Zwölf parlamentarische Initiativen der Fraktion Die Linke zu Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten hat der Bundestag am Donnerstag, 10. Juni 2021, nach einstündiger Debatte abgelehnt. Erstmals beraten wurden ein Gesetzentwurf „zur Änderung des Grundgesetzes – Verankerung des Grundrechts auf menschenwürdige und existenzsichernde Arbeit“ (19/24692) sowie ein Antrag mit dem Titel „Missbrauch von Leiharbeit stoppen“ (19/30387). Den Antrag lehnten die Koalitionsfraktionen und die FDP bei Enthaltung von AfD und Grünen ab. Den Gesetzentwurf überwies das Parlament zur weiteren Beratung in den Rechtsausschuss. Weitere Oppositionsinitiativen wurden abgelehnt.
In der Debatte nutzten die Redner und Rednerinnen nutzten die Gelegenheit für eine Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode. Wenig überraschend äußerte sich die Opposition sehr unzufrieden mit dem Erreichten, während die Koalitionsfraktionen auf verschiedene Gesetzesprojekte verwiesen und diese als Erfolg werteten.
Linke: Enttäuschende Bilanz
Susanne Ferschl (Die Linke) betonte: „Gute Arbeit ist die Grundlage unseres Sozialstaates und der Finanzierung der Sozialsysteme.“ Doch immer noch sei Arbeit hierzulande vielfach prekär, der Niedriglohnsektor zu groß. Die Bilanz der Großen Koalition, dem entgegenzuwirken, sei „mehr als enttäuschend“, sagte sie.
Weder sei die sachgrundlose Befristung abgeschafft noch die Zahl der befristeten Neueinstellungen zurückgegangen, und auch an der Situation der Minijobber habe sich nichts geändert, so Ferschl.
CDU/CSU: Mitbestimmung und Tarifverträge gehören zusammen
Uwe Schummer (CDU/CSU) konzentrierte sich auf das Thema der schwindenden Tarifbindung und die zunehmende digitale Plattformarbeit.
Es sei wichtig, dass die Regierung das Gesetz zu den Betriebsverfassungen modernisiert habe, „um die klassische betriebliche Mitbestimmung endlich mit dieser digitalen Welt zu verbinden: “Denn wir wissen, dass dort, wo betriebliche Mitbestimmung lebt, die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Tarifbindung stärker ist.„
AfD: Missbrauch der parlamentarischen Abläufe
Uwe Witt (AfD) kritisierte vor allem das parlamentarische Verfahren: “Wir reden hier zu 16 Oberpunkten und 30 Drucksachen und haben dafür gerade einmal 60 Minuten Zeit. Das entspricht noch nicht einmal zwei Minuten Redezeit für alle Fraktionen zu jeder Drucksache. Das ist ein Missbrauch der parlamentarischen Abläufe hier im Hohen Haus„, kritisierte er.
Die Art, wie im Bundestag Demokratie gelebt werde, sei in den vergangenen 20 Jahren immer mehr zu einer Farce verkommen, so Witt.
SPD: Eine wichtige Debatte und wichtige Gesetze
Bernd Rützel (SPD) zeigte sich dagegen froh über die Debatte, da sie erneut die Möglichkeit biete, über drängende arbeitsmarktpolitische Themen zu reden.
Er verwies auf die verschiedenen, von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Gesetze, wie das Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das Arbeit-von-morgen-Gesetz oder das Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Fleischwirtschaft. “Wir haben viele gute Dinge gemacht„, sagte er.
FDP: Zeit für eine Reform bei Minijobs
Pascal Kober (FDP) verwies auf die Situation der Millionen Minijobber: Diese seien von der Corona-Pandemie am schlimmsten betroffen. Der größte Teil von ihnen habe nur diesen einen Verdienst, Tausende hätten ihren Job verloren und bekämen auch kein Kurzarbeitergeld.
“Es wird Zeit, dass wir die Verdienstgrenzen bei Minijobs endlich erhöhen„, auf 576 Euro zum 1. Juli, forderte er. Grundsätzlich verteidigte er Minijobs aber als “Leiter in den Arbeitsmarkt und Chance für Langzeitarbeitslose„.
