Opposition fordert neue Rechtsgrundlage für Impfprogramm
Die Opposition hält die gesetzliche Grundlage für das kommende Corona-Impfprogamm für unzureichend und fordert Nachbesserungen. In der Aussprache über einen Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (19/25260) hoben Redner der Oppositionsfraktionen am Donnerstag, 17. Dezember 2020, die Bedeutung der Impfungen und Impfprioritäten hervor. Sie argumentierten, eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums sei als Grundlage dafür nicht geeignet. Vielmehr müssten die nötigen Regelungen in ein eigenes Gesetz gefasst und vom Bundestag verabschiedet werden.
Sprecher der Koalitionsfraktionen wiesen die Vorhaltungen zurück und erklärten, die gesetzliche Grundlage sei durchaus gegeben, mit einer Verordnung könne zudem flexibel reagiert werden, falls sich die Bedingungen änderten. Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.
FDP: Rechtliches Fundament ist geboten
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) sagte, die Prioritätensetzung beim Impfen bedürfe einer hinreichend präzisen gesetzlichen Regelung. Dies sei auch die Auffassung des Deutschen Ethikrates und der Wissenschaftsakademie Leopoldina.
Bei diesen wichtigen Fragen sei ein sicheres rechtliches Fundament geboten. Es gebe keinen Grund, weshalb nicht im Bundestag über das Impfkonzept entschieden werden sollte. Sie kritisierte, die Bundesregierung hätte ein solches Gesetz längst vorlegen müssen.
Linke: Gerichte könnten Verordnung kippen
Die Grünen und Die Linke lobten die Initiative der FDP ausdrücklich und warfen der Bundesregierung in der Corona-Krise schwere gesetzgeberische Versäumnisse vor. Dr. Achim Kessler (Linke) sagte, die jetzt umzusetzende Impfreihenfolge sei mit schwierigsten ethischen Fragen verbunden, denn die Festlegung könne Menschenleben kosten, wenn die Impfung für bestimmte Risikogruppen unterlassen oder erst verspätet ermöglicht werde.
Es sei völlig unverständlich, weshalb die Regierung diese schwerwiegenden Fragen allein beantworten und verantworten wolle. Die geplante Verordnung reiche nicht aus, um solche Entscheidungen ausreichend zu legitimieren. Gerichte könnten die Verordnung kippen, was das Impfprogramm dann verzögern würde.
Grüne: FDP-Entwurf ist richtig und wichtig
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) schloss sich der Kritik an. Die zunächst begrenzte Verfügbarkeit der Impfstoffe sei grundrechtsrelevant. Hier sei eine klare Rechtsgrundlage nötig, um Ärzten in den Impfzentren die Arbeit zu erleichtern.
Der FDP-Entwurf sei richtig und wichtig und besser als keine Rechtsgrundlage. In einer solchen Gesundheitskrise sei der Schutz der Rechte der Bürger zentral, dafür gebe es Parlamente. Nötig sei eine sichere rechtliche Grundlage für die Priorisierung der Impfung, die dann hoffentlich zu einer guten Immunisierung führe.
AfD spricht von „Impfinszenierung“
Dr. Robby Schlund (AfD) sprach von einer „Impfinszenierung“. Hochrisikopatienten zuerst impfen zu wollen, bedeute auch, dass dort die größten Nebenwirkungen zu erwarten seien. Sinnvoller wäre es, zunächst etwa Polizisten und Rettungskräfte zu impfen. Auch sollten die Mitglieder der Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und sich impfen lassen, sagte Schlund und verwies auf die zunehmende Impfskepsis.
Die Menschen hätten das Vertrauen in die Regierung und ihre Hauruck-Maßnahmen verloren. Mit dem Lockdown werde der Mittelstand demontiert und ein Chaos angerichtet.
CDU/CSU: Gesetz würde Impfbeginn verzögern
CDU/CSU und SPD wollen ungeachtet der Oppositionskritik an ihrem Plan festhalten, die Impfdetails über eine Rechtsverordnung zu regeln, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Kürze unterschreiben will.
Rudolf Henke (CDU/CSU) erklärte, das unlängst beschlossene Bevölkerungsschutzgesetz enthalte eine Ermächtigung an das Bundesgesundheitsministerium, die Detailbestimmungen in einer Verordnung zu regeln. Es gebe in der Sache im Übrigen keinen zentralen Unterschied zwischen den geplanten Regelungen des Ministeriums und den Vorschlägen der FDP. Es handele sich um genau die gleiche Priorisierung bei den Impfungen. Das Parlament habe zudem jederzeit die Möglichkeit, die Verordnung durch ein Gesetz zurückzuholen. Wenn jetzt erst ein eigenes Gesetz beschlossen werden müsste, würde das den Beginn der Impfungen um einige Wochen verzögern, gab Henke zu bedenken.
SPD: Schnelles Handeln ist angesagt
Auch Sabine Dittmar (SPD) wies die Vorwürfe der Opposition zurück und sagte, es sei im Gesundheitsausschuss des Bundestages ausführlich mit Spahn über die Impfstrategie beraten worden. Die jetzt festgelegte Reihenfolge orientiere sich an den Forderungen der Leopoldina und Ethiker.
Von Geheimniskrämerei oder Hauruck-Aktionen zu sprechen, sei ungerechtfertigt. Ein weiteres Gesetzgebungsverfahren würde bei der Priorisierung auch zu keinem anderen Ergebnis führen. Zudem sei schnelles Handeln dringend angesagt. Mit dem jetzt verfolgten Weg könne noch in diesem Jahr mit den Impfungen begonnen werden.
Gesetzentwurf der FDP
Da abzusehen sei, dass zunächst nicht ausreichend Impfstoff gegen das Sars-CoV-2-Virus zur Verfügung stehen werde, sei es zwingend erforderlich, eine Reihenfolge festzulegen, wann die Bürgerinnen und Bürger den Impfstoff erhalten, schreiben die Liberalen in ihrem Gesetzentwurf. Es sei nun Aufgabe des Bundestages diese Reihenfolge gesetzlich zu bestimmen und eine Prioritätensetzung vorzunehmen. Auf der höchsten Priorisierungsstufe sollten nach Ansicht der FDP Personen im Alter von über 80 Jahren, Personen mit Behinderungen sowie Bewohner von Senioren- und Altenpflegeheimen und deren Pflegepersonal stehen. Anschließend sollen Personen im Alter zwischen 75 und 80, Personal mit hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen sowie Demenzerkrankte priorisiert werden.
Zum Personenkreis mit der dritthöchsten Priorität sollten unter anderem Personen mit Vorerkrankungen mit erhöhtem Risiko und deren engste Kontaktpersonen zählen. Auf der vierthöchsten Stufe sollten dann etwa Lehrer und auf der fünfthöchsten Stufe Beschäftigte im Einzelhandel folgen. Aufgrund der hohen Grundrechtsrelevanz der vorgesehenen Maßnahmen bei der Impfstoffverteilung sei eine gesetzliche Festschreibung zwingend erforderlich. Zudem stärke dies das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung, schreiben die Liberalen zur Begründung ihres Vorstoßes. (pk/ste/sas/17.12.2020)