Fraktionen bewerten innere Sicherheit im Land unterschiedlich
Die von der Bundesregierung für das kommende Jahr geplanten Ausgaben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) in Höhe von 18,3 Milliarden Euro (2020: 15,67 Milliarden Euro) sind nach den Worten von Ressortchef Horst Seehofer (CSU) „gut investiertes Geld“ vor allem in die Sicherheit im Lande.
In der Haushaltsdebatte über seinen Etat 2021 (19/22600) verwies Seehofer am Donnerstag, 1. Oktober 2020, im Bundestag darauf, dass Deutschland im dritten Jahr in Folge eine sinkende Kriminalität verzeichne und zu den „sichersten Ländern auf dieser Erde“ gehöre. Der Einzelplan 06 soll nach den bis Freitag, 2. Oktober 2020, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Rechtsextremismus ist „größte Bedrohung in unserem Lande“
Gleichwohl gebe es „natürlich auch Herausforderungen“ in Bezug auf Terrorismus, Extremismus, Antisemitismus und Rassismus, fügte der Minister in der ersten Lesung seines Haushalts hinzu. Dabei sei der Rechtsextremismus „die größte Bedrohung in unserem Lande“, auch wenn man Islamismus und Linksextremismus keineswegs unterschätze. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sei die Linie der Bundesregierung klar, betonte Seehofer: „Null Toleranz für Rechtsextremisten – ganz gleich, auf welcher Ebene und in welcher Berufsgruppe.“
Mit Blick auf den Baubereich hob er hervor, dass man sich auf das „größte Wohnungsbauprogramm seit der Wiedervereinigung“ verständigt und Milliarden in diesen Bereich gesteckt habe. Auch sei man zu einer Dynamisierung des Wohngeldes gekommen, das nun alle zwei Jahre automatisch an die gestiegenen Lebenshaltungskosten automatisch angepasst wird.
„Steuerung und Ordnung“ in der Migrationspolitik
Zur Migrationspolitik sagte Seehofer, dass die Zahl der Asylanträge von 750.000 im Jahr 2016 auf 165.00 im vergangenen Jahr zurückgegangen sei und in diesem Jahr bis einschließlich August bei 74.000 liege.
Da man hier „Steuerung und Ordnung“ geschaffen habe, erlaube dies, „immer wieder da und dort einen Punkt der Humanität zu setzten, wie wir es nach Lesbos gemacht haben, wie wir es mit unbegleiteten Minderjährige gemacht haben und noch machen, und mit kranken Kindern“. Dies sei „keine Massenzuwanderung“, fügte er an die Adresse der AfD-Fraktion hinzu.
AfD stellt sich gegen Migrationspolitik der Regierung
Dr. Gottfried Curio (AfD) kritisierte dagegen, „durch märchenhafte Sozialleistungen und Anerkennung von Phantasieflüchtlingen“ würden „massenhaft illegale Migranten aus afrikanischen und islamischen Ländern ins Land gelockt“. Dabei seien im Orient die flächendeckenden Kriege beendet und aus Afrika kämen Wirtschaftsmigranten.
Die „vorgeblich Schutzbedürftigen“ seien bereits durch sichere Drittstaaten gezogen und damit „nicht mehr auf der Flucht, falls sie es je waren“. Auch sei die Demokratie dem Islam wesensfremd. „Dasselbe Geld hilft vor Ort hundertmal mehr Menschen“, betonte Curio und forderte: „Raus mit der Umsiedlungsmafia aus der Regierung.“
SPD: 28.000 neue Stellen in den Sicherheitsbehörden
Sebastian Hartmann (SPD) betonte, die Sozialdemokratie setze auf einen starken, handlungsfähigen Staat und einen „weiten Begriff der Sicherheit, weil eine solidarische Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass wir zusammenhalten“. An 28.000 neuen Stellen in den Sicherheitsbehörden und mehr als 2,6 Milliarden Euro in den vergangenen acht Jahren könne man sehen, „wo investiert wird in den Zusammenhalt“.
Diese Handschrift trage auch der Etat 2021. Deutschland habe starke Sicherheitsbehörden, und der weit überwiegende Teil der „Uniform- und Waffenträger“ stünden auf dem Boden des Grundgesetzes. Man schaue aber „nicht weg, wenn Rechtsextremismus geschürt wird und in die Mitte der Gesellschaft gekippt werden soll“.
FDP: In Ihrem Haus sind 18 Prozent der Stellen nicht besetzt
Christoph Meyer (FDP) machte in Politikbereichen des BMI „auf dem Papier viel Licht, in der Umsetzung viel Schatten“ aus. Zwar trage seine Fraktion die Pläne mit, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei besser auszustatten, doch zeige sich auch hier, wie weit Anspruch und Wirklichkeit im Ministerium voneinander entfernt seien.
Entscheidend seien nicht Planstellen, sondern tatsächlich besetzte Stellen. „In Ihrem Haus sind 18 Prozent der Stellen nicht besetzt“, kritisierte Meyer. Auch sei richtig, dass die „investiven Titel“ in Seehofers Etat vor allem im Baubereich angestiegen seien, doch gebe es auch hier einen mangelhaften Mittelabfluss. Mehr als 15 Prozent der Mittel würden regelmäßig nicht verausgabt.