Grüne: Ohne höheren Mindestlohn verfestigt sich Armut
Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Bundesregierung vor, in den vergangenen vier Jahren nichts getan zu haben, um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, von denen es leider zu viele in Deutschland gebe, einzudämmen.
Einzig in der Fleischwirtschaft sei etwas geschehen, aber das auch nur wegen der Corona-Krise. “Solange der Mindestlohn nicht auf zwölf Euro erhöht wird, so lange verfestigt sich Armut. Das darf in einem reichen Land wie Deutschland nicht passieren„, betonte Müller-Gemmeke.
Anträge der Linken abgelehnt
Zu den Anträgen mit den Titeln “Sachgrundlose Befristungen verbieten„ (19/831), “Evaluierung des Mindestlohngesetzes zur Stärkung der Beschäftigtenrechte nutzen„ (19/27319) und “Gutes Leben und gute Arbeit für alle – Eine geschlechtergerechte Krisen- und Zukunftspolitik ist nötig„ (19/26874) hatte der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Beschlussempfehlung (19/30442) vorgelegt. Für die beiden erstgenannten Anträge stimmten nur die Linksfraktion und die Grünen, für den letztgenannten nur die Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen.
Für die weiteren sieben Anträge lagen ebenfalls Beschlussempfehlungen vor. Auf Empfehlung des Arbeits- und Sozialausschusses wurden die Anträge der Linken mit den Titeln “Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen – Sozialversicherungssysteme stärken„ (19/24003, 19/27989 Buchstabe c), “40 Stunden sind genug – Gesetzliche wöchentliche Höchstarbeitszeit reduzieren„ (19/578, 19/1030), “Mehr Arbeitszeitsouveränität für Beschäftigte schaffen„ (19/2522, 19/4657 Buchstabe d) sowie “Damit jede Arbeitsstunde zählt – Arbeitszeitgesetz ergänzen„ (19/17134, 25379 Buchstabe a) abgelehnt. Für den ersten stimmte nur die Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen, für den zweiten und dritten stimmte nur die Linksfraktion, wobei sich die Grünen beim dritten enthielten. Für den vierten stimmten wieder Linke und Grüne, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab.
Eine gemeinsame Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (19/25896) gab es für die Anträge “Gute Arbeit und soziale Sicherheit für Gig-Worker bei der ortsgebundenen Plattformarbeit„ (19/16886) und “Gute Arbeit und soziale Sicherheit für Crowd-Worker bei der ortsungebundenen Plattformarbeit„ (19/22122). Für den ersten stimmte nur die Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen, für den zweiten votierten nur Linke und Grüne. Zu dem Antrag mit dem Titel “Steuergelder gegen Missbrauch durch Konzerne schützen„ (19/27190) gab es eine Beschlussvorlage des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (19/28079). Nur die Linksfraktion stimmte dafür, die Grünen enthielten sich, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab.
Weitere Oppositionsinitiativen zurückgewiesen
Entschieden wird ferner über den Antrag der AfD mit dem Titel “Aufhebung der Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte durch eine dynamische Kopplung an die Inflation„ (19/25807), über die Anträge der FDP mit dem Titel “Minijobs dynamisieren„ (19/24370) und der Linken mit dem Titel “Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen – Sozialversicherungssysteme stärken„ (19/24003). Zu diesen drei Anträgen gibt es eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (19/27989) vor. Nur die AfD und die FDP stimmten dafür.
Der Bundestag lehnte schließlich über zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Titeln “Arbeitszeit – Urteil des Europäischen Gerichtshofs umsetzen, mehr Zeitsouveränität ermöglichen„ (19/20585) und “Arbeitsförderung in der Krise – Für einen besseren Einstieg„ (19/27763) ab, zu denen ebenfalls Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales (19/25379 Buchstabe b, 19/28530) vorlagen. Für den ersten stimmten nur die Linksfraktion und die Grünen, für den zweiten stimmten nur die Grünen bei Enthaltung der FDP. Ein dritter Antrag der Grünen (19/27212) wurde direkt abgestimmt. Nur die Grünen stimmten dafür, die Linksfraktion enthielt sich.
