Zeit:
Mittwoch, 28. Oktober 2020,
15
bis 16 Uhr
Ort: Berlin, Reichstagsgebäude, Sitzungssaal Fraktionsebene, Sitzungssaal 3 S 001
Die von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Corona-Teststrategie wird von Gesundheitsexperten eher skeptisch gesehen. Ärzte und Laborfachleute wiesen am Mittwoch, 28. Oktober 2020, anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) zum Antrag der FDP-Fraktion (19/22114) auf die bereits bestehende, praxiserprobte nationale Teststrategie hin. Die Experten äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion fordert eine verlässliche und praxisnahe Corona-Teststrategie. Das Robert-Koch-Institut (RKI) weise zurecht darauf hin, dass bei der Anwendung von Tests ein zielgerichtetes Vorgehen essenziell sei, heißt es in dem Antrag. Testen ohne Anlass führe zu einem falschen Sicherheitsgefühl, denn auch ein negativer Test sei nur eine Momentaufnahme und entbinde nicht von Hygiene- und Schutzmaßnahmen.
Die Abgeordneten fordern unter anderem, die nationale Teststrategie an den Prinzipien der Zielgerichtetheit und des Risikogruppenschutzes auszurichten. Die Strategie sowie die Quarantäne- und Testempfehlungen müssten je nach Infektionsdynamik angepasst werden. Mit dem Ausbau digitaler Meldewege sollten Ergebnisse schneller übermittelt werden.
„EU-weites Testkonzept erforderlich“
Zudem müsse der freie Personenverkehr aufrechterhalten werden. Erforderlich sei daher ein EU-weites Testkonzept, um Grenzschließungen zu verhindern. Einreisende aus Nichtrisikogebieten müssten nicht getestet werden, Einreisende aus Risikogebieten müssten einen negativen Test vorlegen.
Sobald die Laborkapazitätsgrenzen erreicht seien, sollten auch alternative Tests und Labore außerhalb der Humanmedizin genutzt werden. Zudem sollten verstärkt flexible lokale Tests ermöglicht werden.
„Teststrategie wird angepasst und weiterentwickelt“
Die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) erklärten, die nationale Teststrategie werde bereits seit Beginn der Pandemie je nach Lage angepasst und weiterentwickelt. Ein gewisses Dilemma bestehe darin, dass die nationale Teststrategie seit dem Sommer auf der Landesebene mit weiteren Testangeboten konfrontiert und konterkariert worden sei. Dies sei mit einer teilweise erheblichen Belastung und Bindung der verfügbaren Testkapazitäten verbunden und habe regional zu einer Überlastung der Labore geführt.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verwies auf den erprobten praktischen Nutzen der nationalen Teststrategie, die klare Hinweise gebe über die zu testenden Personen, die Art der Tests und die Prioritäten. So seien regelmäßige Tests von Personal, Bewohnern, Betreuten, Behandelnden und Besuchern medizinischer Einrichtungen vorgesehen.
Die KBV erinnerte in dem Zusammenhang an die Bedeutung der Grippeschutzimpfung, die vor allem für Risikogruppen sinnvoll sei. Grippe (Influenza) erzeuge anders als Corona immer ein schweres Krankheitsgefühl. Eine Doppeltestung Corona/Influenza sei daher nur in speziellen Fällen sinnvoll und möglich. Nach Einschätzung der KBV ist Deutschland mit fast 1,5 Millionen PCR-Tests pro Woche für zielgerichtete Testungen vorbereitet.
„Nutzen der Teststrategie muss klar begründet sein“
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erklärte, eine angemessene Teststrategie müsse immer auf einer klaren Begründung des Nutzens beruhen. So müssten Personen mit typischen Symptomen getestet werden. Zudem könne eine Testung sinnvoll sein, wenn ein vergleichsweise hohes Risiko für eine Corona-Infektion bestehe. Ferner könne ein Testanlass darin bestehen, für enge Kontaktpersonen von Infizierten durch ein negatives Testergebnis eine Isolation zu beenden.
Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbandes wäre es zu einfach, davon auszugehen, dass jeder wissenschaftliche Beitrag unmittelbar zu mehr Handlungsgewissheit führe. Es sei derzeit Aufgabe der jeweils Verantwortlichen, auch auf unsicheren Grundlagen zu entscheiden und getroffene Entscheidungen gegebenenfalls wieder zu revidieren.
„Gravierende Mängel des aktuellen Testkonzepts“
Der Wissenschaftler und Statistikexperte Werner Bergholz attestierte dem aktuellen Testkonzept gravierende Mängel. So seien die PCR-Tests nicht standardisiert, zudem gebe es keine belastbaren Daten zur Sensitivität und Spezifität, aus denen wiederum belastbare Daten zur falsch positiven Rate abgeleitet werden könnten.
Die zentralen Kennzahlen wie die Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen auf 100.000 Einwohner und der sogenannte R-Wert, so wie er derzeit ermittelt werde, seien keine validen Messgrößen. Bergholz plädierte dafür, das Infektionsgeschehen ausschließlich auf der Basis der Zahl der Erkrankten und Verstorbenen zu beurteilen. (pk/28.10.2020)