Opposition kritisiert Kürzungen bei multilateralen Hilfen
Der Regierungsentwurf für den Haushalt 2021 (19/22600) des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ, Einzelplan 23) ist bei den Oppositionsfraktionen auf deutliche Kritik gestoßen. FDP, Linke und Bündnis 90/Die Grünen, aber auch die Sozialdemokraten bemängelten in der ersten Aussprache am Mittwoch, 30. September 2020, vor allem die geplanten Kürzungen bei den multilateralen Hilfen zugunsten des bilateralen Engagements. Die AfD-Fraktion erneuerte ihre grundsätzliche Kritik an Ausrichtung und Effizienz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ).
Ausgaben von mehr als zwölf Milliarden Euro geplant
Laut dem Entwurf soll Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller (CSU) im kommenden Jahr 12,44 Milliarden Euro für sein Ressort ausgeben dürfen und damit so viel wie 2020 laut dem Mitte Juni beschlossenen zweiten Nachtragshaushalt (19/20000, 19/20001, 19/20600, 19/20601). Ursprünglich hatte die Bundesregierung für das laufende Jahr Entwicklungsausgaben in Höhe von 10,88 Milliarden Euro vorgesehen.
Doch um Entwicklungsländer und insbesondere internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen bei der weltweiten Bewältigung der Corona-Pandemie besser unterstützen zu können, hatte sie die Summe im Juni um 1,55 Milliarden Euro aufgestockt. Mit geplanten Investitionen in Höhe von 8,6 Milliarden Euro dürfte der BMZ-Etat nach dem Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auch 2021 der zweitgrößte Investitionshaushalt des Bundes bleiben.
Minister: Budget seit 2014 nahezu verdoppelt
Müller zeigte sich in der Aussprache stolz über die Tatsache, dass sich das Budget seines Hauses seit 2014 nahezu verdoppelt hat. Auch lobte er, dass Deutschland als einziges Land in Europa wegen der Corona-Pandemie ein Drei-Milliarden-Euro-Sofortprogramm für Entwicklungsländer aufgelegt habe. Die Pandemie führe zu einer „Hunger- und Armutskrise dramatischen Ausmaßes“, warnte er. Daher sei mehr internationales Engagement notwendig.
Außerdem sprach sich Müller für eine bessere Krisenprävention, einen Schuldenerlass für die ärmsten Staaten der Erde und die Verabschiedung des von seinem Haus vorgelegten Lieferkettengesetzes aus.
SPD: Deutschland muss noch mehr leisten
Sonja Amalie Steffen (SPD) bezeichnete den Aufwuchs der vergangenen Jahre als „Verdienst der SPD-Bundestagsfraktion“. Die Entwicklungszusammenarbeit genieße innerhalb der Bundesregierung keine große Priorität, insofern würde der Etat ohne Druck aus dem Parlament „ganz anders aussehen“.
Deutschland müsse aber noch mehr leisten, gerade weil sich andere große Geber wie die USA stark zurückgezogen hätten. Indem die Bundesregierung die multilateralen Hilfen absenken wolle, werde sie ihrer humanitären Verantwortung nicht gerecht. Wie Müller forderte die SPD-Politikerin außerdem ein verbindliches Lieferkettengesetz.
AfD: Fragwürdige Projekte und ineffiziente Programme
Für die AfD warf Volker Münz der Bundesregierung „schuldenfinanzierte Mehrausgaben im Ausland“ vor. Dies sei verfassungsrechtlich unzulässig. Statt eine „Vielzahl fragwürdiger Projekte und ineffizienter Programme“ in zahlreichen Ländern zu fördern und deutsche Steuergelder „mit der Gießkanne“ auszuschütten, sollte sich die deutsche Entwicklungspolitik „auf das Machbare konzentrieren“.
Die „Dritte Welt“ könne sich mit Unterstützung der Wirtschaft nur selbst helfen. Daher sollte die Bundesregierung insbesondere die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen fördern.
FDP: Projekte in der EU besser abstimmen
Michael Georg Link (FDP) nannte es „grotesk“, dass die Bundesregierung mitten in einer globalen Gesundheitskrise bei der multilateralen Zusammenarbeit kürze wolle, „wo in der Tat die international koordinierte Antwort auf die Folgen der Pandemie nötig wäre“. Den massiven Kürzungen beim UN-Kinderhilfswerk Unicef, der Globalen Bildungspartnerschaft und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen stünden Aufwüchse in Höhe von 650 Millionen Euro für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit gegenüber.
„Das wird dem deutschen Anspruch auch hinsichtlich internationaler Verantwortung nicht gerecht“, folgerte auch Link. Er forderte eine bessere internationale und vor allem europäische Abstimmung der Projekte und mehr Solidarität der EU.
Linke: Massive Prioritätenverschiebung
Michael Leutert (Die Linke) betonte, die derzeitigen Aufgaben wie Klimawandel und Corona-Pandemie seien global und daher nur global zu lösen. Deshalb müssten bestehende und funktionierende internationale Strukturen, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen, genutzt und gestärkt werden.
Dass genau die Mittel dafür gekürzt werden sollen, wertete er als „massive Prioritätenverschiebung“. Zudem sei „völlig inakzeptabel“, dass der Finanzplan für die nächsten Jahre ein Minus von drei Milliarden Euro pro Jahr für Entwicklung vorsehe.
Grüne: Entwurf nicht zufriedenstellend
Auch Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer Schwächung der multilateralen Programme „auf Vor-Corona-Niveau“, die nicht zur derzeitigen Situation passe. Dass der Etat 2021 laut Entwurf bei 12,4 Milliarden Euro liege, sei zwar „beachtlich“. Wenn jedoch im Finanzplan ein Absturz um 25 Prozent in den Jahren 2022, 2023 und 2024 vorgesehen sei, „dann ist das keine verantwortungsvolle Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit“.
Die bisherigen Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit „können durch diese Pandemie leider mit einem Fingerschnippen kurzfristig zunichtegemacht werden“, warnte sie. Deswegen könne der vorliegende Haushaltsplanentwurf „in keiner Weise zufriedenstellen“.
Der Etat des Entwicklungsministeriums
Die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit wird im BMZ-Etat mit Ausgaben in Höhe von 6,17 Milliarden Euro (2020: 5,52 Milliarden) weiterhin der größte Haushaltsposten bleiben. Allein für Krisenbewältigung und Wiederaufbau sowie Infrastruktur soll das Ministerium 2021 937 Millionen Euro ausgeben können.
Für das Kapitel „Europäische Entwicklungszusammenarbeit, Beiträge an die Vereinten Nationen, ihre Sonderorganisationen sowie andere internationale Einrichtungen“ sind demgegenüber 2,57 Milliarden Euro (2020: 2,93 Milliarden) eingeplant, wovon 823 Millionen Euro an den Europäischen Entwicklungsfonds EEF und 594,45 Millionen an die Vereinten Nationen und andere multilaterale Organisationen fließen sollen.
Für die multilateralen Hilfen zum weltweiten Klimaschutz sind 716 Millionen Euro eingeplant, für den deutschen Beitrag zum Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria 350 Millionen Euro. Letzterer war 2020 im Nachtragshaushalt auf 500.000 Euro angehoben worden und sinkt nun wieder auf das ursprünglich geplante Niveau. Die Einnahmen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sollen um 51,71 Millionen Euro auf 842,52 Millionen steigen. (joh/01.10.2020)