Gesetzentwurf der Linken
Die Fraktion Die Linke will ein Grundrecht auf menschenwürdige und existenzsichernde Arbeit im Grundgesetz verankern. Das ist das Ziel ihres an den Rechtsausschuss überwiesenen Gesetzentwurfs (19/24692), in dem sie kritisiert, dass der Sozialstaat seine Aufgaben nur unzureichend erfülle. Als Folge der Corona-Pandemie beschleunige sich jedoch die wirtschaftliche Krise und das Ausmaß für den Arbeitsmarkt sei nicht absehbar, schreiben die Abgeordneten. Eine gute Arbeit und soziale Sicherheit, insbesondere in Krisenzeiten, und ökologische Nachhaltigkeit seien die Leitplanken eines sozial-ökologischen Umbaus hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft und für ein selbstbestimmtes Leben unabdingbar, heißt es im Entwurf.
Die Fraktion verlangt deshalb, den Artikel 12 des Grundgesetzes um folgenden Absatz zu ergänzen: “Im Mittelpunkt des Arbeits- und Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen seines Vertragspartners oder Dienstherrn. Jedermann hat ein Recht auf menschenwürdige und existenzsichernde Arbeit und Ausbildung. Ein Arbeitslohn ist existenzsichernd, wenn er mindestens einen angemessenen Lebensunterhalt sichert.„
Abgelehnter neuer Antrag der Linken
Mit ihrem abgelehnten neuen Antrag (19/30387) wollte die Fraktion Die Linke den “Missbrauch von Leiharbeit„ stoppen. Inzwischen gehöre die “flexibel einsetzbare und billigere Leiharbeit„ in vielen Branchen fest zum Geschäftsmodell, kritisierte die Fraktion. Auch dauerhafte Stammarbeitsplätze würden durch Leiharbeit und Fremdvergabe ersetzt. Von der Bundesregierung forderte sie bis zu einem baldmöglichen Verbot von Leiharbeit einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die dauerhafte Besetzung von Arbeitsplätzen mit Leiharbeitskräften verbietet. Nur, wenn ein vorübergehender Bedarf vorliege, sollte ein Arbeitsplatz für maximal drei Monate mit einer Leiharbeitskraft besetzt werden dürfen.
Nach dem Willen der Linken-Abgeordneten sollten Leiharbeitsbeschäftigte zudem ab dem ersten Einsatztag die gleichen Löhne und Arbeitsbedingungen wie Festangestellte erhalten plus einen Flexibilitätszuschlag auf den Lohn von zehn Prozent. Darüber hinaus sollte der Betriebsrat über eine Ergänzung des Paragrafen 87 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz ein zwingendes Mitbestimmungsrecht beim Einsatz, der Ausgestaltung und der Einschränkung von Leiharbeit.
Erster Antrag der Linken
Die Fraktion forderte in ihrem abgelehnten Antrag (19/831) ein Verbot der sachgrundlosen Befristung (19/831). Sie verlangte von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Streichung der sachgrundlosen Befristung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vorsieht.
Zur Begründung führte die Fraktion an, dass befristete Arbeitsverträge die Belegschaften spalten und ihnen ständig vor Augen führe, dass sie jederzeit austauschbar seien und sich deshalb mit ihren Forderungen zurückhalten sollten. “Arbeitsverträge mit Verfallsdatum sind ein Disziplinierungsinstrument„, schrieb Die Linke.
Zweiter Antrag der Linken
Die Linke forderte des Weiteren, die wöchentlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden zu senken und eine im Durchschnitt täglich erlaubte Höchstarbeitszeit von acht Stunden beizubehalten (19/578).
Im Teilzeit- und Befristungsgesetz wollte die Fraktion für Teilzeitbeschäftigte ein Rückkehrrecht in eine Vollzeitbeschäftigung verankern. Außerdem sollte eine Mindeststundenanzahl für Arbeitsverträge in Höhe von 22 Stunden pro Woche eingeführt werden, von der nur auf Wunsch der Beschäftigten abgewichen werden kann.