Linke verlangt „dauerhaft bezahlbaren Wohnraum“
Victor Perli (Die Linke) forderte ein „groß angelegtes öffentliches Wohnungsbauprogramm für dauerhaft bezahlbaren Wohnraum“. Das Geld dafür sei da, doch habe das BMI bei den Investitionen den schlechtesten Mittelabfluss aller Ministerien: Seit 2014 seien mehr als 2,2 Milliarden Euro liegen geblieben, von denen der Großteil in die Bauförderung hätte fließen sollen.
Perli mahnte zugleich, rassistische Vorfälle im Polizeibereich aufzuarbeiten. Dies sei auch im Interesse der großen Mehrheit der Polizisten. Es sei ein schwerer Fehler, dass Seehofer eine wissenschaftliche Untersuchung zu diesen Missständen verhindern wolle. Damit schütze er die Polizei nicht, sondern schade ihr.
Grüne dringen auf Polizeistudie
Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) betonte ebenfalls, man dürfe nicht „die Augen verschließen vor verfassungsfeindlichen Tendenzen innerhalb unserer Sicherheitsbehörden“. Sie verstehe nicht, warum Seehofer eine wissenschaftliche Untersuchung in diesem Bereich blockiere. Damit schade er vor allem den vielen Beamten, die „mit beiden Beinen fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen“.
Ihre Fraktion werde in den Haushaltsberatungen eine solche Studie beantragen, um Ausmaß und Ursachen verfassungsfeindlicher Tendenzen in den Sicherheitsbehörden untersuchen zu lassen. „Wir brauchen eine solche wissenschaftliche Studie, und zwar jetzt – die Fakten müssen auf den Tisch“, unterstrich Mihalic.
CDU/CSU: Vorratsdatenspeicherung ist der entscheidende Schlüssel
Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) mahnte, allein mit mehr Personal sei es bei der Bekämpfung des Extremismus nicht getan. Die Polizei und der Verfassungsschutz müssten auch die Möglichkeiten haben, terroristische oder extremistische Netzwerke aufzudecken. Wenn man solche Netzwerke beispielsweise bei der Polizei habe, gehe es um Chats in Whatsapp-Gruppen, die man „bisher jetzt irgendwie im Zufallsprinzip entdeckt“ habe.
Ohne eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung und ohne die Onlinedurchsuchung werde man bei diesen Themen „nicht effizient weiterkommen“. Ebenso sei die Vorratsdatenspeicherung der „entscheidende Schlüssel“ bei der Bekämpfung der Kinderpornografie.
Migration und Integration
Für Integration und Migration, Minderheiten und Vertriebene sieht die Regierung Ausgaben von 952,71 Millionen Euro vor (2020: 990,22 Millionen Euro). Davon sind 880,75 Millionen Euro (2020: 918,64 Millionen Euro) für den Bereich Integration und Migration vorgesehen, unter anderem allein 692,6 Millionen Euro für Integrationskurse (2020: 698,6 Millionen Euro).
39,45 Millionen Euro (2020: 52,06 Millionen Euro) stehen als Zuschüsse für Programme zur Förderung der freiwilligen Ausreise zur Verfügung.
Netzpolitik und moderne Verwaltung
Für Informationstechnik (IT), Netzpolitik, Digitalfunk und die Modernisierung der Verwaltung sind 2,46 Milliarden Euro eingestellt (2020: 1,04 Milliarden Euro). Davon entfallen auf den Digitalfunk 379,83 Millionen Euro (2020: 384, 5 Millionen Euro), auf die Umsetzung der IT-Konsolidierung des Bundes 146,08 Millionen Euro (2020: 87,48 Millionen Euro), auf IT und Netzpolitik 151,1 Millionen Euro (2020: 25,13 Millionen Euro) und auf die Titelgruppe „Moderne Verwaltung“ 1,51 Milliarden Euro (2020: 427,64 Millionen Euro).
Für den Sport sieht der Etatentwurf Ausgaben von 288,62 Millionen Euro (2020: 479,24 Millionen Euro) vor. Als Zuschuss für Maßnahmen zur Dopingbekämpfung sind 8,92 Millionen Euro eingeplant (2020: 6,68 Millionen Euro)
Wohnungswesen und Stadtentwicklung
Der Bereich „Wohnungswesen und Stadtentwicklung“ umfasst Ausgaben von 3,97 Milliarden Euro (2020: 3,36 Milliarden Euro), von denen 3,01 Milliarden (2020: 2,53 Milliarden Euro) investiert werden sollen. Die Ausgaben für Wohngeld belaufen sich dabei auf 735 Millionen Euro (2020: 600 Millionen Euro). Für das Baukindergeld sind 896,05 Millionen Euro vorgesehen (2020: 861,35 Millionen Euro). Die Mittel für Investitionen in den Sozialen Wohnungsbau sollen den Angaben zufolge auf 400 Millionen Euro (2020: 150 Millionen Euro) erhöht werden.
Für die Städtebauförderung plant die Regierung 1,15 Milliarden Euro ein (2020: 1,01 Milliarden Euro) und für die nationale Stadtentwicklungspolitik 38,5 Millionen Euro (2020: 21,6 Millionen Euro). (sto/hau/01.10.2020)