den Ländern auf die GKV verschoben.
„Von der Arbeit der Heilpraktiker abgrenzen“
Die Bundesärztekammer (BÄK) befürwortete eine klare Abgrenzung von der Arbeit der Heilpraktiker. Der Deutsche Ärztetag habe sich 2018 dafür ausgesprochen, das Behandlungsspektrum der Heilpraktiker zu begrenzen. Es müsse verhindert werden, dass bei onkologischen Erkrankungen (Krebs) durch bestimmte Behandlungsangebote der rechtzeitige Beginn einer wirksamen Behandlung verzögert oder verhindert werde.
Heilpraktiker stünden außerhalb der Anforderungen an klar definierte fachliche Qualifikationen. Es sei daher folgerichtig, dass medizinische Technologen nicht auf Anforderung eines Heilpraktikers bestimmte Tätigkeiten ausüben dürften.
„Perspektiven für akademisch interessierte Bewerber verbessern“
Mehrere medizinisch-technische Fachgesellschaften erklärten, die Reform sei zu begrüßen, jedoch sollten die beruflichen Perspektiven für akademisch interessierte Bewerber verbessert werden. Um die Attraktivität des Berufsbildes der Medizinisch-Technischen Radiologieassistenten (MTRA) zu erhöhen, werde die Erprobung einer grundständigen Teilakademisierung befürwortet. Dies böte jungen Menschen, die ein Studium anstrebten, einen Zugang zu diesem Berufsfeld. Zugleich bleibe der Zugang für Schulabgänger ohne Hochschulreife erhalten.
Die Novelle sieht auch eine Anpassung des Notfallsanitätergesetzes vor, um Notfallsanitätern im Einsatz mehr Rechtssicherheit zu geben. Der Vorlage zufolge soll Notfallsanitätern in besonderen Einsatzsituationen und innerhalb klar definierter Grenzen die Ausübung von Heilkunde gestattet werden.
„Unrealistische Voraussetzungen“
Nach Ansicht von Experten ist die geplante Neuregelung unzureichend. Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) erklärte, die im Entwurf dargestellten Voraussetzungen seien unrealistisch und führten zu einer Verschlechterung der Abläufe im Einsatz. So werde es zu einer deutlichen Zunahme von Notarzteinsätzen kommen, wenn die Notfallsanitäter dazu verpflichtet würden, in bestimmten Fällen einen Notarzt nachzufordern.
Die Patienten müssten länger auf eine Behandlung warten, da die Notfallsanitäter zunächst versuchen müssten, ihr Vorgehen ärztlich abzusichern. Die Sanitäter gerieten so schnell in einen Gewissenskonflikt. Der Verband warb dafür, den Passus zu streichen, um eine Verschlimmbesserung der Rechtsunsicherheit zu verhindern.
„Ergebnis einer Abwägung im Sinne des Patienten“
Ähnliche Bedenken äußerte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die erklärte, es könne nicht jede im Rettungsdienst denkbare Situation in einem Regelwerk abgebildet werden. Alle im Notfalleinsatz gefällten Entscheidungen blieben immer das Ergebnis einer individuellen, verhältnismäßigen und sachorientierten Abwägung im Sinne des Patienten.
Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sieht den Punkt kritisch. Die geplante Regelung führe zu mehr Aufwand in zeitkritischen Situationen und im Ergebnis zu mehr Rechtsunsicherheit. (pk/16.12.2020)
Antrag der AfD
Gegenstand der Anhörung war auch ein Antrag der AfD-Fraktion (19/24648). Die Fraktiion will das Berufsbild des Heilpraktikers schützen und weiterentwickel. Dafür, so die Fraktion, sollen „Auszubildende eine vierjährige Berufsausbildung durchlaufen müssen, die bei Vorliegen medizinischer Vorkenntnisse auf zwei Jahre verkürzt werden kann“.
Zudem gelte es, staatlich zugelassene Schulen einzurichten, ein bundeseinheitliches Curriculum zu erarbeiten sowie 1.000 Unterrichtseinheiten im Rahmen von Praktika oder praktischem Unterricht als Pflichtprogramm für werdende Heilpraktiker einzuführen. (pk/ste/16.12.2020)