Dritter Antrag der Linken
Beschäftigte sollten über ihre Arbeitszeit stärker selbst entscheiden dürfen. Das forderte Die Linke in einem weiteren Antrag (19/2522). Dazu sollte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der unter anderem ein zwingendes Mitbestimmungsrecht von Betriebs- und Personalräten bei Fragen der Personalbemessung, der Vereinbarkeit von privatem Leben und Beruf sowie zur Zeitsouveränität festlegen soll.
Außerdem sollte er eine Anti-Stress-Verordnung enthalten, ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit, die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden reduzieren und den Mindesturlaubsanspruch von 24 auf 30 Tage anheben.
Vierter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke forderte außerdem eine gesetzliche Regelung zur exakten Dokumentation der Arbeitszeit. In ihrem abgelehnten Antrag (19/17134) hatte sie eine Ergänzung des Arbeitszeitgesetzes verlangt.
Arbeitgeber sollten demnach verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sowie die Dauer der Ruhepausen jeweils am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen.
Fünfter Antrag der Linken
Die Evaluierung des Mindestlohngesetzes zur Stärkung der Beschäftigtenrechte zu nutzen, verlangte die Fraktion ebenfalls. In ihrem weiteren abgelehnten Antrag (19/27319) kritisierte sie, dass fünf Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland dieser weder armutsfest noch existenzsichernd sei.
Der Mindestlohn müsse sich an der Schwelle von 60 Prozent des nationalen Medianlohns orientieren, schrieben die Abgeordneten und verwiesen darauf, dass auch die Mindestlohnkommission Defizite bei der Umsetzung der Vorschriften des Mindestlohngesetzes (MiLoG) beobachtet habe.
Sechster und siebter Antrag der Linken
In dem abgelehnten Antrag zu sogenannten Gig-Workern, die kurzfristig kleine, zeitlich befristete Aufträge übernehmen (19/16886), argumentierte Die Linke, Plattformbetreibern müsse die Möglichkeit genommen werden, sich ihren Pflichten als Arbeitgeber zu entziehen. Sie verlangte von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der unter anderem klarstellt, dass es sich bei Beschäftigten der Gig-Ökonomie grundsätzlich um Arbeitnehmer der Plattformbetreiber handelt. Auch sollte eine Beweislastumkehr im Statusfeststellungsverfahren eingeführt werden, die von den Plattformbetreibern verlangt, zu widerlegen, dass eine abhängige Beschäftigung existiert.
In dem abgelehnten Antrag zu sogenannten Crowd-Workern (19/22122) kritisierte die Fraktion, dass diesen zentrale Schutzrechte fehlten. Mit dem Begriff Crowd-Work würden in der Regel Dienstleistungen beschrieben, “die ortsunabhängig erbracht und über Internet-Plattformen vermittelt und koordiniert werden„. Für die betroffenen Selbstständigen gelte kein Mindestlohn und kein Arbeits- oder Kündigungsschutz. Dies sei sehr problematisch, schrieben die Abgeordneten. Sie forderten deshalb neben einer Mindestentlohnung auch die Stärkung der Mitbestimmungsrechte von Crowd-Workern, etwa durch eine Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes.
Achter Antrag der Linken
Die Linksfraktion forderte außerdem, Corona-Hilfen an Auflagen für Unternehmen zu knüpfen. Wer pandemiebedingt Unterstützung erhalte, dürfe keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen, keine Aktienrückkäufe tätigen und müsse Vorstandsgehälter auf das Zwanzigfache des Gehalts eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der untersten Lohn- und Gehaltsgruppe begrenzen, erklärten die Abgeordneten in ihrem abgelehnten Antrag (19/27190).
Die Auflagen sollten für dieses und das Folgejahr gelten. Zur Begründung hieß es, Unternehmen, die Geld für Dividenden, Boni und überhöhte Gehälter hätten, benötigten offensichtlich kein Staatsgeld.
Neunter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke forderte in einem weiteren abgelehnten Antrag (19/26874) eine geschlechtergerechte Krisen- und Zukunftspolitik. Eine Krisenpolitik, die über Geschlechterungerechtigkeiten hinwegsehe, manifestiere diese neu. Davon betroffen seien Frauen und die mit ihnen verbundenen Kinder und Familien.
Auch Verantwortungsgemeinschaften, die nicht dem traditionellen Familienmodell entsprächen, würden häufig übersehen, schrieben die Abgeordneten.
Zehnter Antrag der Linken
In ihrem elften abgelehnten Antrag (19/24003) verlangte die Linksfraktion ein Ende der Minijobs in der jetzigen Form. Sie kritisierte, geringfügige Beschäftigung sei nicht krisensicher, Minijobber hätten weder Anspruch auf Arbeitslosengeld I noch auf Kurzarbeitergeld. Es stimme nicht, dass diese Beschäftigten Minijobs nicht zur Existenzsicherung bräuchten. “Viele Menschen wählen Minijobs mangels besserer Alternativen„, schrieben die Abgeordneten.
Sie forderten, dass jede abhängige Beschäftigung ab dem ersten Euro der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegt und damit geringfügige Beschäftigung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführt wird. Es sollte ferner eine Mindeststundenanzahl in Höhe von 22 Stunden pro Woche gelten, von der nur auf Wunsch der Beschäftigten nach unten abgewichen werden darf. Die Linke verlangte weiter, den gesetzlichen Mindestlohn umgehend auf mindestens zwölf Euro und zur Eindämmung des Niedriglohnsektors auch die Tarifbindung zu erhöhen.
Abgelehnter Gesetzentwurf der AfD
Die Unterscheidung in befristete Arbeitsverträge mit und ohne Sachgrund sollte es nach dem Willen der AfD-Fraktion künftig nicht mehr geben. Statt dessen sollte eine “generelle Regelung„ in das Teilzeit- und Befristungsgesetz aufgenommen werden, wonach eine befristete Anstellung maximal 24 Monate gestattet sein sollte. In “besonderen Fällen„ sollte der Zeitrahmen überschritten werden dürfen, forderte die Fraktion in ihrem abgelehnten Gesetzentwurf (19/1841).
Dieser sollte auch festlegen, dass Kettenbefristungen reduziert werden, indem eine “zeitliche Höchstgrenze„ für die Befristung einer Stelle eingeführt wird und eine “konsekutive„ befristete Einstellung nicht gestattet ist, hieß es in dem Entwurf.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion forderte in ihrem abgelehnten Antrag (19/25807) eine Anhebung der Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte durch eine dynamische Kopplung an die Inflation.
Die Fraktion verlangte von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der diese Kopplung regelt, aber auch generell die Verdienstgrenze für sogenannte Minijobs auf 500 Euro im Monat anhebt.
Gesetzentwurf der FDP
Die FDP wollte mit ihrem abgelehnten Gesetzentwurf (19/4764) die Höchstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijobs) und Beschäftigung in der Gleitzone (Midijobs) dynamisch erhöhen. Sie kritisierte, dass diese Verdienstgrenzen seit 2013 nicht angehoben worden seien, weil die derzeit starren Regelungen keine automatische Anpassung an die allgemeine Lohnentwicklung zulassen würden.
Mit jeder Erhöhung des Mindestlohns würden sich deshalb die Stunden, die Beschäftigte im Rahmen von Mini- oder Midijobs arbeiten dürften, reduzieren. Sie könnten damit auch nicht von den Erhöhungen des allgemeinen Mindestlohns oder der Lohnentwicklung insgesamt profitieren, schrieb die Fraktion. Sie schlug deshalb vor, die Verdienstgrenzen an die Entwicklung des Mindestlohns zu koppeln.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion forderte in ihrem abgelehnten Antrag (19/24370) eine Dynamisierung bei den Minijobs. Konkret verlangte sie, die Verdienstgrenze bei geringfügiger Beschäftigung auf das Sechzigfache des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns festzulegen.
Zur Begründung schrieb die Fraktion, dass durch bessere Zuverdienstmöglichkeiten der Aufstieg innerhalb des Arbeitsmarktes noch besser gelinge. Zuverdienstmöglichkeiten müssten aufstiegs- und chancenorientiert sein, jede einzelne Arbeitsstunde müsse sich für die Beschäftigten lohnen, so die FDP.
Erster Antrag der Grünen
Die Grünen bezogen sich in ihrem abgelehnten Antrag (19/20585) auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und verlangten, dieses umzusetzen. Das Urteil komme zu dem Schluss, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein verlässliches, objektives und zugängliches Zeiterfassungssystem einzuführen, mit dem jeder Arbeitnehmer seine täglich geleistete Arbeitszeit erfassen kann, erläuterte die Fraktion.
Sie forderte die Bundesregierung deshalb auf, das EuGH-Urteil vom Mai 2019 umzusetzen und den Beschäftigten mehr Einfluss auf die Dauer, Lage und den Ort ihrer Arbeit zu ermöglichen. Die Grünen verlangten unter anderem die Schaffung einer flexiblen Vollzeit, in der die Beschäftigten im Rahmen von 30 bis 40 Stunden pro Woche ihren Arbeitsumfang bedarfsgerecht ausgestalten können. Mobiles Arbeiten sollte eindeutig und rechtssicher geregelt werden, schrieben die Grünen.
Zweiter Antrag der Grünen
Für einen besseren Einstieg von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt setzte sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem zweiten abgelehnten Antrag (19/27763) ein. Vor dem Hintergrund der sich durch die Corona-Krise verschlechternden Situation auf dem Arbeitsmarkt müssten sowohl der Berufseinstieg für junge Menschen als auch generell der Wiedereinstieg in Beschäftigung neu justiert werden, schrieben die Grünen.
Sie forderten unter anderem einen Einstiegszuschuss für Zeiten besonders schwieriger konjunktureller Lagen. Mit diesem sollte Berufseinsteigern der Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Analog zum Eingliederungszuschuss (EGZ) sollte durch ihn maximal 50 Prozent des Arbeitsentgelts für höchstens sechs Monate oder maximal 50 Prozent der Ausbildungsvergütung für höchstens zwölf Monate bezuschusst werden können. Der Zuschuss sollte eine Ermessensleistung sein, die sich nach den individuellen Arbeitsmarktchancen und der jeweiligen Arbeitsmarktsituation richtet.
Außerdem forderten die Abgeordneten eine bessere Förderung der Selbstständigkeit über den Gründungszuschuss. Die bisherige Ermessensleistung sollte dabei wieder zu einer Pflichtleistung werden, die erste Förderphase sollte wieder auf neun statt sechs Monate erhöht werden. Eine Förderung mit dem Gründungszuschuss sollte grundsätzlich auch für Menschen im SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) möglich gemacht werden.
Dritter Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte die soziale Mindestsicherung für sogenannte Gig-, Click- und Crowdworker verbessern. In ihrem dritten abgelehnten Antrag (19/27212) schrieben die Abgeordneten, Plattformanbieter gehörten zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen der Gegenwart. Die Zahl der Plattformen und der über Plattformen Tätigen nehme auch in Deutschland stetig zu mit wachsender Tendenz, die sich durch die Corona-Pandemie noch zu verstärken scheine. “Deshalb benötigen die Erwerbstätigen auf Plattformen faire Arbeitsbedingungen und sozialen Schutz„, forderten die Grünen.
Zur Unterscheidung der genannten Tätigkeiten schrieben sie: “Die Arbeit über Plattformen findet entweder online in der Cloud statt und ist dann ortsunabhängig, sogenannte Crowdwork, wie zum Beispiel hochspezialisierte Know-how-Angebote im Bereich Software und E-Learning. Hinzu kommt die ortsunabhängige Clickwork, also auf einige Klicks beschränkte Kleinstaufträge. Auf der anderen Seite gibt es auch ortsabhängige Dienstleistungen, die über Plattformen vermittelt werden. Diese werden als Gig-Work bezeichnet. Hier vermitteln Plattformen unter anderem Essenslieferungen, Reinigungsdienstleistungen oder Pflegeangebote.„
(che/pez/hau/10.06.2021)